Region Heidelberg

Die Zahl der Briefwähler explodiert

In manchen Orten will fast die Hälfte der Wahlberechtigten vor Sonntag abstimmen. Die Region beeinflusst die 18-Uhr-Prognosen.

22.09.2021 UPDATE: 23.09.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Laura-Luisa Herpel und Michael Ulrich von der Stadt Leimen (l.) mit den Wahlbriefen, die täglich in die Urnen geworfen werden. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Region Heidelberg. "Es ist der sicherste Raum im Rathaus", sagt Leimens Stadtsprecher Michael Ullrich mit einem Augenzwinkern. Gut bewacht von mehreren Mitarbeitern der Stadtverwaltung und hinter verschlossenen Türen schlummern hier mehrere Tausend rote Umschläge mit Stimmzetteln für die Bundestagswahl in grauen Tonnen. An diesem Sonntag, 26. September, werden die Urnen geöffnet. Nicht nur in Leimen ist die Zahl der Briefwähler explodiert. Rund um Heidelberg gibt es noch weitere Besonderheiten zur Bundestagswahl.

> Briefwahl gefragt: 6802 Wahlberechtigte haben bis zu dieser Woche in Leimen die Abstimmung per Brief beantragt – so viele wie noch nie. "Bei der Landtagswahl im Frühjahr hatten wir schon einen Rekord mit etwa 5800 Anträgen", berichtet Stadtsprecher Ullrich. "Wir haben erwartet, dass es mehr werden." Als Grund sieht Ullrich nicht nur die Pandemie, wegen der viele Wähler auf den Gang ins Wahllokal verzichten. Den Trend zur Briefwahl gibt es schon länger. "Viele Wähler wollen den Wahlsonntag anders verbringen und die Briefwahl ist bequem", meint er. "Dabei hat sie der Gesetzgeber eigentlich einmal nur als Ausnahme vorgesehen." Nun werde sie die Regel. "Corona hat den Trend nur weiter befeuert", sagt Ullrich. Die Stadt habe sogar mit noch mehr Anträgen gerechnet. Die Briefwahl bedeute viel Arbeit im Vorfeld und bei der Auszählung. Mehrere Mitarbeiter und Auszubildende sind damit beschäftigt, die Unterlagen an die Wähler vorzubereiten und zu versenden. Groß ist auch der Aufwand beim Auszählen, da die Umschläge mit den Stimmzetteln erst am Wahlsonntag um 18 Uhr geöffnet werden dürfen, was Zeit koste.

Damit gibt es in Leimen die meisten Briefwähler rund um Heidelberg. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt Leimen aber nicht vorne. In der Großen Kreisstadt wollen rund 37 Prozent der Wahlberechtigten ihre beiden Kreuzchen vorab setzen. Mit Ausnahme von Eppelheim mit einem Anteil von etwa 28 Prozent ist dieser Wert in allen Orten der Region höher. An der Spitze liegen Wilhelmsfeld und Heiligkreuzsteinach mit 49 und 47 Prozent. Liegt die Wahlbeteiligung hier wie vor vier Jahren wieder bei um die 80 Prozent, wird also nur etwa ein Drittel am Sonntag abstimmen. Ebenfalls hoch ist der Anteil in Dossenheim, Neckarsteinach und Schönau mit jeweils 43 Prozent. In allen anderen Orten liegt er zwischen 37 und 41 Prozent.

> Wahlforscher vor Ort: Wenn am Sonntag um 18 Uhr nach dem Schließen der Wahllokale die Prognosen zum Ausgang der Bundestagswahl über die Fernsehbildschirme flimmern, haben daran auch Wähler in der Region mitgewirkt. Das für die ARD tätige Wahlforschungsinstitut "infratest dimap" aus Berlin befragt am Sonntag in Neckargemünd Wähler im Bezirk "Hollmuth/Mühlrain" nach dem Verlassen des Wahllokals nach ihrer Entscheidung. Insgesamt hat sich "infratest" bundesweit 560 Wahllokale herausgepickt, wie Sprecherin Irina Roth berichtet. Das sind etwas weniger als vor vier Jahren. Dafür folgt das Institut dem Trend zur Briefwahl und beobachtet für Hochrechnungen am Abend die Auszählungen in 205 Briefwahlbezirken. In jedem Wahllokal kommt ein Interviewer zum Einsatz, der möglichst viele Wähler befragt. Es wird erwartet, dass etwa 50.000 bis 70.000 Fragebögen ausgefüllt werden. Auf diesem wird nach der aktuellen und der früheren Wahlentscheidung, Alter, Geschlecht, Berufsgruppe und Gründen für die Wahl gefragt. Die Daten werden in regelmäßigen Abständen per Telefon in die "infratest"-Zentrale durchgegeben. Die für das ZDF tätige "Forschungsgruppe Wahlen" mit Sitz in Mannheim wird derweil – wie schon bei der Landtagswahl im Frühjahr – in Sandhausen die Wähler des Bezirks 15 im Friedrich-Ebert-Schulzentrum befragen. Geschäftsführer Matthias Jung berichtet, dass deutschlandweit zufällig 400 Wahllokale ausgewählt wurden, in denen je zwei Interviewer im Einsatz sind. Geplant sind 70.000 Interviews.

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> Repräsentative Wahlbezirke: Das Statistische Landesamt hat in der Region mehrere Bezirke auserkoren, die in eine repräsentative Wahlstatistik einfließen. In dieser werden die Wahlbeteiligung und das Abstimmungsverhalten nach Alter und Geschlecht analysiert. Deshalb kommen in diesen Bezirken zwölf unterschiedlich markierte Stimmzettel für sechs Altersgruppen je Geschlecht zum Einsatz. Gleich zwei repräsentative Wahlbezirke gibt es in Dossenheim mit dem Urnenwahlbezirk 103, dessen Wahllokal sich im Hanna-und-Simeon-Heim befindet, und dem Briefwahlbezirk 1. Zudem repräsentativ sind in Sandhausen der Bezirk 8 mit Wahllokal im Anne-Frank-Kindergarten, ein Bezirk in Leimen-Mitte mit Wahllokal in der Turmschule und ein Bezirk in Spechbach.

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