Klaus Schmitt (links) sowie Silvia und Rüdiger Krüger im Markt, der renoviert wird. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Heiligkreuzsteinach. Es ist eine Entwicklung, die manche gar nicht mehr für möglich gehalten hatten: Das Odenwalddorf bekommt seinen Supermarkt zurück. Über neun Monate nach der Schließung soll dieser im Oktober unter neuer Führung wieder eröffnen. Zu verdanken ist dies Silvia und Rüdiger Krüger. Und einem Zufall.
Aufmerksame Beobachter haben es bereits gemerkt: Seit einigen Wochen wird in dem Gebäude des Supermarktes in der Ortsmitte gearbeitet. Der Markt wurde zunächst leergeräumt, der Boden neu gefliest, neue Lampen installiert und die Wände frisch gestrichen.
Silvia und Rüdiger Krüger stammen ursprünglich aus Mauer und Plankstadt und haben 20 Jahre in Hambrücken bei Bruchsal gelebt. Die beiden heute 49-Jährigen arbeiteten in einem Baumarkt und einem Möbelhaus, bevor sie sich mit einem kleinen Kaufhaus im pfälzischen Bellheim selbstständig machten. Von Lebensmitteln über Tiernahrung und Tabak bis Geschenken und Gartenartikeln gab es auf 1000 Quadratmetern alles. Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 bedeutete das Aus. Während Rüdiger Krüger Vertriebsleiter bei einem Unternehmen wurde, übernahm seine Frau die Postagentur in Walldorf, die Teil eines Fachhandels für Schreibwaren, Bürobedarf und Geschenkartikel wurde. 2010 kam die Post in Leimen samt ähnlichem Angebot hinzu. Zwischenzeitlich führten die Krügers auch die Postfilialen am Czernyring in Heidelberg sowie in Eppelheim.
"Wir haben die Ruhe gesucht, weil wir den Trubel der Postfilialen hinter uns lassen wollten", sagen sie über ihren Wohnortwechsel. Nach vier Jahren entdeckten sie ein altes Bauernhaus im Eiterbachtal in Heiligkreuzsteinach, das sie renovierten. "Seither waren wir Kunde im Heiligkreuzsteinacher Markt und haben diesen unterstützt", erzählt Rüdiger Krüger. So habe man auch dessen Schließung mitbekommen. Da es aber schnell hieß, dass ein Nachfolger gefunden sei und die Wiedereröffnung im März stattfinden soll, war der Markt kein Thema für sie.
Freut sich: Sieglinde Pfahl. Foto: AlexDa Rüdiger Krüger Mauers Bürgermeister John Ehret kennt – sie waren zusammen auf der Schule – lernte er über ihn auf einem Fest Heiligkreuzsteinachs Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl kennen. Diese habe berichtet, dass es nichts wird mit der schnellen Wiedereröffnung, erinnert sich Krüger. "Damit kam ein Prozess in Gang: Wir haben überlegt, ob der Markt etwas für uns wäre", erzählt Krüger. "Wir wollen den Bürgern hier gerne etwas zurückgeben, es ist ein Privileg, hier in einem Naturschutzgebiet zu wohnen."
Außerdem denkt das Ehepaar an die Zukunft: "Wenn man älter wird, will man mit 65 Jahren vielleicht nicht mehr jeden Tag so weit fahren", so Krüger. "So haben wir die Arbeit vor der Tür." Der Handel samt dem Umgang mit Menschen sei die Leidenschaft des Paares: "Wir können uns verwirklichen und dem Markt unsere eigene Handschrift verpassen."
Doch bis alles in trockenen Tüchern war, galt es mit der Eigentümerfamilie Schmitt zu verhandeln. "Wir wollen den Markt langfristig betreiben und es richtig machen", betont Krüger. "Deshalb investieren wir über 200.000 Euro, die wir aus eigener Tasche zahlen." Gearbeitet werde mit lokalen Handwerkern, die von der Gemeinde vermittelt worden seien und die das Vorhaben unterstützen.
Das Geschäft werde anders aussehen, kündigt Rüdiger an. Die Regale aus den 70er Jahren werden erneuert, das Angebot an Milch-, Fleisch- und Wurstprodukten verdoppelt. Außerdem werde es einen Backofen, eine Aktionsfläche mit saisonal wechselnden Angeboten und Geschenkideen sowie einen Farbkopierer und ein Laminiergerät im Markt geben. Im Außenbereich werden künftig Blumen angeboten. Der Markt wird zwar von Rewe beliefert, aber "Krügers Supermarkt" heißen. Vier Mitarbeiter des früheren Teams werden wieder eingestellt. Die Öffnungszeiten werden ausgeweitet, eine Schließung über die Mittagszeit ist nicht mehr vorgesehen. Auch Berufstätige sollen abends einkaufen können.
"Wir wissen aus Erfahrung: Es dauert ein Jahr, bis sich ein Kundenstrom verändert", sagt Krüger. Der neue Inhaber ist aber optimistisch, dass die früheren Kunden den Markt trotz der langen Schließung wieder nutzen. "Viele sind genervt, dass sie zum Einkaufen weit fahren müssen", so Krüger. Die Wiedereröffnung sei auch wichtig für alle anderen Läden im Dorf. "Wenn es nichts mehr gibt, stirbt ein Dorf aus", weiß Krüger. Gerade in Zeiten von Corona sei das Wohnen auf dem Land wieder gefragt. "Es muss aber eine Infrastruktur geben." Es reiche nicht, dass nur die beim Großeinkauf in der "Stadt" vergessene Butter am Ort gekauft werde, betont Krüger: "Wir brauchen mehr, um lange zu überleben."
Auch Klaus Schmitt freut sich über die Neueröffnung: Der Miteigentümer des Gebäudes hatte den Markt zuletzt selbst betrieben, aber aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Im Frühjahr seien die Verhandlungen mit einem Interessenten kurz vor dem Abschluss gewesen. Es seien jedoch immer weitere Wünsche gekommen, die man nicht erfüllen konnte. Deshalb habe man die Gespräche abgebrochen. Dass die Gemeinde die Wiedereröffnung schon angekündigt habe, sei etwas unglücklich gewesen. Es habe damals noch keinen Vertrag gegeben. Das erste Gespräch mit dem Ehepaar Krüger sei dann gleich "sehr toll" gewesen. "Krügers kennen sich aus und wissen was zu tun ist", lobt Schmitt. "Sie haben gute Ideen." Er sei froh, dass es nun auf Dauer weitergeht. Schmitt hat ein gutes Gefühl, dass die Bürger den Markt wieder annehmen: "Es wäre schön und gut, wenn die Vereine des Ortes diesen Markt durch Einkäufe mit unterstützen würden."