Von Noemi Girgla
Neckar-Odenwald-Kreis. Ein Klicken, dann springt die Falle zu. Tumult, vor Schreck geweitete Augen, lautes Fauchen und Knurren. Drei halbstarke Katzen sitzen in der großen Fangeinrichtung des Tierheims Dallau. Ein Anwohner auf dem Schreckhof hatte dessen Leiterin Miriam Zimmermann und ihr Team darüber informiert, dass sich in der Nachbarschaft mindestens sieben wild lebende Katzen befänden. Es sind noch mehr. Doch nicht alle tauchen an diesem Tag auf. Es wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen, bis man alle Tiere eingefangen hat, um sie kastrieren zu lassen, damit sie sich nicht noch weiter vermehren.
Der Fall ist der Stadt Mosbach bekannt, heißt es aus deren Pressestelle. "Dies ist nach Sattelbach vor zwei Jahren der erste Fall mit einer größeren Katzenpopulation, der der Stadt gemeldet wurde." Und genau da liegt nach Meinung der Tierschützer das Problem. Von den meisten Fällen würden die Kommunen nichts erfahren.
Hans-Günter Lorenz engagiert sich seit drei Jahren stark für den Tierschutz. Ehrenamtlich. Lorenz hat schon an zahlreichen Fangaktionen teilgenommen. Mit jeder sind mehrere Tage und zahlreiche Stunden Arbeit verbunden. Erst vor wenigen Wochen war Lorenz bei einem Einsatz in Obrigheim dabei. "Nur ich habe dafür acht Tage investiert", sagt er. 29 Stunden seien dabei zusammengekommen. Eingefangen wurden elf Katzen – darunter sechs Babys.
Zwei Katzen sitzen schon in der großen Falle des Tierheims Dallau, die schwarze ist jedoch gewieft. Foto: Noemi Girgla"Die meisten, die so etwas bemerken, wenden sich direkt an den Tierschutz oder das Tierheim", berichtet Lorenz. Natürlich ist er froh, dass die Leute überhaupt agieren und die Tiere nicht sich selbst überlassen. "Der richtige Weg wäre aber, das Ordnungsamt darüber in Kenntnis zu setzen. Dieses kontaktiert dann uns." Denn nur so könnten die Kommunen dauerhaft einen Überblick bekommen. "Wenn sie aber nicht unterrichtet werden, können sie auch nichts machen. Deshalb halten die meisten eine Kastrationspflicht auch nicht für notwendig."
So war es auch in Obrigheim. Bürgermeister Achim Walter erfuhr von dem geschilderten Fall erst auf RNZ-Anfrage. Dabei ist er durchaus bereit, den Sachverhalt anzugehen: "Ob es sich bei den Katzen wirklich um ein Problem handelt, ist ein sehr individuelles Empfinden. Ich will aber nicht verschweigen, dass immer wieder einzelne Bürger auf die Gemeinde zukommen und Katzen melden. Für uns ist es schwierig, zu unterscheiden, ob nicht-gechippte Katzen ein Zuhause haben oder nicht. Wenn man die vermeintlichen Streuner aufgreift und kastrieren lässt, ist das im schlimmsten Fall ein ,Eingriff in fremdes Eigentum’. Eine Lösung könnte sein, dass man sagt, wenn das Tier nicht gechippt ist, ist auch der Rechtsanspruch nicht begründet. Der Halter nehme damit billigend in Kauf, dass das Tier eingefangen und kastriert wird. Dafür braucht die Gemeinde aber eine rechtliche Handhabe."
Katzen-Alltag bei "Minikatz" in Schefflenz - Die FotogalerieSylvia Kepler-Albert aus Schefflenz nimmt seit mehr als 20 Jahren kleine, oft verwaiste und schwer kranke Kätzchen auf. Unter dem Namen "miniKatz" betreibt sie (ebenfalls ehrenamtlich) eine Pflegestelle des Tierheims Dallau. Pro Jahr zieht sie 30 bis 50 Kätzchen groß, füttert mit der Flasche, sozialisiert die oft traumatisierten Tiere – damit sie überhaupt weitervermittelt werden können.
"Je älter die Tiere sind, desto schwieriger ist es, sie an Menschen zu gewöhnen. Denn wer möchte schon eine Katze, die einen die ganze Zeit nur anfaucht?", erklärt Kepler-Albert. Das Zeitfenster ist klein. Sind die Tiere älter als vier Monate, werde es schwer, sie zahm zu bekommen bzw. koste es viel Zeit und Aufwand.
Sowohl Lorenz, als auch Kepler-Albert haben das Gefühl, dass die Situation von Jahr zu Jahr schlimmer wird. Dass immer mehr Tiere gefunden und abgegeben werden. "Allein im vergangenen Jahr hatte ich 52 Kätzchen", nennt Kepler-Albert eine konkrete Zahl. Woran das liegt, kann sie nur vermuten. "Ob es wirklich immer mehr werden, oder ob die Menschen langsam für das Problem sensibilisiert sind und deshalb stärker darauf achten, lässt sich schwer sagen", meint sie. Klar ist für die Tierschützer jedoch, dass es einen Lösungsweg gäbe, der das Tierleid auf Dauer verringern könnte: die Kastrations- und Registrierungspflicht für Katzen. Immer wieder wird darüber diskutiert. 2013 beschloss Baden-Württemberg eine Kastrations- und Registrierungspflicht für Freigänger mit "festem Wohnsitz". Ob diese Pflicht in den einzelnen Kommunen aber auch Gesetz wird, bleibt ihnen selbst überlassen.
Im Neckar-Odenwald-Kreis sehen die Gemeinden momentan keinen Anlass, eine Kastrations- und Registrierungspflicht einzuführen. Die Stadt Mannheim dagegen prüft derzeit nach eigenen Angaben gemeinsam mit Tierschützern, "ob die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Katzenschutz-Verordnung gegeben sind", und auch die Stadt Heidelberg plant in absehbarer Zeit eine Katzenschutz-Verordnung, um ein unkontrolliertes Wachstum der Population einzudämmen.
Am ersten Tag der Fangaktion auf dem Schreckhof gingen dem Tierheim Dallau drei Katzen in die große Falle. Foto: Noemi GirglaIn Billigheim setzt man stattdessen auf Aufklärung. Erst kürzlich tauchte im Ortsteil Allfeld eine größere Zahl wilder Katzen auf. Im Tierheim Dallau schätzt man, dass es sich um rund 20 Tiere handeln dürfte. "Eine größere Population kommt immer wieder mal vor", weiß Bürgermeister Martin Diblik. "Wir arbeiten eng und sehr gut mit dem Tierheim Dallau zusammen, damit die Katzen erst gar nicht zum Problem werden." Einfangen, kastrieren und wieder aussetzen lautet hier die Devise. Diblik und seine Mitarbeiter orientieren sich bei diesem Vorgehen an dem "Vorschlag für eine kommunale Katzenschutz-Verordnung nach Paragraf 13b Tierschutzgesetz", der 2018 veröffentlicht wurde.
"Mit dieser Maßnahme fahren wir sehr gut. So verhindern wir, dass die Katzenpopulation noch weiter anwächst. Des Weiteren veröffentlichen wir etwa im Jahresrhythmus im Amtsblatt Beiträge zur Aufklärung darüber, wie wichtig es ist, seine Freigänger kastrieren zu lassen", berichtet Diblik. Erst wenn sich die Tiere wirklich zum Problem entwickeln würden, sei es auch rechtlich möglich (und dann gegebenenfalls auch gemeindeübergreifend), über einen Erlass nachdenken. Zurzeit bestehe dazu jedoch kein Anlass.
"Derzeit sind uns keine Fälle in der Auswirkung bekannt, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet ist. Daher sehen wir momentan keinen Grund für eine Registrierungs- oder Kastrationspflicht", teilt Thomas Ludwig in seiner Funktion als Vorsitzender der Kreisbürgermeister mit. In einzelnen Gemeinden komme das Thema zwar schon mal auf, aber es sei kein "flächendeckendes Problem". Eine gezielte Aufklärung findet er "anlassbezogen" zwar "durchaus richtig", eine kreisweite Kampagne hält er jedoch für nicht notwendig.
Eine Ansicht, die die Tierschützer nicht teilen. "Würden Leute wie wir sich nicht um die Tiere kümmern, sähe das Bild auf den Straßen vieler Gemeinden anders aus", ist Sylvia Kepler-Albert überzeugt. Sie glaubt, dass man dann durchaus von einem "Problem" sprechen könnte. Derweil bereitet sie sich auf die bevorstehende "Kätzchen-Saison" vor. Sie rechnet damit, dass sich ihr Haus bald wieder füllen, sie selbst wieder alle zwei Stunden den Kleinen das Fläschchen geben wird.
Hans-Günter Lorenz hat in Kooperation mit dem Tierheim Dallau inzwischen zahlreiche Katzen auf dem Schreckhof eingefangen. Er ist froh, dass die Aktion friedlich ablief. "Denn mit Anfeindungen haben wir zusätzlich auch noch oft zu kämpfen", verrät er. Da müsse man ab und zu schon aufpassen, dass man nicht noch eins auf die Nase bekommt. Auch wenn viele Tiere in die Fallen gegangen sind – eine kleine schwarze Katze ist gewieft. Miriam Zimmermann erzählt: "Sie sitzt gerne auf der Falle, geht aber nicht rein. Und als sie einmal drinnen war, hat sie es geschafft, diese nicht auszulösen. Wie sie das gemacht hat, wissen wir nicht genau. Vermutlich ist sie rückwärts wieder raus, als das Futter leer war ..."