Von Heiko Schattauer
Obrigheim. Bei den Atomkraftkritikern schrillen schon wieder die Alarmglocken: "Nach unseren Recherchen planen die EnBW und die Polizeiführung den fünften Castortransport wieder als riskante Nachtfahrt", lässt das Bündnis "Neckar castorfrei" am Sonntag via Pressemitteilung wissen. Dass die letzten drei Castorbehälter mit abgebrannten, hoch radioaktiven Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) bei Dunkelheit nach Neckarwestheim verschifft werden sollen, ist nur einer der Gründe für die Beunruhigung bei den Atomkraftgegnern. Bereits der vierte Castortransport (im November) war im Morgengrauen gestartet und somit teilweise als Nachtfahrt unterwegs. Sorge bereitet darüber hinaus die Wetter- und Wasserstandslage.
Die anhaltenden Niederschläge haben den Pegel des Neckars ansteigen lassen und dafür gesorgt, dass der (leere) Schubverband seit Tagen an der Anlegestelle in Obrigheim festhängt. Eigentlich war der heiße Rücktransport (also mit beladenen Castorbehältern auf dem Schiff) für Dienstag/Mittwoch vergangener Woche geplant. Hochwasser mitsamt starker Strömung hatte die Pläne allerdings durchkreuzt. Am Dienstag (12.12.) war etwa an der Schleuse Gundelsheim ein Pegel von 3,80 Meter überschritten worden, vorübergehend war damit die Grenze für das Schifffahrtsverbot erreicht.
Die weiteren Prognosen sagen nur einen weiteren Rückgang des Wasserstands am Montag und Dienstag voraus (auf rund 2,60 Meter an der Schleuse in Gundelsheim), während dann ab Mittwoch wieder mit einem Ansteigen des Pegels auf dem Neckar gerechnet wird. "Nach unseren Informationen soll das Beladen der drei Castoren mit dem hoch radioaktiven Atommüll deshalb genau in diesem engen Zeitfenster erfolgen", heißt es vom Bündnis. Und weiter: "Der atomare Transport soll dann als riskante Nachtfahrt bereits unmittelbar nach dem Beladen starten, eventuell noch vor Mitternacht."
Vonseiten der EnBW, der Polizei oder auch des beauftragten Transportunternehmens ist in Bezug auf den genauen Termin keine Auskunft zu bekommen. Sicherheitsgründe und die Vorgaben der Transportgenehmigung verbieten eine Konkretisierung des Transporttermins, hieß es schon bei den vorangegangenen Fahrten.
Die Gefahren des Transports würden mit dem nun offenbar geplanten Nachholtransfer noch weiter auf die Spitze getrieben, finden die Atomkraftgegner. "Es sieht so aus, als würden bei EnBW und Polizei die letzten Sicherungen durchbrennen", wird Franz Wagner von "Neckar castorfrei" deutlich. In der vergangenen Woche hatte man - durchaus erstaunlich - noch lobende Worte für die Verantwortlichen hinter den Castortransporten gefunden, nachdem man (gezwungenermaßen) die Transportpläne vorübergehend ausgesetzt hatte. "Endlich einmal machen Polizei und EnBW was richtig", kommentierte man die Unterbrechung der Beladevorbereitungen aufgrund des steigenden Neckarpegels.
Die eigentliche Forderung, die Transporte komplett einzustellen - "Castorno!" - bleibt indes bestehen. Man erachtet den Transfer der Brennelemente von Obrigheim nach Neckarwestheim als riskant und sinnlos, da damit das eigentliche Problem im wahrsten Wortsinn nur verschoben werde. Zur Erinnerung: 342 Brennstäbe aus Betriebszeiten des 2005 abgeschalteten KWO sollen, verpackt in Castorbehälter, von Obrigheim ans bestehende Zwischenlager am Kernkraftwerk Neckarwestheim transportiert und dort für die nächsten 40 Jahre eingelagert werden. Vier der dafür geplanten fünf Transfers über den Neckar sind dieses Jahr bereits absolviert worden, die letzten Brennelemente - in drei Behälter eingehaust - warten nun am KWO auf die Verschiffung ans Kraftwerk Neckarwestheim. Die Castortransporte waren die ersten ihrer Art auf einem deutschen Binnengewässer und wurden von Beginn an von massiven Protesten und teilweise geglückten Störaktionen begleitet.
Sollte das Schubschiff "Ronja", mitsamt Schubleichter und befüllten Castorbehältern darauf, sich am Montag oder Dienstag neckaraufwärts in Bewegung setzen, wäre der Atomkraftstandort Obrigheim brennstofffrei. Und ließe sich in der Folge nahezu vollständig "zurückbauen" bzw. für eine konventionelle Nachnutzung verwenden. Atomare Abfälle wird es im weiteren Rückbau natürlich dennoch reichlich geben, die am schlimmsten radioaktiv belasteten "Erbstücke" aus dem Betrieb sind in Form der Brennelemente dann aber bereits im EnBW-eigenen Zwischenlager 40 Kilometer neckaraufwärts geparkt.