Bedeutende Abstimmung: Der Kreistag einigte sich in seiner jüngsten Sitzung darauf, den erarbeiteten Struktur- und Maßnahmenplan für die Neckar-Odenwald-Kliniken zu verfolgen. Die Ansichten dazu gehen trotz Mehrheit aber zum Teil auseinander. Foto: Heiko Schattauer
Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Zumindest die grobe Richtung ist nun ausgewiesen: In der ersten Sitzung des Jahres beschloss der Kreistag im Beisein von fast 450 Zuhörern in der Mosbacher Mälzerei und mit großer Mehrheit, es bei den angeschlagenen Neckar-Odenwald-Kliniken mit dem Ende 2019 von Klinikverantwortlichen und Chefärzten erarbeiteten Struktur- und Maßnahmenplan zu versuchen.
Bis zur Juli-Sitzung des Gremiums sollen, besser: müssen die Sofort- und Zeitnahmaßnahmen erste Wirkung zeigen, mehr als 4,5 Mio. Euro Verlust dürfen bis dahin nicht in der Kliniken-Bilanz auflaufen. Über tief greifende strukturelle Veränderungen wie die Konzentration einzelner Abteilungen, die damit verbundenen Kosten und Effekte will der Kreistag jeweils gesondert informiert werden und dann auch gesondert abstimmen, so der Beschluss.
Greifen die Maßnahmen nicht wie geplant, gewünscht und gefordert, so soll – auch das hat der Kreistag mehrheitlich beschlossen – die Suche nach einem strategischen Partner eingeleitet werden, also eine (Teil-)Privatisierung der Krankenhäuser in Mosbach und Buchen auf den Weg gebracht werden.
Den Weg zu den "Mosbacher Beschlüssen" hat man sich innerhalb der im Kreistag vertretenen Fraktionen nicht leicht gemacht, wie die ausführlichen Statements vor der eigentlichen Abstimmung zu den einzelnen Punkten der Beschlussvorlage verdeutlichten.
> Rainer Houck erklärte für die CDU-Fraktion, dass man "nachdrücklich" für eine Zustimmung zu den Beschlussvorlagen geworben habe, denn darin sehe man "eine große Chance für unsere Kliniken und unseren Landkreis". Doppelte Vorhaltungen und doppelte Besetzungen ließen sich mit dem Konzept von einem Krankenhaus an zwei Standorten künftig vermeiden. Überdies müsse man nun "bekannte Herausforderungen" wie Dokumentation, Anwesenheitsquote oder teure Leihkräfte "endlich effektiv meistern", so Houck. Bei der CDU habe man "festes Vertrauen" in die Wirkung des Struktur- und Maßnahmenplans, wolle aber dennoch Umsetzungsschritte erst dann durch den Kreistag freigeben, wenn die Planungen, Kosten und Wirkungen vollständig zusammengetragen sind. Die Option, einen privaten Träger mit an Bord zu holen, stelle man zurück, um den Beschäftigten bei der Umsetzung des Maßnahmenplans den Rücken zu stärken.
> Bei den Freien Wählern bewertete man das Konzept als "gute Grundlage, die zu signifikanten Verbesserungen führen kann", so Volker Rohm. Wichtig sei zudem, dass die "Kliniken-Familie" hinter dem Maßnahmenpaket stehe, die Freien Wähler wiederum haben Ver- und Zutrauen zu bzw. in die Krankenhaus-Verantwortlichen. Wer nach den jüngsten Entwicklungen am Status quo festhalte, bewege sich "fernab jeder Realität". Ein erneuter Verlustausgleich wie für das Jahr 2019 würde nämlich ein "finanzielles Ausbluten" der Region bedeuten. Die Suche nach einem strategischen Partner müsse man als "Ultima ratio" im Auge behalten und diese Option im Fall der Fälle "vorbehaltlos" erörtern.
> Heide Lochmann verdeutlichte, dass für die SPD oberste Priorität hatte und hat, dass die Kliniken in öffentlicher Hand bleiben. In Bezug auf die Inhalte der Beschlussvorlagen vertrete man innerhalb der Fraktion durchaus unterschiedliche Ansichten, räumte Lochmann ein, vor allem was die geplante Konzentration verschiedener Abteilungen und auch die Option der "Hereinnahme eines privaten Investors" anbelangt. Neben der Vorsitzenden machten daher auch weitere Fraktionsmitglieder ihre Standpunkte deutlich. Lochmann indes befand den Maßnahmenplan als "vertretbaren Kompromiss". Der Defizitabbau werde allerdings dauern, so Lochmann, die zugleich zur Solidarität mit den Kliniken aufrief, "damit wir sie in der Hand des Kreises halten können".
> Die Grünen unterstrichen mit gleich mehreren Änderungsanträgen (die allerdings alle mehrheitlich abgelehnt wurden), dass sie mit den Beschlussvorlagen nicht oder nur zum Teil mitgehen wollten. Simone Heitz sparte nicht an Kritik, bemängelte "intransparente Vorschläge der Verwaltung", forderte belastbare Zahlen und Prognosen für die und zu den geplanten Maßnahmen. Zur Sicherung der Daseinsvorsorge plädierte man für den Erhalt von Geburtshilfe und Schockraum an beiden Standorten, die Suche nach einem strategischen Partner sei vor allem vonseiten des Landrats forciert worden. Noch immer seien viele Fragen zum Defizit und den Hintergründen unbeantwortet, bemängelte Heitz. Da die geplanten Umstrukturierungen kurzfristig nicht zu einer Ergebnisverbesserung führen würden, sei Zeit, "auf gründlich gesicherter Datenbasis" weitere Entscheidungen zu treffen. Wie einige Vertreter der SPD lehnten auch die Grünen einige Punkte der Beschlussvorlage ab.
"Kein Traum, aber eine gute Grundlage", kommentierte Tobias Eckert (AfD) den Struktur- und Maßnahmenplan. Seine Kritik zielte vor allem auf Bund und Land, die Probleme kleiner Krankenhäuser seien politisch gewollt. Eckert bemängelte auch die Informationspolitik zur Lage der Kliniken, einer möglichen Teilprivatisierung dürfe man sich als finale Option nicht generell verschließen.
Achim Walter (FDP) reichte wie die Grünen Änderungsanträge ein, die allerdings ebenfalls mehrheitlich abgelehnt wurden. Er bewertet die geplante Schließung der Gynäkologie/Geburtshilfe-Station in Mosbach als Fehler und sieht die Gefahr, dass es mittelfristig im Kreis gar kein solches Angebot mehr gibt.
Jürgen Schmeiser (DCB) schließlich fragte sich, warum nicht schon früher (wirksame) Maßnahmen zur Verbesserung der Klinikenbilanz umgesetzt wurden. Das nun beschlossene Paket sieht er trotz kurzer Bewährungszeit als (letzte) Chance, die Kliniken in Kreisträgerschaft zu halten.
Die Abstimmungen zu den Beschlussvorlagen erfolgten nach weiteren Wortmeldungen von Kreistagsmitgliedern zum Teil einstimmig (Erhalt der Kliniken in Kreis-Hand), zum Teil mit großer Mehrheit (Inhalt des Maßnahmenplans/Überlegungen strategischer Partner).