Von Christoph Moll
Neckargemünd. Auf den ersten flüchtigen Blick sieht es so aus, als hätte der letzte Gast die Bahnhofsgaststätte gerade erst verlassen. Die Stühle liegen umgedreht auf den Tischen - so, als würde gerade saubergemacht. Doch beim genaueren Hinsehen wird deutlich: Hier wurde schon lange niemand mehr bewirtet. Eine dicke Staubschicht überzieht die Theke, von der Decke bröselt die grünliche Farbe. Noch schlimmer ist der Zustand der Toiletten - auf eine genaue Beschreibung soll an dieser Stelle verzichtet werden. Ralph Dreher will das alles ändern. Der 46-jährige Hamburger mit Wurzeln im Kraichgau hat das Bahnhofsgebäude und das Grundstück daneben für einen "sechsstelligen Betrag" gekauft - und hat große Pläne. Bis Ende 2018 soll der Bahnhof in neuem Glanz erstrahlen.
Wie der Bahnhof aktuell von Außen und Innen aussieht
Kurios: Die Uhr über der Theke der ehemaligen Gaststätte geht zwar falsch, aber sie tickt noch. Dennoch ist hier die Zeit stehengeblieben. An der Wand hängt das Jugendschutzgesetz aus dem Jahr 1957. So lange ist es aber noch gar nicht her, dass hier Gäste ein- und ausgingen. Die Heidelberger Brauerei - deren Logo über der Theke hängt - hat ihre Lieferungen "Anfang der 90er Jahre" eingestellt, wie Verwaltungsleiter Erik Albrecht sagte. Ob es danach noch eine Nutzung gab, ist unklar.
Bereits im letzten Dezember hatte die RNZ über den Verkauf des historischen Empfangsgebäudes aus dem Jahr 1879 und des angrenzenden Grundstücks gegen Höchstgebot durch die Bahn berichtet. Der neue Eigentümer und seine Pläne waren damals noch unbekannt. In der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates wurde dieses Geheimnis gelüftet: Konkret ging es um eine Bauvoranfrage zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf dem benachbarten Grundstück. Doch vor allem interessierte, was aus dem Bahnhofsgebäude wird.
"Hier kann man was draus machen", sagte Ralph Dreher beim Rundgang mit der RNZ durch das stattliche Gebäude mit einer Nutzfläche von 650 Quadratmetern. Weite Teile sind ungenutzt. So der erwähnte Westflügel mit der ehemaligen Gaststätte und das komplette erste Obergeschoss mit der früheren Bahnhofsvorsteherwohnung. Hier lebte der heutige Bürgermeister Frank Volk, bis er etwa anderthalb Jahre alt war, und lernte das Laufen. Sein Vater war Bahnhofsvorsteher.
Der Mietvertrag des "Servicestores" der Bahn in der Mitte des Gebäudes endet im Oktober 2018, dann wird auch diese Fläche frei. Die ehemalige Bahnwohnung - sie ist aktuell bewohnt - soll erhalten bleiben. Tabu sind für den Investor auch weite Teile des Ostflügels mit Technikräumen der Bahn und dem Häuschen des Fahrdienstleiters. Die Bahn hat diese Flächen langfristig gemietet.
"Die Sanierung wird aufwändig", erklärte Ralph Dreher. "Wir müssen alles rausreißen." Allerdings in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde. Dreher geht davon aus, dass ein Bestandsschutz für die Gaststätte besteht. Eine solche Nutzung will er erhalten - die Konzession hat er. Ein Fast-Food-Restaurant wird es aber wohl nicht werden. "Ich habe bei McDonald’s angefragt, aber da bestand kein großes Interesse", berichtete Dreher. Für das gesamte Obergeschoss kann er sich einen Veranstaltungsraum vorstellen, der von der Gaststätte mitgenutzt wird. Dafür müsste die Bahnhofsvorsteherwohnung weichen. Im Untergeschoss will der Investor die klassische Bahnhofsaufteilung - Durchgang, Wartehalle und Gaststätte - bei der Planung berücksichtigen. Hier sieht er Platz für "bis zu vier hochwertige Geschäfte" mit jeweils eigenem Zugang wie zum Beispiel einen Weinladen - eine Spielhalle ist ausgeschlossen. "Es soll auch einen Kiosk mit Brötchen und Kaffee geben."
Außengastronomie wäre auf einer erhöhten abgegrenzten Fläche möglich. Im Gemeinderat klang hier alles nach einem "Deal": Die Stadt gibt Flächen für die Außenbewirtung ab, im Gegenzug richtet Dreher im Bahnhof öffentliche Toiletten ein - ein jahrelanger Wunsch der Stadt. "Diese werden aber nicht rund um die Uhr zugänglich sein, sondern zu den Öffnungszeiten der Geschäfte und der Gaststätte", sagte Dreher. Ansonsten drohe Vandalismus.
Dreher, der bislang als Rechtsanwalt und Steuerberater in Hamburg arbeitet, kommt aus Angelbachtal bei Sinsheim. Dort ist er mit seiner Gesellschaft bereits als Investor des Bauprojekts "Palais am Schlosspark" aufgetreten. Sein Vater hat bereits vor einigen Jahren den alten Bahnhof in Neckargemünd umgebaut, in dem heute unter anderem ein Sanitätshaus sitzt. Der Vater war es auch, der ihn auf den unweit entfernten "neuen" Bahnhof aufmerksam machte. Mit im Boot ist wie damals Claus-Heinrich Mohr von "Dombrowski Massivhaus" aus Wiesloch als Planer. Übrigens: Den Kaufvertrag hat Dreher im Winter gar nicht selbst unterschrieben, sondern sein Bruder: "Ich lag in Thailand am Strand", verriet er.