Das Leimener Rathaus. Foto: Alex
Leimen. (fre) Oberbürgermeister Hans D. Reinwald begnügte sich mit der Rolle des Moderators: Bei der Haushaltsverabschiedung für das Jahr 2020 durch den Gemeinderat schlug traditionell die Stunde der Fraktionen.
Sie nahmen den Haushaltsplan 2020 unter die Lupe: die Fraktionssprecher Ralf Frühwirt (GALL) und... Fotos: Geschwill (4)/privatRalf Frühwirt (GALL) ließ den Klimawandel wie einen roten Faden durch seine Haushaltsrede ziehen. Klimawandel nicht nur in Wald und Abwasserbeseitigung, die sich auf zunehmende Trockenheit und häufigere Starkregen einstellen müssen, sondern der die Stadt auch anderweitig zum Handeln zwingt. Unverzichtbar ist für ihn ein kommunales Klimaschutzkonzept – die Stelle für einen Klimaschutzmanager werde aber erst für 2021 geschaffen. Nicht minder wichtig für Frühwirt ist ein allumfassendes Mobilitätskonzept, für das es kommunales Geld geben wird. Es soll dem fahrenden wie ruhenden Autoverkehr gelten und auch Fußgänger und Radler einschließen. Mit Blick auf letztere forderte er die Einrichtung von Nextbike-Stationen an zentralen Stellen für Leihfahrräder und die Planung eines Radschnellwegs zwischen Heidelberg via Leimen nach Wiesloch. Für beides sei jedoch 2020 kein Geld vorgesehen, anders als für einen Quartiersmanager, der die Bürgerbeteiligung beflügeln soll. Im Bildungssektor stelle der Umbau der Geschwister-Scholl-Schule ganz gewiss den größten Brocken dar; dessen ungeachtet sei es gelungen, Mittel auch für den Neubau des Jugendtreffs Basket II freizuschaufeln, der in der Vergangenheit eher stiefmütterlich behandelt worden war. Dank interfraktioneller Zusammenarbeit sei es gelungen, die von der Verwaltung ursprünglich vorgesehene Neuverschuldung von über 9,0 Millionen auf 5,5 Millionen zu senken.
Richard Bader (CDU)Richard Bader (CDU) rückte das neue Haushaltsrecht in den Mittelpunkt. Es stehe mit der Berücksichtigung von Abschreibungen gleichermaßen für intergenerative Gerechtigkeit wie für nachhaltige Bewirtschaftung. Das Ziel, keine Belastungen an die nachfolgenden Generationen weiterzureichen, werde beim laufenden Geschäft mit einem Minus von 0,43 Millionen Euro klar verfehlt. Mit bloßen Gebührenerhöhungen – "mit Augenmaß" – lasse sich dieses Manko nicht beseitigen: Steuereinnahmen im Bereich von Industrie, Gewerbe und Handel müssten langfristig generiert werden. Kritisch äußerte sich Bader zu den Personalkosten: Sie hätten sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, teilweise nachvollziehbar wie im Kindergartenbereich, aber durchaus behaftet mit Einsparpotenzial durch Umorganisation mit bestehendem Personal. Für die Zukunft machte sich Bader nichts vor: Die "Schwarze Null" stehe weiterhin in den Sternen, zumal es bei den Rücklagen in den kommenden Jahren ebenfalls nicht gut aussehe.
Rudolf Woesch (FW)Rudolf Woesch (FW) sah durch das neue Haushaltsrecht keine Umkehr der altbekannten Probleme: "eine Fülle von zu leistenden Pflichtaufgaben und zu erbringenden freiwilligen Leistungen angesichts nur begrenzt zur Verfügung stehender Finanzmittel." Dass durch die Einsprüche gegen die Geschwister-Scholl-Schule Mittel frei wurden, die nun dem Jugendtreff Basket II zugute kommen, begrüßte er ausdrücklich, auch wenn er deutlich machte, dass er von diesen Einsprüchen nichts hält. Dass die Haushaltszahlen besser da stehen, als zunächst geplant, machte auch er an einem Glücksfall fest: Dank Richterspruchs gab es eine einmalige Gewerbesteuernachzahlung für die Jahre 2005 bis 2008 in einer Größenordnung von 2,1 Millionen Euro.
Klaus Feuchter (FDP)Klaus Feuchter (FDP) sprach von "schwindelerregenden Schulden des Gesamtkonzerns Leimen". Trotz guter Konjunktur würden 4,2 Millionen Euro den Rücklagen entnommen, 5,5 Millionen an zusätzlichen Krediten aufgenommen und Verpflichtungsermächtigungen von 13,8 Millionen eingegangen. Weitere 16 Millionen, eher mehr denn weniger, seien gemäß der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2021 bis 2023 vorgesehen. Dabei zeige die Praxis, dass die städtische Verwaltung mit ihrer Kapazität nur maximal 8,5 Millionen Euro an Bauaktivitäten managen kann: Für 2020 seien aber 12,8 Millionen eingeplant. Gleichzeitig forderte er, den deutlich steigenden Personalkosten – 401 Stellen im kommenden Jahr gegenüber 260 im Jahr 2018 – unter Berücksichtigung des vorliegenden Organisationsgutachtens entgegenzusteuern. Kein Verständnis hatte Feuchter für das Defizit der Volkshochschule, eines "Sorgenkinds", das sich 2018 auf 83.000 Euro summierte. Ebenfalls kein Verständnis hatte er dafür, dass die Stadtverwaltung mit der Anmietung von Gewerbeflächen für eigene Zwecke die Ansiedlung von Gewerbesteuerzahlenden behindere: Statt auf das zeitintensive interkommunale Gewerbegebiet mit Heidelberg zu setzen, solle schnellstmöglich das Gewerbegebiet Fischwasser angegangen werden.
Peter Sandner (SPD)Peter Sandner (SPD) bezeichnete die Konsequenz aus der Umstellung auf das Neue Kommunale Haushaltsrecht (NKHR) als "eine Art Blindflug" für den Gemeinderat: Echte Vergleichszahlen zu den zurückliegenden kameralistischen Jahren existierten nicht. "Unmissverständlich klar" offenbare das neue Haushaltsrecht aber eines: "Wir leben über unsere Verhältnisse." Dessen ungeachtet wolle man nicht an der Gewerbe- und an der Grundsteuer drehen; die Hunde- und die Vergnügungssteuer dürften aber nicht tabu sein. Dringender Handlungsbedarf bestehe auch bei den Personal- und Bewirtschaftungskosten. Hier zeigte sich Sandner explizit "enttäuscht" darüber, dass das vorliegende Organisationsgutachten für die Verwaltung "so wenig umgesetzt wurde". Die Zuschüsse an Stadtbücherei, Musikschule und Volkshochschule nannte er gerechtfertigt. Als vertretbar erachtete er die geplante Kreditaufnahme von 5,5 Millionen, aber auch nur deshalb, weil gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf gehörig abgespeckt wurde; der sah noch Kredite von 9,6 Millionen Euro vor. Keinerlei Verständnis hatte Sandner für die nachbarschaftlichen Einsprüche gegen den Umbau der Geschwister-Scholl-Schule zu einer dreizügigen Gemeinschaftsschule. Dadurch musste die ursprünglich für 2020 geplante Investition von 7,0 auf aktuelle 4,6 Millionen heruntergefahren werden.