Heiligkreuzsteinach-Hilsenhain

Minuten entscheiden über Leben und Tod

In Hilsenhain gibt es jetzt einen automatisierten externen Defibrillator - Im Notfall ist die Anfahrt für Rettungswagen in den Odenwald lang

16.08.2018 UPDATE: 17.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden

Michael Müller (rotes Hemd) machte Eva-Maria Elfner-Häfele (rechts daneben), Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl und andere Hilsenhainer mit dem Laien-Defibrillator vertraut. Fotos: el/privat

Heiligkreuzsteinach-Hilsenhain. (el) Wo muss ich denn draufdrücken, dass sich der Wandkasten öffnet? Bekomme ich einen Stromschlag, wenn ich auf den falschen Knopf drücke? Und was ist, wenn der Patient gar keinen Herzstillstand hat, sondern ein anderes Problem? All diese Fragen konnte Michael Müller, Projektleiter der Björn-Steiger-Stiftung, kompetent und freundlich beantworten. Viele Interessierte aus Hilsenhain und Umgebung waren zum Dorfgemeinschaftshaus gekommen, um sich mit der Handhabung eines "Automatisierten externen Defibrillators" - kurz: AED - vertraut zu machen. Schließlich kann es jeden treffen, vom Kind bis zum Senior. Und wenn dann schnell geholfen werden kann und der AED, auch Laiendefibrillator genannt, zum Einsatz kommt, gibt es eine realistische Chance, Leben zu retten.

"Es geht hier ganz klar um die ersten Minuten", unterstrich Michael Müller, "Sie müssen die Zeit überbrücken, bis der Notarzt und der Rettungsdienst kommt." Denn bereits fünf Minuten nach einem Herzstillstand sinkt die Chance, zu überleben, dramatisch. Deshalb immer zuerst den Rettungsdienst über die 112 alarmieren und dann mit der Herzdruckmassage beginnen, lautet die klare Empfehlung. In der Zwischenzeit sollte dann schnell jemand zum Dorfgemeinschaftshaus laufen und den AED aus dem Notfallkasten holen. Bis der Rettungsdienst eintrifft, könnte mit der Wiederbelebung begonnen werden.

Dass man wirklich keine Angst vor dem Gerät haben muss, demonstrierte Müller eindrucksvoll: Ist erst einmal der grüne Knopf gedrückt, spricht der kleine rote Kasten: "Ziehen Sie an der grünen Lasche...bringen Sie die Klebepads an der Brust des Patienten an." Hat man alles richtig angelegt, prüft der Defibrillator, ob der Betroffene tatsächlich ein Problem am Herzen hat. Erst dann gibt er den Befehl: "Schock auslösen" - dies tut man, indem die rote Taste betätigt wird.

Die bereitgelegte Rettungspuppe bekommt einen Stromstoß, und dann heißt es kräftig mit zwei Händen auf den Brustkorb drücken, bis es ein klackendes Geräusch gibt - das macht aber nur die Puppe - um zu üben, wie fest man drücken muss. Die Geschwindigkeit gibt der AED vor, mit einem deutlichen Signal.

Dass die Herzdruckmassage eine sehr schweißtreibende Angelegenheit ist, davon konnten sich die Teilnehmer überzeugen, sicherlich ist man froh, wenn im Ernstfall eine zweite Person zur Ablösung kommt. "Auf alle Fälle machen Sie so lange weiter, bis der Rettungsdienst kommt und den Patienten übernimmt, Sie können keinen Fehler machen", ermutigt Michael Müller die Teilnehmer.

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Übrigens: Die Beatmung durch Laien werde nicht mehr empfohlen, sagte Müller. Dies sollten nur ausgebildete Ersthelfer tun, denn hier könne man tatsächlich auch etwas falsch machen.

Mit dem AED-Projekt will die Hilsemer Dorfgemeinschaft die medizinische Notfallversorgung im Falle eines lebensbedrohlichen Herzstillstandes ergänzen. Die geografische Lage von Hilsenhain ist für Rettungsdienste und Notärzte mit einer langen Anfahrt verbunden. Im Falle eines Herzstillstandes ist es aber besonders wichtig, dass sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen wird, denn bereits nach fünf Minuten ohne Herzdruckmassage bleiben mit hoher Wahrscheinlichkeit irreparable Schäden zurück. Selbst wenn der Rettungshubschrauber kommt, ist er mindestens fünf Minuten nach Alarmierung unterwegs - im Notfall wertvolle Zeit, die überbrückt werden muss.

Für das AED-Projekt konnte die Dorfgemeinschaft die Björn-Steiger-Stiftung als Projektpartner gewinnen. Mit Unterstützung der H+G Bank Stiftung Heidelberg und aus Eigenmitteln des Vereins wurde das Gerät angeschafft. Die Sensibilisierung der Bevölkerung war den Initiatoren aber mindestens genauso wichtig wie die Anschaffung selbst, denn es ist unbedingt notwendig, dass den Menschen Vorbehalte oder gar die Angst, einen Fehler zu machen, genommen werden.

Wenn potenzielle Ersthelfer mit der Funktion eines Defibrillators vertraut sind, steigen die Chancen auf eine erfolgreiche Hilfe erheblich. Deshalb freute sich auch Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl, dass sie bei der offiziellen Übergabe des Geräts und der anschließenden Einweisung dabei sein durfte: "Dieses bürgerschaftliche Engagement in unserem Ortsteil Hilsenhain ist vorbildlich und kann im Ernstfall Leben retten", sagte die Rathauschefin.

"Hoffentlich wird das Gerät nur selten oder am besten gar nie gebraucht, und wenn es trotzdem zum Einsatz kommt, wünschen wir uns, dass es helfen kann" sagte Eva-Maria Elfner-Häfele, die Vorsitzende der Hilsemer Dorfgemeinschaft. Im Rahmen der Schulung hatten alle Anwesenden schnell erkannt, dass der Umgang denkbar einfach ist, und das Gerät selbsterklärend arbeitet. Jetzt fühle sie sich tatsächlich in der Lage einen Laien-Defibrillator zu bedienen, so das Resümee der Bürgermeisterin am Ende der Veranstaltung. Und nicht nur sie, sondern auch die anderen Teilnehmer gingen mit dem guten Gefühl nach Hause, für den Ernstfall gerüstet zu sein.

Die öffentliche Schulung soll nun zukünftig in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um auch weiterhin daran zu arbeiten, dass möglichst viele Menschen in der Lage sind, dank des neuen Defibrillators zum Lebensretter zu werden.

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