Ein naturnaher Gewässerlauf, der Hochwasserschutz mit Naherholung verbindet: Wie auf dieser Animation, mit der sich Leimen und Nußloch um eine Gartenschau bewarben, könnte der Leimbach nach seiner Tieferlegung aussehen. Grafik: Stadt Leimen
Von Thomas Frenzel
Leimen. Druck machen, Druck machen und noch einmal Druck machen. Das war bei allen parteipolitischen Farben der fraktionsübergreifende Konsens im Leimener Gemeinderat. Es ging einmal mehr um ein Projekt, das seit bald drei Jahrzehnten im Mahlwerk der Bürokratie gefangen ist: um wirksamen Hochwasserschutz auch für St. Ilgen durch die Tieferlegung des Leimbachs zwischen dem Hochwasserrückhaltebecken im Nußlocher Norden und der Kirchheimer Mühle auf Heidelberger Gemarkung. Dieses Projekt kommt – was seine Umsetzung anbelangt – kaum von der Stelle.
Aktuell ging es in der Leimener Bürgervertretung um eine neu ausgehandelte Kostenverteilung. Mit ihr übernimmt das Land Baden-Württemberg unterm Strich 95,5 Prozent der zu erwartenden satten zweistelligen Millionenbeträge. Gleichzeitig zwingt sie die am Projekt beteiligten Kommunen Leimen, Nußloch, Sandhausen und Heidelberg sowie den Abwasserzweckverband Untere Hardt zum Schlucken auch so mancher Kröte. Dessen ungeachtet stimmte Leimen dieser Kostenvereinbarung einhellig zu.
Eingepfercht von Dämmen präsentiert sich der Leimbach – hier in St. Ilgen – wie ein Kanal. Foto: FinkEntwickelt worden war die Idee der Tieferlegung Mitte der 1990er Jahre beim damals staatlichen Wasserwirtschaftsamt Heidelberg, das inzwischen dem Rhein-Neckar-Kreis einverleibt wurde. Anfang des Jahrzehnts hatte ein massives Hochwasser weite Teile St. Ilgens überflutet. Doch der Vorschlag, durch eine Absenkung der Bachsohle bei gleichzeitiger Aufweitung des Bachbetts die maroden Leimbachdämme überflüssig zu machen und zusätzlichen naturnahen Rückstauraum mit Naherholungsqualität zu schaffen, war seiner Zeit weit voraus. Er stieß auf politischen Unwillen und auch inhaltliche Erweiterungen sorgten – neben Zeitverzug – für stetig steigende Kosten.
So musste gründlich umgeplant werden: Nicht nur einem Hochwasser, wie es statistisch alle 50 Jahre eintritt, sondern einem 100-jährlichen Hochwasser soll sinnvollerweise die Umgestaltung des Leimbachs genügen. Das wiederum steht dem ursprünglich geplanten Rückbau sämtlicher Dämme entgegen; ein Teil dieser Schutzwälle muss deshalb grundlegend ertüchtigt werden.
Und: Nußloch wehrte sich von Anfang an, die Millionenkosten für ein Teilprojekt mitzufinanzieren. Hier geht es um die Zusammenlegung des Leimbachs und des parallel verlaufenden Landgrabens zwischen Kirchheimer Mühle und Oftersheim. Der heute in Nußloch beginnende Landgraben war zu kurfürstlichen Zeiten als Entwässerungs- und als Entlastungskanal für den Leimbach angelegt worden.
Der Nußlocher Widerstand zeitigte Erfolg, wie die in Leimen zur Abstimmung stehende Kostenvereinbarung deutlich macht: Die Zusammenlegung von Leimbach und Landgraben wurde aus dem gemeinsam zu schulternden Maßnahmenpaket herausgelöst. Sie firmiert nun als "Gewässerökologieprojekt" und fällt damit unter die alleinige Zuständigkeit des Landes. Stand 2011 – das sind die aktuellsten (!) Zahlen – kommt diese Maßnahme auf rund 7,0 Millionen Euro.
Im Gegenzug ließ das Land bei anderem nicht mit sich verhandeln. Durch die Tieferlegung und Ausweitung des Bachbetts müssen querende Versorgungsstränge für Wasser oder Abwasser sowie vorhandene Brückenbauwerke der neuen Situation angepasst werden. Diese Millionenkosten verbleiben entlang der Ortsetter von Nußloch, St. Ilgen und Sandhausen insbesondere bei den Kommunen und auch beim Abwasserzweckverband Untere Hardt. Soweit sie die kommunalen Eigenbetriebe treffen, lassen sie sich aber direkt oder indirekt auf die erhobenen Wasser- und Abwassergebühren umlegen.
Mit dem neuen Verhandlungsergebnis verschieben sich auch zwischen den beteiligten Kommunen die Kosten erheblich – soweit der Gegenüberstellung von Kostenschätzungen aus den Jahren 2011 und 2016 überhaupt Vertrauen zu schenken ist. Nußloch halbiert demnach seinen Anteil an dem 31,2-Millionen-Projekt auf rund 590.000 Euro, Leimen muss mit etwa 1,2 Millionen ein Viertel mehr berappen, Sandhausen verdoppelt sich auf knapp 870.000 Euro, die "Untere Hardt" vervierzehnfacht sich auf 1,4 Millionen, Heidelberg muss mit knapp 14.000 Euro nur noch ein Zehntel tragen. Und Oftersheim bleibt nun kostenfrei, spart über 80.000 Euro.
So unstrittig der Leimener Gemeinderat in seiner öffentlich ausgetragenen Diskussion zu dieser neuen Kostenverteilung stand, so sauer zeigte er sich über den Fortschritt des Verfahrens: Das Planfeststellungsverfahren, das zur juristischen Grundlage einer Projektverwirklichung führen soll, wurde schon längst beim Rhein-Neckar-Kreis eingereicht. Das war 2017, vor vier Jahren also. Doch "seither hat sich nicht viel getan", heißt es in der gemeinderätlichen Sitzungsunterlage.
Oberbürgermeister Hans D. Reinwald wählte zur Situationsschilderung eine diplomatischere Formulierung: "nicht erfreulich".