Gegen das Urteil des Mosbacher Landgerichts legte der Angeklagte Revision ein. Foto: dpa
Von Jörn Ludwig
Mosbach. Wenn an deutschen Gerichten Fälle von allgemeinem Interesse verhandelt werden, ist es seit jeher üblich, dass die Presse dazu eingeladen wird, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und darüber zu berichten. Der Fall, der am Mittwoch vor dem Mosbacher Landgericht verhandelt wurde, hatte ein Thema zum Inhalt, das derzeit wie wohl kein anderes aus der Justizwelt in der öffentlichen Diskussion steht: sexueller Kindesmissbrauch. Die Verhandlung war öffentlich, das Urteil fiel öffentlich, doch die Öffentlichkeit in Form der Presse war weder informiert noch eingeladen.
Gegenstand des Prozesses war der Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornografischer Schriften gegen einen 39-jährigen Mann aus dem Neckar-Odenwald-Kreis. Er hatte gestanden, sich im November 2018 an einem damals zwölfjährigen Mädchen vergangen und seine Tat auf Video aufgezeichnet zu haben.
Auf Nachfrage der RNZ teilte Gerichtssprecherin Katja Heim lediglich mit, dass das Opfer "aus dem persönlichen Nahbereich" des mutmaßlichen Täters stamme. Ob es sich bei dem Verurteilten um den Vater, Stiefvater, Onkel, einen Familienfreund oder Nachbarn handelt, wurde "aus Opferschutzgründen" nicht bekannt gegeben.
"Eine Verbreitung bzw. Überlassung der Videos an Dritte hat nicht stattgefunden", erklärte Heim. Bekannt geworden sei die Tat, weil eine weitere Person "aus dem näheren familiären Umfeld" die Aufnahmen entdeckt und sich an die Polizei gewendet habe.
Mit dem Opferschutz begründete die Pressesprecherin auch den Umstand, dass die Medien im Vorfeld der Verhandlung nicht informiert worden waren. "Wäre Presse anwesend gewesen, hätte der Richter die Öffentlichkeit wahrscheinlich ohnehin ausgeschlossen", erklärte Heim gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung. Aber immerhin hätte diese dann gewusst, dass der brisante Fall verhandelt wird und sich zeitnah über das Urteil erkundigen können.
Das fiel bereits am ersten Verhandlungstag: Die Kammer unter Vorsitz von Richter Michael Haas sprach den Mann im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn zu fünfeinhalb Jahren Haft. Die Verteidigung hatte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie die Prüfung der Strafaussetzung auf Bewährung beantragt, während die Staatsanwaltschaft eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren für angemessen hielt.
Der 39-Jährige will dieses Urteil nicht akzeptieren; er hat bereits Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird den Mosbacher Richterspruch nun auf Verfahrensfehler überprüfen.