Knackige Kälte kann den Bewegungs- und Begegnungsdrang von Richard Zeier nicht stoppen. Mit den „Bike & Blessing“-Touren bringt der passionierte Radfahrer Sport und Spiritualität unter einen Helm. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Diedesheim/Mudau. "Bett + Bike", die Zertifizierung als fahrradfreundlicher Übernachtungsbetrieb, das kennt man, wenn man mal mehrere Tage hintereinander radelt. "Bike & Blessing" aber, da dürften Anhänger des Radsports erst mal stutzen. Dieses aus privater Initiative entstandene Angebot hat im Neckar-Odenwald-Kreis gleich zweimal Menschen in den Sattel gelockt. Im September ging es an vier Tagen 237 Kilometer und 3660 Höhenmeter entlang der Landkreisgrenzen, und bei der zweiten, 210 Kilometer langen Tour wurden an drei Tagen alle 27 Verwaltungsstellen des Kreises angesteuert; der letzte Abschnitt wurde am ersten Advent bewältigt.
Wie es dazu kam, erzählt einer der beiden Initiatoren der Reporterin während einer kleinen Radfahrt auf der Wanderbahn. Richard Zeier wollte zum Urlauben eigentlich in die Mosbacher Partnerstadt Rosolina, was wegen Corona ausfiel. Also tat er, was er schon seit geraumer Zeit tun wollte und was viele in diesem Jahr taten: das eigene Land, die nähere Umgebung erkunden. Leidenschaftlicher Radfahrer, der er ist, kam er auf die Idee, die Außengrenzen des Landkreises "abzuradeln". "Das habe ich zunächst auf dem PC gemacht und dann in echt." Zusammen mit Helmut Hahn aus Mudau stellte er die Tour zusammen und auf die Beine.
Hahn ist – wie Zeier – Mitglied der Mosbacher Freikirche "Grace Church", womit die zweite Leidenschaft der beiden Männer ins Spiel kommt. "Wir lieben und suchen die Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen." Er habe, erzählt Zeier mit einem Leuchten in den Augen, bei den Erkundungstouren so tolle Gegenden gesehen und so bewegende Begegnungen mit den Menschen gehabt, das habe er nicht geahnt. "Ich war vorher noch nie in Merchingen, am Schloss Waldleiningen oder in Hirschlanden", staunt der 60-Jährige, was der NOK zu bieten hat, "unfassbar schön!" Vor allem aber die Menschen, unbekannte und auch bekannte, haben dem Rentner ein "Gefühl für die Lebenswirklichkeiten der Bürger" gegeben.
Als gläubiger und lebensbejahender Christ konnte er quasi nicht anders als – beten. Das freie Gebet gehört in der pfingstlerisch geprägten Freikirche zum alltäglichen Glaubensausdruck. Noch während die beiden Radsportler die Landkreisgrenzen erkundeten, kam die Idee auf, andere einzuladen, es ihnen gleichzutun. "Bike & Blessing" als Tour möchte den Spaß am Fahren und an der Gemeinschaft verbinden. Den Segen Gottes (blessing) dafür zu erbitten, versteht sich von selbst, aber eben nicht nur für die mobile Gruppe, sondern für die Orte und ihre Bevölkerung, für die Region, ihre Unternehmen, Institutionen und Vereine.
Über die Evangelische Allianz Mosbach und die Katholische Kirchengemeinde Mosbach-Elz-Neckar ("Mose") wurde die Idee und ihre konkrete Ausführung bekannt gemacht und nicht verhohlen, dass es sich dabei um eine "Herausforderung handelt: "für geübte Fahrer/innen", stand da in einem Flyer zu lesen und: Tagespensum etwa 70 Kilometer. "Im September waren wir mit rund acht Leuten unterwegs." Für Richard Zeier eine gute Gruppengröße, in der ein (auch intensiver) Austausch möglich ist. Die Corona- und andere Krisen waren Themen, die aus den jeweiligen Blickwinkeln betrachtet wurden. "Guter Gott", lautete ein Gebetsanliegen, "wir beten zu dir für alle, die an Corona erkrankt sind, für alle, die Angst haben vor einer Infektion (…). Wir beten heute besonders für die Gemeinde Seckach mit ihren Teilgemeinden Großeichholzheim und Zimmern."
Dass die zweite Radtour dieses Jahres zu einer Verwaltungsstellentour wurde, ist ebenfalls der Corona-Pandemie geschuldet. "Dort hat man schließlich alle Hände voll zu tun mit der Bewältigung der Krise", wurde der göttliche Beistand radelnd von Aglasterhausen bis Zwingenberg erbeten. "Den Segen Gottes herabbitten, das ist unser Credo." Wer aber einfach nur "verdammt gern Rad fährt", der wird nicht abgewiesen. Und so steht für 2021 schon fest, was in den vergangenen zwei Jahren in Schluchsee und Bad Urach Rad- und Religionsanhänger ansprach: die dritte "Bike & Bible-Tour" führt in den Odenwald. Das eigene Format "Bike & Blessing" wird gleichwohl weiterverfolgt und modifiziert. "Mit der Kirche rausgehen", das ist Zeiers Antrieb. Was Gott im Leben des Diedesheimers ist, das ist im Radsport (und nach einem Bandscheibenvorfall) seit diesem Jahr ein Elektromotor am Rad.
Kontakt: Richard Zeier, E-Mail: r_zeier@t-online.de