Thomas Schwenk (v.l.), Siegmar Plath, Maria Flores-Schwenk und Christian Erles versuchen beschädigten Geräten und Utensilien jeder Art ein zweites Leben zu schenken. Foto: Hammer
Von Anja Hammer
Neckargemünd-Waldhilsbach. Die Brombeeren sind schuld. Ihretwegen sitzt Christian Erles da und weiß langsam nicht mehr weiter. "Das macht mich wahnsinnig", sagt der 49-Jährige, fährt sich mit der einen Hand durch die Haare und starrt auf die Platine in seiner anderen Hand.
Die elektrische Leiterplatte gehört zu einem Standmixer. Diesen hatte die RNZ-Redakteurin mindestens schon zehn Jahre in Betrieb und davor ihre Großmutter. Halb gefrorene Brombeeren waren dann aber doch zu viel für das alte Gerät. Beim Pürieren der Früchtchen quittierte es seinen Dienst - übrigens mit einem lauten "Peng" und einem Kurzschluss in der Küche. Sicherlich könnte man den Mixer nun einfach wegwerfen und einen neuen kaufen. Oder aber, man nimmt ihn zum Anlass, dem Waldhilsbacher Reparatur-Café einen Besuch abzustatten.
Besuch im Repair-Café in Waldhilsbach
Kamera: Anja Hammer / Produktion: Selma Badawi
Das ist ganz im Sinne der siebenköpfigen Tüftel-Gruppe, die sich oben im Neckargemünder Stadtteil zusammengefunden hat. "Unser Ziel ist, dass weniger weggeworfen wird", sagt Gründungsmitglied Thomas Schwenk. Einmal im Monat schleppen sie dafür kistenweise Werkzeug in den Bürgerkeller unter der Grundschule. Gegen eine Spende - die weitergespendet wird an den Verein "Schulweg" - tüfteln, schrauben oder leimen die Reparateure. Und so haben sie im Lauf der vergangenen vier Jahre etlichen Staubsaugern, Kaffeemaschinen und mehr ein zweites Leben geschenkt.
"Ungefähr 70 Prozent der mitgebrachten Dinge haben wir reparieren können", sagt Fahrradexperte Schwenk. Allein an diesem Tag sind zwei Kaffeemaschinen, ein Wasserkocher, eine Nähmaschine, ein Pürierstab und ein Fahrrad wieder in Gang gebracht worden. "Nur bei CD-Playern besteht meistens keine Hoffnung", erzählt Miriam Solera, als sie der Nähmaschine einen neuen Tropfen Öl mit auf den weiteren Lebensweg gibt.
Die Stimmung ist gut. Bei blauem Himmel und angenehmen Temperaturen hat das Team des Reparatur-Cafés seine Tische im Schulhof aufgestellt. Feinmechanik-Profi Siegmar Plath genießt die Sonne und wartet auf "Kundschaft". Da gerade keiner mit einem mechanischen Problem zur Stelle ist, trinkt der 79-Jährige in aller Ruhe einen Kaffee. Maria Flores-Schwenk, das Organisationstalent in der Gruppe, schaut, dass jeder Gast stets eine volle Tasse hat und bei den bereitgestellten Brezeln zugreift. "Es geht hier schließlich auch um die Geselligkeit", sagt die 53-Jährige.
Eines können die Reparateure nämlich nicht leiden: "Die Dinge hier abstellen und sagen ,Ich komme später wieder’ - das geht gar nicht!", stellt Solera klar. Ihr Mann Christian Erles ergänzt: "Normalerweise reparieren wir die Dinge mit den Leuten zusammen; wir geben quasi Hilfe zur Selbsthilfe." Aber natürlich ist das nicht immer möglich.
Denn nachdem der Elektro-Ingenieur den Standmixer aufgeschraubt hat, ist klar: Hier ist Fachwissen gefragt. "Da ist ein Kontakt durch den Kurzschluss angekohlt", meint Erles. Er feilt das Dunkle weg und lötet eine "Gehhilfe", wie er es nennt, an die kleine grüne Elektro-Platte. Doch das zusätzliche Kabel bringt nicht den gewünschten Effekt.
Während der 49-jährige Waldhilsbacher nach einem weiteren Fehler im Schaltkreis sucht, erzählen die anderen von ihren schönsten Momenten als Reparateure. In Erinnerung ist ihnen ein Pärchen aus Mauer, das zum Dank für die erfolgreiche Instandsetzung süße Teilchen vom Bäcker brachte. Oder ein Mann aus Ziegelhausen, der vergessen hatte, die Kanne seiner Kaffeemaschine mitzunehmen - und die natürlich ohne nicht lief. Oder das kleine Mädchen, das überglücklich über seinen wieder funktionierenden Kassettenrekorder war.
Es ist inzwischen weit nach Mittag, Erles hat schon mehrere Kabel auf die Platine gelötet, aber der Strom kommt immer noch nicht beim Motor an. "Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt zum Aufgeben gekommen", sagt er und fügt lachend hinzu: "Aber jetzt hat mich der Ehrgeiz gepackt." Denn auch das kommt vor: Manche Dinge lassen die Reparateure nicht los. "Dann schauen wir im Internet nach Tricks", berichtet Flores-Schwenk. Und so kommt der Standmixer beim nächsten Reparatur-Café erneut an die Reihe.
Info: Das Reparatur-Café öffnet am Samstag, 12. Oktober, im Bürgerkeller seine Pforten. Von 10 bis 12 Uhr bekommen defekte Gegenstände eine neue Chance.