In ein großes Kunstlabor verwandelt sich derzeit das Alte Schlachthaus. 14 Studierende der Mannheimer Hochschule bereiten in Kooperation mit dem Kunstverein die Ausstellung „Muster, Licht und Schatten vor“. Anleihen an ein Kirchenfenster nehmen Tiana Schreckenbach (l.) und Michelle Pulver bei ihrer Arbeit. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Mosbach. "Nach drei normalen Tagen schloss die Hochschule. Das Semester fand am Bildschirm statt", so lautet das nüchterne Fazit von Prof. Martin Kim von der Mannheimer Hochschule. Umso froher ist der Dozent an der Fakultät für Gestaltung, dass das Kooperationsprojekt mit dem Kunstverein Neckar-Odenwald überhaupt noch stattfinden kann – als erstes, das im Sommersemester mit Präsenz verbunden ist.
Wie bereits in den drei letzten Jahren, sind Mannheimer Studierende eine Zeit lang vor Ort tätig, um das Alte Schlachthaus in eine raumgreifende Installation zu verwandeln. Das bereits während des Aufbaus am Dienstagnachmittag beeindruckende Ergebnis wird der Öffentlichkeit am Samstag ab 14 Uhr vorgestellt. Auch am Sonntag ist die Ausstellung mit dem Titel "Muster, Licht und Schatten" von 14 bis 17 Uhr zu sehen.
"Es war bis vor Kurzem unklar, ob es überhaupt klappt. Erst vor zehn Tagen kam die Erlaubnis", spricht Kim von den derzeit überall anzutreffenden Unsicherheiten im Kulturbereich. So wurde Kunstvereinsvorsitzender Harald Kielmann kurzfristig zur "Kunst-Poststation" deklariert. Denn für die Umsetzung im großen Maßstab mussten noch einige "Zutaten" besorgt werden. Etwa Diaprojektoren, die für "scharfen Schatten" sorgen sollen.
Überhaupt mussten alle 14 Beteiligten äußerst flexibel agieren, um das Projekt zu stemmen. Als "Plan B" haben die in Minigruppen unterteilten jungen Talente ihre Beiträge zunächst im Modell entworfen, um sie dann vor Ort im echten Maßstab umsetzen zu können. Das gemeinsame Kochen und Übernachten sowie Kooperationen vor Ort – etwa mit der Mosbacher Druckwerkstatt – mussten aus Sicherheitsgründen dieses Mal ausfallen. Was nicht nur Prof. Kim bedauert. Gleichwohl ist er froh darüber, endlich mal wieder "rauszukommen" – was in Zeiten wie diesen keine Selbstverständlichkeit sei.
"Raum, Licht und Schatten ist kein inhaltliches Thema, eher ein strukturelles", kommt Kim auf den Inhalt der Schau zu sprechen. Insgesamt sechs Installationen verbinden sich im Alten Schlachthaus zu einer begehbaren Rauminstallation: "Es geht ineinander über, der Raum wird gut ausgefüllt", findet Kim anerkennende Worte.
Jenseits des rein Formalen greifen einige Studierende in ihren Arbeiten durchaus kritische Fragen auf. So rieselt durch eine überdimensionale Sanduhr Plastikmüll – die Zeit der Natur scheint abzulaufen. Das Thema "Raum" kombiniert ein anderes Kunstteam mit der Frage, wie viel Platz einem Flüchtling in einem Lager zur Verfügung steht.
"Ich hatte das fast sofort im Kopf, als Michael sagte, es ist ein altes Schlachthaus, das wie eine Kirche wirkt", beschreibt Tiana Schreckenbach ihren recht flotten Ideenfindungsprozess. Zusammen mit Michelle Pulver entwarf sie eine Art Kirchenfenster mit den typischen schwarzen Bleirahmen. Statt eines Heiligen oder des gekreuzigten Jesus ist an zentraler Stelle jedoch ein Rinderschädel zu sehen. Dass zwischen der Idee und der Umsetzung auch im Hightech-Zeitalter reichlich Handarbeit stehen kann, erfahren die beiden Künstlerinnen vor Ort. Denn sie wollen ihr Motiv nach Art eines Mobiles frei aufhängen – und dazu noch mehrschichtig im Raum verteilen, um eine Art optischer Täuschung zu erzielen.
Kennengelernt haben sich die beiden auf nicht minder erstaunliche Weise. Denn Michelle ist Instagram-Künstlerin, und Followerin Tiana hatte bei einem Wettbewerb eine Arbeit von ihr gewonnen. Da erst erkannten sie, dass sie beide an derselben Fakultät studieren.
"Es ergeben sich immer interessante Begegnungen", beschreibt Ulrike Thiele, stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins, eine durchaus gewollte Folge der außergewöhnlichen Kooperation zwischen Hochschule und Kunstverein. Zudem sei es schön, dass sich mittlerweile eine Kontinuität entwickelt habe. "Und trotzdem ist es jedes Jahr anders."
Info: Die Vernissage am Samstag um 14 Uhr wird im Freien vor dem Alten Schlachthaus stattfinden. Zum Begehen der Ausstellung sind Nase-Mund-Masken vorgeschrieben.