Eine Krankenschwester legt auf der Isolierstation für Coronavirus-Behandlungen ihre Schutzkleidung an. Doch trotzdem setzt sich medizinisches Fachpersonal einem erhöhten Risiko aus, an dem neuartigen Virus zu erkranken. Foto: dpa
Von Stephanie Kern
Neckar-Odenwald-Kreis. Das Coronavirus ist in diesen Tagen und Wochen das bestimmende Thema. Ärzten, Krankenschwestern und Pflegepersonal kommt eine immer größere Bedeutung zu. Doch gerade in diesem Sektor nimmt deutschlandweit die Zahl der Infizierten zu. Gesundheitsamtsleiterin Dr. Martina Teinert nimmt Stellung zu der Situation im Kreis und erklärt mögliche Ursachen.
Bundesweit infiziert sich immer mehr medizinisches Personal mit dem Coronavirus. Ist dieser Trend auch im Neckar-Odenwald-Kreis zu beobachten?
Zunächst einmal ist es mir ein Anliegen, die Leistung des medizinischen Personals in allen Einrichtungen und Institutionen im Landkreis hervorzuheben. Dort wird tagtäglich über viele Stunden eine hochprofessionelle Versorgung von Coronapatienten sichergestellt. Letztlich können wir allen, die sich in diesem Bereich den damit verbundenen Risiken aussetzen und verantwortungsbewusst ihren Dienst versehen, nur immer wieder danken. Das kommt mir derzeit ein wenig zu kurz.
Nun zu Ihrer Frage: Meiner Erfahrung nach wird in den medizinischen Einrichtungen unter den extremen Bedingungen einer Pandemie hygienisch sehr ordentlich und umsichtig gearbeitet. Aber ebenso klar ist, dass es sich, trotz größtmöglicher Sorgfalt, nie völlig ausschließen lässt, dass sich das Personal selbst infiziert. So hat das Robert Koch-Institut (RKI) erst vor Kurzem mitgeteilt, dass bundesweit bereits rund 10.000 Fälle in medizinischen Einrichtungen gemeldet wurden. Und auch im Kreis sehen wir inzwischen natürlich solche Fälle.
Was sind mögliche Gründe dafür, dass sich immer mehr Ärzte, Schwestern und anderes medizinisches Personal infizieren?
Hier bewegt man sich natürlich schnell im spekulativen Bereich, da man ja oft nicht exakt nachweisen kann, wann und wo konkret die Infektion stattgefunden hat. Klar ist aber, dass medizinisches Fachpersonal in einer Pandemie immer einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist, das sehen wir auch in den Nachbarländern. Da können Teile der Schutzausrüstung defekt sein oder Schutzmasken oder -brillen in Stresssituationen verrutschen. Häufig sind es aber auch einfach unerkannte corona-positive Patienten, die gar nicht aufgrund eines Corona-Verdachts die Einrichtung aufsuchen und bei denen sich erst später die Infektion herausstellt. Manche Infektionsketten deuten aber auch darauf hin, dass die Infektion im privaten Bereich passiert sein könnte. In diesem Zusammenhang begrüßen wir sehr, dass nach der neuen Landesstrategie Screening-Untersuchungen in medizinischen Einrichtungen jetzt auch gefördert werden. Das Testen ist nach wie vor das entscheidende Instrument, um Infektionsketten frühzeitig zu erkennen.
Werden die Berufe der Getesteten eigentlich standardmäßig erfasst, also weiß das Gesundheitsamt, ob ein Corona-Erkrankter im medizinischen Bereich tätig ist?
Wenn sich medizinisches Personal infiziert, muss dies laut Infektionsschutzgesetz dem örtlichen Gesundheitsamt gemeldet werden. Dies gilt für Mitarbeiter von Krankenhäusern und ärztlichen Praxen, aber auch für Beschäftige bei Dialyseeinrichtungen, Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen und den Rettungsdiensten. Aufgabe der Gesundheitsämter ist es, gemeinsam mit den Hygieneteams der Einrichtungen in diesem sensiblen Bereich möglichst frühzeitig Infektionszusammenhänge zu entdecken. Andere Berufe werden nicht erfasst.
Gibt es ein zentrales Melderegister in Deutschland für erkranktes medizinisches Personal?
In den Meldebögen für das RKI gibt es eine entsprechende Rubrik für medizinisches Personal. Die täglichen Lageberichte vom Landesgesundheitsamt und Robert-Koch-Institut zeigen auch an, wie viel Corona-Infizierte es aktuell bei medizinischem Personal gibt. In Baden-Württemberg sind bereits knapp sieben Prozent der gemeldeten Fälle aus dem medizinischen Personal.
Kann das Gesundheitsamt dann auch nachvollziehen, wie sich Ärzte/Schwestern/Pfleger angesteckt haben? Wurden Hygieneregeln nicht eingehalten oder haben sie sich möglicherweise infiziert, obwohl sie alles richtig gemacht haben? Oder gibt es eventuell nicht ausreichend Schutzmaterial für medizinisches Personal?
Auf das latente Infektionsrisiko bei medizinischem Personal bin ich schon eingegangen. Dass dieses Risiko auch bei gewissenhaftem Umgang mit allen Schutzmaßnahmen einfach besteht – denken Sie nur an die Stresssituationen wie Reanimation oder die hohe Aerosolkonzentration bei der Intubation, also der Einleitung der künstlichen Beatmung – ist auch dem Robert Koch-Institut bekannt. Es weist in zahlreichen Dokumenten darauf hin.
Um sich gut zu schützen, muss das medizinische Personal die notwendige Ausrüstung aber überhaupt erst einmal haben. Das war am Anfang der Pandemie ein großes Problem. Inzwischen ist die Situation aber wesentlich besser. Allein der Landkreis hat tausende Artikel aus den Landeslieferungen an medizinische Einrichtungen verteilt. Darunter waren auch rund 14.000 der wichtigen FFP2-Masken. Man kann wirklich sagen, dass die medizinischen Einrichtungen wie auch das Landratsamt einen immensen Aufwand betreiben, um weitere Infektionen zu unterbinden. In diesem Zusammenhang ist mir auch eines wichtig: Das Risiko, sich als Patient in einer medizinischen Einrichtung derzeit zu infizieren, ist nach meiner Einschätzung so gering, dass niemand, der medizinische Hilfe braucht, Angst haben muss, sich diese auch zu holen.