Auch junge Mitstreiter konnten Sascha Krebs und Rainer Kraft (Mitte) für ihre Stolperstein-Initiative schon finden. Foto: Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Sandhausen. "Wir haben Vieles erfahren, das wir nicht wussten über unser Heimatdorf." Das sagen Rainer Kraft und Sascha Krebs, für die die Vorstellung der Stolperstein-Initiative in der früheren Synagoge in Sandhausen eine ganz neue Erfahrung war. Denn die beiden "Sandhäuser Jungs" sind eher bekannt für ihre grandiosen Stimmen und mitreißenden Live-Shows. "Wie kommen denn ausgerechnet die darauf?", soll denn auch jemand gefragt haben. Rainer Kraft gab die Antwort: "Wir sind nicht nur Künstler, sondern ein Team, eine riesengroße Familie, die sich in Projekten auch für Benachteiligte einsetzt."
Vor sieben Jahren habe ihm eine gute Freundin von dem Projekt erzählt, berichtete Kraft. Die Vorstellung, dass es Hakenkreuze, Naziaufmärsche und Deportationen auch in seinem Heimatdorf gegeben haben dürfte, ließ ihn daraufhin nicht mehr los. Kraft suchte Kontakt zu den Stolperstein-Initiativen in Heidelberg und Wiesloch, er recherchierte selbst. Und er kam zu dem Ergebnis: Ja, das alles gab es auch hier. Eine Anfrage beim Internationalen Suchdienst ergab 13 Namen und sieben Adressen von Juden, die in Sandhausen geboren und von den Nazis ermordet wurden.
"Bis wir den ersten Stolperstein setzen, wird es noch ein Jahr dauern", macht der Sänger gleichwohl deutlich. Nicht nur, weil der Künstler Gunter Demnig, Initiator des Stolpersteinprojekts, den Stein persönlich verlegen will und viel beschäftigt ist. Immerhin gibt es schon 50 000 Stolpersteine in 18 europäischen Ländern. Zeit brauchen er und seine Mitstreiter auch, um etwas über das Schicksal der Menschen zu erfahren, an die mit den Stolpersteinen erinnert werden soll.
Der Geschichtslehrer Dietmar Müller-Praefcke griff die Initiative der Sänger bereits auf und nahm sie zum Anlass, mit seinem Kollegen Jochen Benkö am Friedrich-Ebert-Gymnasiums Sandhausen einen Seminarkurs zum Thema Nationalsozialismus anzubieten. Kursteilnehmer stellten denn auch ihr Thema vor (vgl. nebenstehender Artikel): Tim Sautter beschäftigte sich beispielsweise mit der Rolle des Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch während der Nazi-Herrschaft und Carina Bosert nahm sich der Geschichte der jüdischen Familie Mayer in Leimen an.
"Wir dürfen nicht nur nicht vergessen, wir müssen auch sagen, es tut uns leid", betont Patricia Hillier vom Wieslocher Stolpersteinprojekt. Das sei für die Opfer und ihre Nachkommen ganz wichtig. Sie berichtet, dass in Wiesloch noch zwei Zeitzeugen leben. Eine Passage aus der Autobiographie des Sandhäuser Juden Hugo Marx liest Jonas Scheid vom Verkehrs- und Heimatverein vor, bevor er sich im Namen des Vereins klar zu der Stolperstein-Initiative bekennt.
"Viele haben mit angepackt, den großen Stein ins Rollen zu bringen", sagt Rainer Kraft, der mit Sascha Krebs selbst schon viel Zeit in das Projekt investiert hat und als Ansprechpartner auch weiterhin zur Verfügung steht. Jetzt sucht er Unterstützung in Form von Informationen und Berichten von Zeitzeugen oder deren Angehörigen und Bekannten, Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit und auch Spender.
Selbstlose Unterstützung kommt auch von nahe stehenden Sängern, die den Abend mit sehr persönlichen und emotionalen musikalischen Beiträgen gestalten: Sascha Kleinophorst etwa war eigens aus Landau angereist und er - wie auch die Heidelbergerin Janette Friedrich und die hochschwangere Vanessa Kraft - sorgten in der Alten Synagoge stimmlich und atmosphärisch für Gänsehautmomente.