Von Christoph Moll
Dossenheim. Michael Jakob ist nicht zu beneiden. Der Dossenheimer Revierförster ist derzeit eine Art "Feuerwehrmann". Denn im Wald brennt es – allerdings im übertragenen Sinne. Forstwirtschaft ist eigentlich auf Nachhaltigkeit ausgelegt – auf Jahrzehnte und Jahrhunderte.
Doch in diesen Tagen muss sofort gehandelt werden. Das wird deutlich, als der Förster auf dem Weg von Dossenheim zum Weißen Stein kurz vor dem Aussichtsturm steht und auf eine große gerodete Fläche zeigt. "Hier standen überall Fichten", sagt Jakob. Ja, bis vor einem Jahr. Dann kam der Borkenkäfer und zerstörte die Nadelbäume.
Seither klafft auf dem "Gipfel" des Dossenheimer Hausbergs eine Riesenlücke von mehreren Hektar. Der Weiße Stein ist nun eher ein kahler Stein. Am Weg warten Dutzende Fichtenstämme auf ihren Abtransport. Wer derzeit – egal wo in der Region – durch den Wald geht, sieht: Da stimmt etwas nicht. Hitze, Trockenheit und Schädlinge setzen dem Wald zu. Es ist längst nichts mehr im grünen Bereich – so auch nicht in Dossenheim. Die RNZ war mit dem Revierförster unterwegs.
Wie geht es dem Wald? Nicht gut. Im Wald werden nun die Folgen des besonders heißen und trockenen Sommers des vergangenen Jahres deutlich. Revierförster Jakob schätzt, dass im Dossenheimer Wald jeder zweite Baum leidet. "Mindestens 100.000 Bäumen geht es nicht gut", sagt er. "Und es werden wohl noch mehr." In den vergangenen Jahrzehnten hätten einige Stürme für große Schäden im Wald gesorgt, erinnert sich Jakob.
So habe zum Beispiel im Jahr 1990 der Orkan "Wiebke" Dossenheim massiv getroffen. "Nach ein bis zwei Jahren waren die Folgen aber beseitigt und die betroffenen Flächen wieder bepflanzt", sagt Jakob. "Aber was gerade passiert, ist deutlich schlimmer und bedenklicher – es ist die größte Katastrophe der vergangenen Jahrzehnte."
Mit einer solchen Falle werden Borkenkäfer gefangen - allerdings nur ein kleiner Teil. Foto: Alex
Was ist auf dem Weißen Stein passiert? Hier hat sich der Borkenkäfer breitgemacht und die Fichtenbestände befallen. Um eine Ausbreitung des Buchdruckers – so der genaue Name des Käfers – einzudämmen, mussten die befallenen Bäume in den vergangenen zwölf Monaten gefällt und aus dem Wald gebracht werden. "Das muss schnell gehen", sagt Revierförster Jakob. "Sonst haben wir bald gar keine Fichten mehr." Die Hitze des vergangenen Jahres ermöglichte es, dass vier Käfer-Generationen geschlüpft sind. "Das ist außergewöhnlich", meint Jakob. "Insgesamt sind hier mehrere Millionen Käfer unterwegs gewesen."
Die Käfer bohren sich durch die Rinde und fressen das Holz darunter. Dadurch wird die Nährstoffzufuhr unterbrochen und der Baum stirbt ab. Die Nadeln werden dürr und fallen ab. Auf dem Weißen Stein wurden zwar Borkenkäferfallen mit Lockstoffen aufgestellt, aber diese dienen eher der Überwachung. "Damit können wir nicht einmal fünf Prozent abfangen", weiß Jakob.
Wie geht es anderen Baumarten? Die Buche ist im Dossenheimer Wald neben der Fichte die Hauptbaumart. "Auch ihr geht der Saft aus", weiß Michael Jakob. Sie weist neben der Fichte die meisten Schäden auf. "Das ist überraschend, weil im letzten Herbst davon noch nichts zu sehen war", sagt der Revierförster. "Nun wird die Krone dürr und die Bäume sterben von oben ab." Außerdem würden diese früher ihre Blätter abwerfen.
Betroffen sind Bäume, die vor einem Jahr noch "total grün" gewesen seien. Diese sind über den ganzen Wald verteilt. Auch hier muss schnell gehandelt werden. "Die Äste der betroffenen Bäume halten nicht lange durch und fallen in zwölf Monaten herunter", so Jakob. Deshalb sollen die betroffenen Buchen im Herbst gefällt werden.
Wie viele Bäume wurden bereits gefällt? In den vergangenen zwölf Monaten mussten im Dossenheimer Wald 1500 kranke Bäume gefällt werden. Das entspricht etwa 1500 Festmeter Holz. Ein für den Herbst geplanter 1000-Festmeter-Hieb wurde abgeblasen, da zunächst die absterbenden Buchen gefällt werden müssen. Geplant war in diesem Jahr eine Holzernte von 2600 Festmetern, die aber wohl trotz des "Käferholzes" nicht erreicht wird.
Für das kommende Jahr werden die geplanten Hiebe ebenfalls zurückgefahren, da wohl weitere leidende Bäume gefällt werden müssen. Der Aufwand, betroffene Bäume zu finden, sei hoch, sagt der Revierförster. Jakob ist deshalb dankbar, dass er in Dossenheim von einem Forstwirt unterstützt wird. "Nur deshalb sieht es bei uns noch vergleichsweise gut aus", meint er.
Wie haben sich die Holzpreise entwickelt? Diese sind vor allem bei der Fichte in den Keller gerauscht. Gab es vor einigen Jahren noch rund 100 Euro für den Festmeter, sind es nun wegen des Überangebotes nur noch 30. Das deckt kaum die Kosten für die Holzernte und ist deshalb für die Gemeinde, aber vor allem für Privatwaldbesitzer ein großes Problem. Wirtschaftlich gesehen ist die Holzernte ein Desaster. Dabei ist die Fichte wegen ihres schnellen Wachstums vor allem bei Privatwaldbesitzern beliebt gewesen. Revierförster Jakob berichtet, dass auch Buchenholz derzeit nur noch schwer zu verkaufen sei. "Eine trockene Buche will kein Säger mehr", erzählt er. "Denn das Holz wird schnell leicht und ist dann nicht einmal mehr zum Verbrennen zu gebrauchen."
Wie hat sich dieser Sommer auf den Wald ausgewirkt? "Das Wetter war eigentlich gut für den Wald", sagt Michael Jakob. Im Frühjahr und auch im Sommer habe es – trotz der Hitzewellen – immer wieder Niederschläge gegeben. "Der Waldboden ist recht feucht", erklärt der Revierförster. "Allerdings nicht in der Tiefe." Dies sei noch eine Folge der Trockenheit des vergangenen Jahres. "Die Schäden an den Bäumen sind nicht in ein bis zwei Jahren verschwunden, sondern halten zehn Jahre an", so Jakob.
"Es gab auch trockene Jahre davor, aber das Jahr 2018 war für viele Bäume der K.O." Noch mal so ein trockenes Jahr hätte der Wald nicht überlebt, meint Jakob: "Das wäre die absolute Katastrophe gewesen." Problematisch ist auch, dass hitzegeschädigte Bäume anfälliger für Stürme sind. Fallen dann Fichten um, hat der Borkenkäfer noch leichteres Spiel. "Wenn sich 2018 nicht wiederholt, überlebt es der Wald – aber das weiß man eben nicht", so Jakob.
Welche Arten kommen mit den Bedingungen gut klar? "Keine Baumart kommt mit einem trockenen Sommer wie 2018 zurecht", betont der Förster. Dennoch zeigt sich, dass zum Beispiel die amerikanische und die deutsche Eiche am besten durchhalten. "Alle anderen Arten zeigen mal mehr und mal weniger Schäden", so Jakob. Auch die Douglasie, die eigentlich dem Klimawandel trotzen soll. Im Odenwald kommt die auch gut klar, aber auf den sandigen Böden der Rheinebene sieht es schlecht aus. Dort würde auch bei den Kiefern "das Licht ausgehen", so Jakob.
Was tun die Förster, um den Wald fit für den Klimawandel zu machen? Das Zauberwort lautet "Durchmischung". Klar ist, dass die Zeit der reinen Fichtenwälder in der Region vorbei ist. "Die haben keine Chance mehr", betont Jakob. Wegen der flachen Wurzeln leiden diese in Trockenzeiten besonders – anders als Tannen, die sich tief in den Boden graben. Deren Anteil ist aber gering. Noch ungeschädigte Fichten bleiben noch im Wald.
"Die werden aber keine 100 Jahre alt", prophezeit Jakob. "Wir führen einen stillen Kampf und setzen nun auf Arten, von denen wir glauben, dass sie mit dem Klimawandel gut zurecht kommen." Das war bisher die Douglasie, nun werden aber vermehrt Kastanien oder Kirschen gesetzt. Durch das Durchmischen sollen die Folgen begrenzt werden, wenn doch eine Baumart "ausfällt" – so wie zuletzt die Eschen, die wegen des Eschentriebsterbens einfach umfielen. Ebenfalls an einem Pilz leidet seit Neuestem der Bergahorn – nämlich unter der Rußrindenkrankheit. "Die Rinde platzt auf, wird schwarz und der Baum stirbt", erklärt Jakob. "Wir werfen aber nicht die Flinte ins Korn, sondern versuchen unser Bestes."
Dabei sei man allerdings auf "äußere Einflüsse" angewiesen. "Irgendetwas muss sich ändern", betont der Förster und denkt an die Politik. Über die Gründe könne man streiten, aber der Klimawandel verändere den Wald eindeutig nachweislich. Das einzig Positive sei nun, dass Aufmerksamkeit für den Wald da sei.