Ende der Halle 02

CDU kritisiert Halle 02-Chefs (Update)

"Unter einem Vorwand gute Kulturarbeit zunichtegemacht"

29.06.2020 UPDATE: 09.07.2020 21:30 Uhr 5 Minuten, 43 Sekunden
Alle Clubs in der Region sollen von dem regionalen Fördertopf profitieren – auch das Cave in der Heidelberg Altstadt, dessen Zukunft durch Corona gefährdet ist. Denn wann dort wieder Konzerte – wie auf diesem Archivfoto – stattfinden können, ist völlig unklar. Foto: Alex

Heidelberg. (RNZ) Harsch reagiert die CDU-Fraktion im Gemeinderat auf die Ankündigung der Halle 02-Geschäftsführer, den Kulturbetrieb einzustellen. In einer Pressemitteilung zeigt sie sich verwundert. "Unzutreffend ist die Aussage, die Stadt habe kein gutes Kulturkonzept", so Fraktionschef Jan Gradel. "Damit wird in Abrede gestellt, dass sich der Gemeinderat, unter Beteiligung eines der beiden Geschäftsführer der Halle 02, bereits seit einem Jahr um neue Leitlinien und Förderrichtlinien bemüht."

Der Gemeinderat habe die Halle 02 immer gut unterstützt. "So wurde der Halle 02 ein maßgeschneidertes Gebäude gebaut, das die Betreiber zu einer stark subventionierten Miete nutzen und zusätzlich derzeit bereits untervermieten." Die Stadt sei den Betreibern durch einen langfristigen Mietvertrag deutlich entgegengekommen. Zudem habe die Stadt zu Beginn der Corona-Krise mit sofortiger Wirkung auf die Mietzahlungen verzichtet.

Es sei bedauerlich, dass sich die Halle-Betreiber im Vorfeld ihrer Entscheidung nicht mit einem Zukunftskonzept an den Gemeinderat gewandt hätten. "Verwaltung und Politik wären sicherlich bereit gewesen, an einer gemeinsamen Lösung – auch für andere Kulturbetriebe – zu arbeiten", so Stadtrat Werner Pfisterer. "Allerdings wurde jetzt unter einem Vorwand gute und wichtige Kulturarbeit zunichtegemacht, was wir sehr bedauern." Man fordere die Betreiber auf, konkret zu äußern, was genau die Probleme sind und wie der Entscheidung zur Schließung des Kulturbetriebes entgegengewirkt werden könne.

"Sollten sie das nicht tun, erhält die jetzige Entscheidung einen mehr als fahlen Beigeschmack", erklärt Jan Gradel.

Update: Donnerstag, 9. Juli 2020, 21.30 Uhr

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Kommt jetzt doch der regionale Fördertopf für die Clubkultur?

Oberbürgermeister Würzner schaltet sich ein - Alle Clubs sollen Gelder bekommen - Modell schon bekannt

Von Anica Edinger

Heidelberg. Das Ende des Kulturprogramms in der Halle 02 sorgte offenbar auch im Rathaus für einen Schock. Jedenfalls ließ Pressesprecher Achim Fischer am Mittwoch aus dem Büro des Oberbürgermeisters verlauten: "Es soll ein regionaler Fördertopf für die Clubkultur realisiert werden." Und das soll jetzt ganz schnell gehen.

Deshalb ist OB Eckart Würzner selbst aktiv geworden – und steht laut Fischer schon in Kontakt mit Städten in der Region, aber auch mit Privatpersonen, die bereit seien, in den Fördertopf zu investieren.

Und, so viel ließ der Stadtsprecher durchblicken, "es sieht gut aus". Anvisiert sei ein Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich – vorerst. Denn wenn es gut läuft, könnte der Fördertopf zu einer langfristigen Angelegenheit werden.

All das soll nach dem sogenannten Hamburger Modell funktionieren. Demnach können Clubs – in Hamburg alle mit einer Kapazität bis zu 1000 Personen – pro Veranstaltung finanzielle Mittel bekommen, die sich danach richten, welchen Gema-Tarif die Clubbetreiber für die jeweilige Veranstaltung bezahlen. Die Gema ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Sie verwaltet in Deutschland die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht.

Hintergrund

Ist es wirklich das Aus?

RNZ. Auch "Die Heidelberger" "bedauern das Clubsterben der letzten Jahre sehr". "Schließlich macht auch das Angebot der Clubs gerade für junge Menschen, einen Teil der Attraktivität unserer Stadt aus", heißt es in einer

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Ist es wirklich das Aus?

RNZ. Auch "Die Heidelberger" "bedauern das Clubsterben der letzten Jahre sehr". "Schließlich macht auch das Angebot der Clubs gerade für junge Menschen, einen Teil der Attraktivität unserer Stadt aus", heißt es in einer Stellungnahme. Am Sonntag kündigten die Macher der Halle 02 das Aus ihres Kulturprogramms an. Bei den "Heidelbergern" herrscht darüber Unverständnis. Schließlich habe die Stadt der Halle nicht nur die Miete gestundet, sondern komplett erlassen. Außerdem könne sie sich über viele Förderprogramme der Stadt für finanzielle, punktuelle Hilfen bewerben. "Grundsätzlich muss man sich auch fragen, ob man vom ,Aus‘ der Halle 02 sprechen kann, wenn die Geschäftsführer davon sprechen, dass öffentliche Veranstaltungen ,bis auf Weiteres pausieren‘ und man sich ,zunächst auf ein anderes Geschäftsmodell konzentriert‘." Es bestehe also durchaus die Hoffnung, dass in der Halle 02 wieder öffentliche Veranstaltungen stattfinden, sobald die Coronaverordnung dies zu wirtschaftlichen Bedingungen zulasse.

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Bei dem Fördertopf soll es sich laut Fischer um eine strukturelle Förderung handeln – also um genau das, was der Verein Eventkultur schon seit vielen Jahren zur Rettung der Clubkultur fordert. Die Idee eines regionalen Fördertopfs, der die gesamte Metropolregion Rhein-Neckar einschließt, geht überhaupt auf den Verband der Clubbetreiber zurück.

Kritisiert hatte "Eventkultur" daher auch die Pläne des Kulturamts, das statt der strukturellen Förderung eine projektbezogene Förderung für Livemusik-Veranstaltungen in Heidelberger Clubs erarbeitet hatte.

Dennoch wurde das so im Mai 2019 beschlossen. 80.000 Euro stehen seither bereit, die möglichst unbürokratisch an Musikspielstätten verteilt werden, die regelmäßig zu musikalischen Veranstaltungen einladen. Im heutigen Ausschuss für Bildung und Kultur (17 Uhr, Rathaus) könnte das Thema laut Stadtsprecher Fischer aufgegriffen werden.

Update: Mittwoch, 1. Juli 2020, 20.30 Uhr


Jetzt soll der Bund die Halle 02 retten

Von Anica Edinger

Heidelberg. Auch bei den Fraktionen im Gemeinderat sorgte die Nachricht über das Aus der Kultur in der Halle 02 für Empörung.

> Grüne: "Die Nachricht, dass die Halle 02 ihr Kulturprogramm einstellen muss, ist ein harter Schlag für Heidelberg", heißt es in einer Mitteilung der Grünen. "Nachtkultur ist ebenso Kultur wie die sogenannte Hochkultur auch, und ist vor allem für junges Publikum extrem wichtig und identitätsstiftend", so Grünen-Stadträtin Marilena Geugjes. Deshalb müsse nun auch die Bundesregierung den Clubs die Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen. Dazu gehöre auch eine generelle, strukturelle Unterstützung. Grünen-Stadträtin Kathrin Rabus betont: "Die Macher der Halle 02 haben aus einer abgerockten Industriebrache ein pulsierendes Zentrum für Gegenwartskultur gemacht, mit einem beeindruckenden Konzertprogramm, einer lebendigen Clubszene und immer einem offenen Ohr für Trends und neue Formate." Es sei jetzt an der Zeit, das anzuerkennen.

> CDU: "Ich finde es unendlich schade", sagt Jan Gradel, CDU-Fraktionsvorsitzender. Es sei klar, dass es nun an der Politik sei, den Betrieben, denen aufgrund der Corona-Krise die Geschäftsgrundlage entzogen wurde, ein Überleben zu garantieren. Es sei bereits ein großer Betrag der Bundesregierung zur Unterstützung angekündigt. Sobald dieser ausgeschüttet werde, würde man mit der Verteilung beginnen. Bei der Halle 02 habe man dem Gemeinderat aber nicht die Chance gegeben. "Ich habe davon aus der Zeitung erfahren", sagt Gradel.

> SPD: Das Coronavirus stelle die gesamte Gesellschaft vor eine "nie da gewesene Herausforderung", schreibt die SPD-Fraktion – das träfe wegen des Veranstaltungsverbots insbesondere auf Clubs und damit die Halle 02 zu. Deshalb habe man auch dem Mieterlass für sechs Monate zugestimmt. "Der Gemeinderat hat bereits große Anstrengungen unternommen, um seinen Beitrag zu leisten", so die SPD – um zu dem Schluss zu kommen: "Ohne Unterstützung von Bund und Land wird es nicht funktionieren."

> FDP: "Die Nachricht, dass in der jüngsten Stadt Deutschlands der größte Veranstalter für Konzerte und Partys schließt, ist eine Bankrotterklärung für unsere Jugend- und Eventkultur", findet die FDP. Deshalb müsse man jetzt einen Plan erarbeiten, um die Heidelberger Clubszene zu reanimieren. Dabei sei nicht Rückgang oder Beibehaltung des Status quo das Ziel, "sondern eine Ausweitung".

> Die Linke: Ende April hat "Die Linke" einen Antrag auf Club-Nothilfe im Gemeinderat gestellt. Er wird am Donnerstag, 2. Juli, im Kulturausschuss beraten. Eine Ausfallkompensation für kleine und mittlere Clubs, zu denen laut "Linke" auch die Halle 02 zählt, wird darin vorgeschlagen. So will sich die Fraktion weiter mit aller Macht dafür einsetzen, "die Halle 02 unbedingt zu erhalten". Denn: "Würde sie wegfallen, wäre der letzte große Pfeiler der Jugend- und Clubkultur weg."

Update: Dienstag, 30. Juni 2020, 20.15 Uhr


Entsetzen über das Aus für die Kultur in der Halle 02

Von Anica Edinger

Heidelberg. Das Aus der Halle 02 schlägt hohe Wellen. In den sozialen Netzwerken drücken Hunderte Kommentatorinnen und Kommentatoren ihr Entsetzen aus. "In Heidelberg stirbt wirklich das komplette Nachtleben", schreibt eine. Und eine andere formuliert es noch deutlicher: "Heidelberg mutiert immer mehr zu einer langweiligen und toten Stadt. Schade."

In einem offenen Brief an Freunde, Partner und Weggefährten kündigten die Geschäftsführer der Halle 02 – Heidelbergs größtes Veranstaltungshaus in der Bahnstadt – am Sonntag das Ende der Halle 02 in gewohnter Form an. Man werde sich vollständig aus dem Kulturbetrieb zurückziehen, hieß es darin. Die Folge: Keine öffentlichen Veranstaltungen mehr, keine Konzerte, keine Partys, keine Ausstellungen – eben nichts, was mit Kultur zu tun hat und finanziell immer bezuschusst werden muss. Stattdessen werde man sich in Zukunft auf private Events wie Konferenzen, Firmenfeiern und Tagungen konzentrieren. "It was all a dream" – es war alles ein Traum – schrieb die Halle 02 am Sonntagabend in ihren Netzwerken.

>>> Hier geht es zum RNZ-Dossier zum 15-Jährigen der Halle 02 <<<

Der Verein Eventkultur Rhein-Neckar, der Verband der Clubbetreiber in der Metropolregion, bezog sofort Stellung. "Dass nun ausgerechnet die Halle 02 als größte Location für Live-Veranstaltungen in Heidelberg als erstes ihr Ende ankündigt, ist eine Katastrophe", wird darin auch Tobias Breier, zweiter Vorsitzender von Eventkultur, zitiert. Es sei zu befürchten, dass andere Betriebe folgen werden. Mehr noch: Einige Mitglieder im Verband hätten in Gesprächen bereits angekündigt, dass sie demnächst einen ähnlichen Weg wie nun die Halle 02 einschlagen werden. "Es besteht zwar weiterhin die Hoffnung, dass die Programme der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien endlich konkret werden und die Clubs und Veranstalter zielgerichtet unterstützen, doch die wirtschaftlichen Folgen werden auch über die Laufzeiten potenzieller Hilfsprogramme hinaus weiterhin spürbar sein”, fürchtet auch Zora Brändle, die erste Vorsitzende. Deshalb bräuchten Clubs jetzt unbedingt eines: "Eine Perspektive durch gezielte finanzielle Hilfsmaßnahmen."

Volles Haus beim Konzert in der Halle 02 im Februar: Solche Veranstaltungen wird es bis auf Weiteres dort nicht mehr geben. Foto: Alex

Darauf hofft auch Oberbürgermeister Eckart Würzner. Bund und Land hätten Gelder für Clubs und Diskotheken zur Überwindung der Corona-Krise bereits angekündigt. "Sie müssen in diesem Bereich jetzt unterstützen", sagt Würzner auf RNZ-Anfrage. Die Stadt jedenfalls sei längst in die Bresche gesprungen und habe der Halle 02 als städtischer Liegenschaft per Gemeinderatsbeschluss die Miete für sechs Monate erlassen, also bis Ende August. Was danach käme, werde man sehen müssen, meinte Würzner. Aber klar sei auch: "Wir können nicht alles bezahlen." Dennoch wolle er das Kulturprogramm in der Halle 02 und an diesem Standort in der Bahnstadt in jedem Fall erhalten – und das eigentlich auch mit den beiden Geschäftsführern Grädler und Seibold. "Wir kennen uns gut, sie haben in den vergangenen Jahren eine extrem tolle Arbeit geleistet und ich hoffe, sie werden das auch weiter tun." Deshalb müsse man sich jetzt "etwas überlegen", wie es Würzner ausdrückt. Denn wann es wieder Tanzveranstaltungen in Clubs geben werde, sei derzeit nicht absehbar.

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