Von Thomas Frenzel
Leimen. "Felden". Als dieser Name zum zwölften Mal genannt wurde, als es hinter diesem Namen um 19.31 Uhr auf der eigens hierfür aufgebauten Anzeigetafel den zwölften Strich gab, verflog die bis dahin greifbare Anspannung. Und in der Aegidiushalle im Leimener Stadtteil St. Ilgen brandete am Dienstagabend derartiger Applaus auf, dass die 13. Namensnennung schier unterging: Claudia Felden, die amtierende Bürgermeisterin in der Großen Kreisstadt, hatte die Beigeordnetenwahl gewonnen. Am 1. Februar 2020 startet die 58-Jährige für weitere acht Jahre in ihre zweite Amtszeit als hauptamtliche Vertretung des Oberbürgermeisters, seit 11. Juni 2016 also von Hans D. Reinwald.
Auch wenn eingeweihte Kommunalpolitiker schon vor Beginn dieser Sondersitzung auf eine klare Entscheidung bereits im ersten Wahlgang wetteten: So klar war die Wiederwahl Claudia Feldens angesichts der insgesamt drei Kandidaten keineswegs. Schon gar nicht für die vielen Zuhörer, die zu dieser öffentlichen Ratssitzung geströmt waren, die eigens deshalb nach St. Ilgen verlegt worden war. Für 210 Besucher war die Aegidiushalle bestuhlt worden, etwa die Hälfte der Stühle besetzt. Das dokumentierte das bürgerschaftliche Interesse an der Zukunft der Stadt, auch wenn diese Bürgerschaft bei dieser Personalie gar kein Stimmrecht hat.
Blumen für die Siegerin: Oberbürgermeister Hans D. Reinwald gratulierte Claudia Felden zu ihrer Wiederwahl. In der geheimen Wahl durch Gemeinderat hatte sie mit vier Stimmen Vorsprung Andreas Emmerich (l.) auf den zweiten Platz verwiesen. Fotos: Alex
Abstimmungsberechtigt waren allein die gewählten Bürgervertreter – 22 an der Zahl. Plus Oberbürgermeister Hans D. Reinwald als direkt gewählter Vorsitzender des Gemeinderats. Damit stand schon im Vorfeld fest: Für die im ersten Wahlgang geforderte absolute Mehrheit waren zwölf Stimmen notwendig.
Und dann schlug – zumindest für die Zuhörer – die Stunde der Kandidaten. Beziehungsweise deren jeweilige Viertelstündchen. Denn mehr Zeit, so gab OB Reinwald die gemeinderätliche Übereinkunft bekannt, hatten die drei Bewerber nicht für ihre Vorstellung.
In der Abfolge des Eingangs ihrer Bewerbung hatte Bürgermeisterin Claudia Felden den Vortritt. Mit Ehemann und zwei ihrer drei Kinder in die Aegidiushalle gekommen, stand die 58-Jährige jetzt im schwarzen Hosenanzug mit dunkelroter Bluse alleine am Rednerpult auf der Bühne. War die Kleiderordnung eine Botschaft? Das würde dazu passen, dass die FDP-Politikerin mit keinem Wort ihre Partei nannte. Stattdessen skizzierte sie ihren Werdegang als Diplom-Wirtschaftsmathematikerin, die ihrem Ehemann Thomas im eigenen Computerunternehmen zur Seite stand, seit 1986 in Leimen zuhause ist, hier 1999 in den Gemeinderat und zehn Jahre später in den Rhein-Neckar-Kreistag einzog, und von Berufswegen "Ihre Bürgermeisterin" ist.
Blumen für die Siegerin: Oberbürgermeister Hans D. Reinwald gratulierte Claudia Felden zu ihrer Wiederwahl. In der geheimen Wahl durch Gemeinderat hatte sie mit vier Stimmen Vorsprung Andreas Emmerich (l.) auf den zweiten Platz verwiesen. Fotos: Alex
Als Bau- und als spätere Finanzdezernentin verwies sie selbstbewusst auf die erfolgreichen Ortskernsanierungen von Leimen-Mitte und St. Ilgen, die sich zu ihrem Amtsbeginn eher mit Ruinen-Ambiente dargeboten hatten. Auch das Bäderpark-Desaster nach dem misslungenen Versuch einer Öffentlich-privaten-Partnerschaft sei unter ihrer Regie in wieder erträgliche Zuschussbahnen gelenkt worden. Mit Stichworten wie bürgerschaftlichem Engagement, sozialem Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung und Geldbeschaffung richtete sie den Blick nach vorne: "Wir können in den nächsten Jahren viel erreichen – ich bitte Sie um Ihre Stimme."
Um nicht mehr und nicht weniger als um diese gemeinderätliche Stimme baten auch die Herausforderer. Andreas Emmerich, 44, amtierender Fachbereichsleiter für Kämmerei und Bauamt in Neulußheim, zeigte nicht nur mit blauem Tuch und hellbraunen Lederschuhen modische Dynamik. In der wohl bestvorbereiteten Rede des Abends zeigte er auf, wie sehr er sich als Parteiunabhängiger in die Situation Leimens eingearbeitet hatte: Alle Investitionen müssten auf Bürgerfreundlichkeit und auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein. Angesichts aktuell immenser Personal- und Unterhaltskosten dürfe hier auch die Stadtverwaltung nicht außen vor bleiben: Das aktive Vorantreiben der Digitalisierung eröffne Möglichkeiten zu Einsparung wie auch für ein Mehr an effektiver Verwaltung.
Dritter im Bunde der Bewerber war Stefan Becker. Der Leiter des Ordnungsamts im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises verwies auf seine Wurzeln in St. Ilgen. Hier war er groß geworden, hier gehörte er für die GALL dem Stadtteilbeirat an, hier hatte er auch seine vorübergehende Parteimitgliedschaft bei den Grünen. Er managte beim Rhein-Neckar-Kreis die akute Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016, verwaltete dabei Etats von über 90 Millionen Euro, also mehr als Leimens jährliches Haushaltsvolumen.
Blumen für die Siegerin: Oberbürgermeister Hans D. Reinwald gratulierte Claudia Felden zu ihrer Wiederwahl. In der geheimen Wahl durch Gemeinderat hatte sie mit vier Stimmen Vorsprung Andreas Emmerich (l.) auf den zweiten Platz verwiesen. Fotos: Alex
Soweit die persönlichen Vorstellungen. In gemeinderätliches Nachfragen mündeten sie nicht. Die diesbezüglichen Aufforderungen von OB Reinwald verhallten. Das wiederum veranlasste Peter Sandner als SPD-Sprecher zu einer Wortmeldung: Das Nichtfragen der Stadträtinnen und Stadträte offenbare keine Interesselosigkeit – alle Kandidaten hätten getrennt und ausführlich allen fünf Ratsfraktionen bereits Rede und Antwort gestanden.
Nun schlugen die Minuten der Wahrheit. Michael Ullrich, der Leiter der Geschäftsstelle des Gemeinderats, rief zur namentlichen Abstimmung in alphabetischer Reihenfolge. Stimmzettel waren ebenso vorbereitet wie eine Wahlkabine und eine Wahlurne. Rainer Menges von der städtischen Öffentlichkeitsarbeit dokumentierte, dass die Wahlurne auch wirklich leer war.
Dann ging es los. Mit Peter Anselmann und Hans Appel bis hin zu Lisa-Marie Werner und Rudolf Woesch. Und zu guter Letzt war auch der OB selbst zur geheimen Stimmabgabe gefordert.
Es folgte, was mit Spannung verfolgt wurde: die Auszählung. Bei ihr herrschte das Achtaugenprinzip. Der OB und Ratsstellenleiter Ullrich waren genauso eingebunden wie Hauptamtsleiter Ralf Berggold und Dieter Heinzmann, der auf Zahlenkontrolle geeichte Leiter des Rechnungsprüfungsamts.
Jeder Stimmzettel mündete in einen Zuruf, jeder Zuruf in einen Strich auf der Tafel. Da hatte zunächst Claudia Felden die Nase vorn und zwar deutlich. Doch es folgte die Aufholjagd von Andreas Emmerich – und im Felden-Lager stieg die Nervosität. Dann die erlösende Siegesansage für Felden. Emmerich kam danach immerhin noch auf neun Stimmen. Becker hingegen musste sich mit einer Stimme begnügen. Später wurde darüber gerätselt, von wem denn diese einsame Stimme wohl gekommen sein mag.
Sei’s drum. Die beiden Unterlegenen gehörten zu den ersten Gratulanten, die Claudia Felden ihren Respekt zollten. Oberbürgermeister Hans D. Reinwald beließ es nicht nur bei den entscheidenden Worten: "Claudia Felden ist wiedergewählt als unsere Beigeordnete", verkündete er um 19.33 Uhr. Zudem überreichte er einen Blumengruß. Den unterlegenen Mitbewerbern attestierte der Rathauschef "unser Mitgefühl".
Und was sagte Thomas Felden, der sich seine Frau nun weitere acht Jahre mit der Stadt Leimen teilen muss? "Ich bin stolz auf meine Frau" Und er ergänzte: "Sie hat es verdient!"