Tödliche Attacke in Leimen

"Acht wuchtige Messerstiche" in den Oberkörper

Prozessauftakt am Heidelberger Landgericht - Es ging um 25.000 Euro - Angeklagter schweigt

20.06.2018 UPDATE: 21.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Kerzen und Blumen standen für das Entsetzen, das die Bluttat mitten im Zentrum von Leimen ausgelöst hatte. Foto: Priebe

Von Willi Berg

Leimen. Achtmal soll ein 36-Jähriger zugestochen haben. Das polnische Opfer überlebte die Messerattacke vor einem Leimener Nachtclub nicht. Seit Mittwoch muss sich der mutmaßliche Täter aus dem Kosovo wegen Totschlags vor dem Heidelberger Landgericht verantworten.

Die beiden Männer waren am Morgen des 23. September 2017 in Streit geraten. Dabei soll es auch um 25.000 Euro gegangen sein, die der Pole und andere dem Angeklagten angeblich schuldeten. Wofür, das ist bisher völlig unklar.

Gegen 5.30 Uhr habe der Kosovare wütend das Lokal verlassen. Und dem 45-Jährigen Kontrahenten davor mit einem Messer aufgelauert. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen oder um dem Polen "eine Abreibung zu verpassen", sagte Oberstaatsanwältin Christiane Vierneisel.

Nach einer Rangelei habe der Angeklagte dem Opfer "acht wuchtige Messerstiche" in den Oberkörper versetzt. Ein Stich durchtrennte die innere Brustschlagader. Trotz sofortiger Notoperation starb der Mann am Folgetag im Krankenhaus. Der Angeklagte wurde vier Tage später auf einem Autobahnrastplatz in Nordfrankreich verhaftet.

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Am Mittwoch wollte sich der Vater von vier Kindern nur zu seinem Lebenslauf äußern. Zu den Vorwürfen machte er keine Angaben. Jedoch hatte er in der U-Haft mit einem Psychiater darüber gesprochen und dabei die Tat als Notwehr dargestellt. Er sei furchtbar traurig über das Geschehen, erzählte er dem Gutachter Hartmut Pleines. Das damals Gesagte wurde gestern in den Prozess eingeführt.

Wie es zu der Bluttat kam, schilderte der Angeklagte demnach so: Gegen Morgen seien mehrere Personen, die er nicht kannte, in den Club in der Rohrbacher Straße gekommen. Eine Frau habe ihn gefragt, ob er der "rumänische Hurensohn ist, den wir suchen".

Zunächst habe er geglaubt, es handele sich um eine Verwechslung und klar gestellt, dass er Albaner ist. Er sei jedoch weiter beleidigt, zudem geohrfeigt und bespuckt worden. Das spätere Opfer habe gedroht, ihm den Kopf abzuschlagen. Ein Mann habe ihn in den Bauch getreten, worauf er hingefallen sei. Jemand habe ein Messer auf den Boden geworfen, das neben ihm gelandet sei. Er habe dies ergriffen und verlangt, ihn gehen zu lassen.

Der Pole habe ihn darauf gepackt und fest am Hals gedrückt. Da habe er zugestochen, um sich zu wehren. Das Geschehen habe er wie einen Traum empfunden. Sein größter Fehler sei es gewesen, dass er nicht auf die Polizei wartete.

Am ersten Prozesstag wurden mehrere Zeugen gehört. Darunter eine junge Frau, die in dem Club den ersten Tag als Bedienung arbeitete. Die Rumänin berichtete, ein weiblicher Gast habe den Angeklagten schwer beleidigt. Und sie beobachtete einen Streit zwischen dem Angeklagten und einem Mann, den sie nicht kenne. Worum es dabei ging, wisse sie nicht.

Dieser Unbekannte habe ein Küchenmesser in der Hand gehabt. Jemand habe dem Mann dieses abgenommen und ihn dann vor die Tür gesetzt. Was draußen geschah, habe sie nicht gesehen.

Anders eine Zeugin, die gegenüber auf ihre Straßenbahn wartete. Sie habe beobachtet, wie sich zwei Männer vor dem Club mit Fäusten prügelten. Der größere der beiden habe dem anderen "eine reingehauen". Sie habe den Schlag auf den Kopf deutlich gehört und gedacht: "Das war ordentlich; dass der noch steht, Hut ab", sagte die Altenpflegerin.

Dann versperrte eine Bahn die Sicht. Als die abgefahren war, sei der Angeklagte über die Straße und an ihr vorbei gegangen. Der Mann habe ein Messer zusammenklappt und in die Jacke steckt: "Er war ruhig und konzentriert, als wäre nichts gewesen."

Der Angeklagte gehört als Christ einer religiösen Minderheit im Kosovo an und fühlte sich diskriminiert. 2011 floh er, nachdem er in einem Auto beschossen worden war. Sein Neffe sei dreimal getroffen worden. Ein Asylantrag in Frankreich wurde abgelehnt. Danach ging er nach Deutschland, bis er in den Kosovo abgeschoben wurde. Von dort zog er mit der Familie vorübergehend nach Serbien, um schließlich wieder nach Deutschland einzureisen. Zuletzt wohnte die Familie im Rhein-Neckar-Kreis.

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