Alltag in der engen Ortsdurchfahrt Rainbach: Sechsmal täglich fahren laut Manfred Wetzel zwei Busse hintereinander an seinem Haus vorbei – für ihn der Grund für das kaputte Rohr. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. "Die Ortsdurchfahrt Rainbach muss aufgrund einer Straßenabsenkung ab sofort für den Verkehr vollgesperrt werden. Betroffen ist ein Stück der Ortsstraße, auf Höhe der Ampelanlage. Derzeit sind Bürgermeister, Ordnungsamt der Stadtverwaltung und Straßenmeisterei des Landratsamtes sowie eine Baufirma vor Ort." Das teilte die Neckargemünder Stadtverwaltung am Vormittag des 2. Oktober 2019 mit.
Am Abend konnte die Vollsperrung schon wieder aufgehoben werden. Für Anwohner Manfred Wetzel begann der Ärger allerdings erst hinterher. Denn was zunächst nach einer harmlosen Baustelle klingt, kommt den Anwohner teuer zu stehen: Er soll fast 7000 Euro für ein kaputtes Rohr zahlen, das unter der Straßendecke lag.
Schon Monate zuvor hatte Wetzel ein kleines Loch im Gehweg entdeckt. "Ich habe immer wieder Sand nachgefüllt, damit es nicht größer wird", erzählt der 66-Jährige. Irgendwann informierte er dann die Stadtverwaltung, dass hier die Gefahr einer Unterspülung bestehe. "Ich wollte nur, dass das Loch nicht größer wird", erzählt der pensionierte Telekom-Beamte. "Doch monatelang ist nichts passiert."
Die Arbeiten im vergangenen Oktober wurden ohne Ankündigung verrichtet. Foto: privatDann sei auf einmal alles ganz schnell gegangen. Ohne Ankündigung sei eine Baufirma mit einem Bagger angerückt und habe die Straße geöffnet. Einen ganzen Tag lang sei gearbeitet worden. "Einer hat gegraben und acht andere haben zugeguckt", erinnert sich Wetzel. "Auch der Bürgermeister war stundenlang da." Schon damals habe er zu Frank Volk gesagt, dass er nicht zahlen werde. "Er hat gesagt, dass das die Ingenieure entscheiden sollen."
Es dauerte wieder Monate, aber dann kam eine Rechnung. Und die hatte sich "gewaschen". 6780 Euro soll Manfred Wetzel nach eigenen Angaben bezahlen. Innerhalb von 30 Tagen. Denn in Neckargemünd gilt: Bis zum Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal ist der jeweilige Grundstückseigentümer für sein Abwasserrohr verantwortlich. Und das gilt auch, wenn dieses Rohr im öffentlichen Untergrund verläuft, also zum Beispiel unter einer Straße.
"Ich bin aber überzeugt, dass ich gar nicht zuständig bin", sagt Wetzel. Der Pensionär sieht die Verantwortlichkeit bei der Stadt. Denn das im Jahr 1976 verlegte Rohr sei durch die Belastung der vielen Lastwagen und Busse zerstört worden, die jeden Tag durch die schmale Ortsdurchfahrt von Rainbach fahren. So sei der Ortsteil auch durch den Ausweichverkehr der zahlreichen Baustellen der vergangenen Jahre stark belastet gewesen. Und: Es würden sechs Mal am Tag zwei Busse hintereinander durch Rainbach fahren, die auch noch fast leer seien. Auch gäbe es kein Schild mit einer Gewichtsbegrenzung für Fahrzeuge.
Zudem seien Telekommunikationsleitungen über dem Rohr nicht ordnungsgemäß verlegt worden, betont Wetzel. Diese lagen nicht in steinfreier Erde oder in Sand, sondern in normalem Abraum. "Da war wohl auch ein spitzer Stein dabei, der sich über die Jahrzehnte in das Abwasserrohr gedrückt hat", so Wetzel. Dabei sei dieses Rohr gar nicht angeschlossen gewesen, sondern habe in einer Scheune geendet. Die Unterspülung müsse durch Regen entstanden sein, der durch das entstandene Loch in das Rohr floss.
Beim Befahren des Kanals mit einer Kamera sei dann auch noch festgestellt worden, sagte Wetzel, dass der Kanal kaputt ist. Und so wurde die Baustelle immer größer. So sei aus einem vielleicht zehn mal zehn Zentimeter großen Löchlein eine zwölf Quadratmeter große Fläche geworden, die aufgegraben wurde und erneuert werden musste. Und die letztlich in Rechnung gestellt wurde.
"Das ist nicht fair", findet Wetzel, der die Rechnung an seinen Rechtsanwalt weitergegeben hat. Dieser fand Ungereimtheiten: Den auf der Rechnung zitierten Paragrafen in der Abwassersatzung gebe es nicht und zudem stimme das Jahr auf einem Lieferschein einer Firma nicht.
Die Stadt wollte auf RNZ-Anfrage keine Angaben machen. Stadtsprecherin Petra Polte betonte, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt. "Entsprechender Schriftverkehr" sei eingeleitet worden.
"Wenn ich das alles gewusst hätte, dann hätte ich selbst einen Bekannten von einer Baufirma beauftragt, der sich dann für drei Stunden einen Bagger gemietet hätte", sagt der Anwohner. "Aber ich wurde nicht gefragt." Wetzel rät Bürgern nun: "Geben Sie der Stadt keinen Tipp – es könnte sonst eine blöde Rechnung kommen."