Der Asphalt ist da, die Straßenlaternen sind da, der Rest ist – noch – Wiese. Auf 4,5 Hektar im nördlichen Teil des Neubaugebietes Nord III sollen Wohnhäuser entstehen. Wer eins der insgesamt 88 (in diesem Jahr noch 30) angebotenen Grundstücke erhält, regelt ein Kriterienkatalog, den der Haßmersheimer Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung beschloss. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Haßmersheim. Was das wichtigste Thema der Haßmersheimer Gemeinderatssitzung im September sein würde, zeichnete sich schon zu deren Beginn in der Bürgerfragestunde ab. Da wollte eine Bürgerin wissen, ob sie denn eine Chance habe, bei der Vergabe der Bauplätze im Baugebiet "Nord III" für ihre sechsköpfige Familie berücksichtigt zu werden.
Der Andrang ist groß: 233 Interessensbekundungen für 76 in Gemeindehand befindliche Bauplätze liegen bereits vor. Das hatte Bürgermeister Michael Salomo genau eine Woche zuvor bei der Bauabnahme gesagt, und er wiederholte es in der Sitzung, um als Erstes zu betonen: "Ziel bei der Vergabe ist es, gerechte und nachvollziehbare Kriterien zu haben."
In die punktebasierte Gewichtung können "soziale und Ortsbezugskriterien" mit maximal je 100 Punkten einfließen. Am meisten Punkte gibt’s für die, die mehr als fünf beziehungsweise zehn Jahre ihren Hauptwohnsitz in Haßmersheim haben, die kein Wohneigentum im Ort haben und für drei und mehr Kinder. Von der Vergabe ausgeschlossen ist, wer ein unbebautes Grundstück in Haßmersheim besitzt. Teilnehmen können jedoch die Wohneigentümer im Ort, die ihren Hauptwohnsitz nach Nord III verlegen.
Die Fragerin, deren Familie mit vier Kindern derzeit im eigenen Häuschen im Ort lebt, dieses aber zugunsten von mehr Wohnraum im Neubaugebiet verlassen, aber nicht verkaufen möchte, würde von der Vergabe nicht ausgeschlossen und kann ihre Punkte unter "soziale Auswahlkriterien" sammeln. Bürgermeister Salomo wollte um ein Ranking nicht drumherumreden: "Wer Eigentum hat, steht weiter hinten."
Auch sollen soziale Härtefälle ins Gewicht fallen und ehrenamtliches Engagement. Letzteres allerdings war in der Diskussion des Gremiums Anlass zu Kritik an den Kriterien. Dass nur die punkten können, deren Einsatz sich in einem Haßmersheimer Verein, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk äußert, stieß auf Widerspruch. So begründeten Thorsten Ringwald (Grüne) und Matthias Schumacher (Freie Wähler, FW) ihr Nein zum Beschlussvorschlag damit, dass es bei der Betrachtung ehrenamtlicher Tätigkeit keine Klassenunterschiede geben dürfe. Johannes Höfer (FW) ist zu wenig Familienfreundlichkeit in die Vergabekriterien eingeflossen. Und es stört ihn - wie auch Karlheinz Graner von der SPD -, dass ein Teil der Bauplätze (sieben von 30 im laufenden Jahr) meistbietend versteigert werden soll: "Unsozial(demokratisch)."
Salomo und sein Kämmerer Stefan Salen argumentierten dagegen, dass die Vergabekriterien jene des Städte- und Gemeindebundes gerade in sozialer Hinsicht überträfen, dass das Geld aus der Versteigerung der ganzen Gemeinde zugute komme und bei der Berücksichtigung ehrenamtlichen Engagements die Kriterien nachvollziehbar sein müssten. "Es ist schwierig, da eine Grenze zu ziehen", erklärte Michael Salomo die Problematik. Die sah er auch bei dem Wunsch Graners, Umweltkriterien bei der Bauplatzvergabe zu berücksichtigen. "Wie soll das gehen?" Jonas Schmitt und Joachim Kohl, beide SPD, sprachen schließlich aus, was die Mehrheit des Gemeinderats von den Vergabekriterien hielt: "Mit dieser Lösung können wir leben."
Fast alle Haßmersheimer Kindergärten sind seit Mai 2019 in kommunaler Hand. Durch die Corona-bedingten Kita-Schließungen sollen Eltern- und Essensbeiträge (teilweise) erstattet beziehungsweise nicht erhoben werden. Dadurch entgehen der Gemeinde rund 120.000 Euro. Auch an den im katholischen Kindergarten St. Christophorus entstandenen Mindereinnahmen in Höhe von knapp 47.000 Euro beteiligt sich die Kommune.
Von den Mehrausgaben bleiben bei der Gemeinde 73.000 Euro hängen, da diese aus der Soforthilfe des Landes bisher fast 94.000 Euro erhielt – pauschal, womit etwa auch Gewerbesteuerausfälle auszugleichen seien, wie Bürgermeister Salomo ergänzte. Analog dazu beschloss der Gemeinderat ebenfalls einstimmig, die Elternbeiträge für die Schulkindbetreuung zu erstatten / nicht zu erheben. Hier belaufen sich die Mindereinnahmen auf knapp 15.000 Euro.
Acht Tagesordnungspunkte trugen den Namen von Bauamtsleiterin Nicole Ernst-Karch als "Sachbearbeiter". Sechs Bauvorhaben und Auftragsvergaben erhielten das einstimmige Votum des Gremiums, darunter der Umbau eines vorhandenen Lebensmittelmarktes zur Lagerhalle mit Büros und die Überdachung von 20 Stellplätzen in der Ehrenmalstraße sowie die Baugenehmigung für den bisher bis 2021 befristeten Freizeitbetrieb "Indianderdorf". Der habe Haßmersheim über die Landkreisgrenzen hinweg bekannt gemacht, freute sich Salomo.
Bei der 220.000 Euro teuren Auftragsvergabe für Smart-Displays und Langwandtafeln in der Gemeinschaftsschule enthielt sich Anna Leischner (Grüne) der Stimme, weil sie diese digitalen Ausstattungsmittel für "schön, aber noch nicht notwendig" hält. Mehr Dissens brachte die Baugenehmigung für einen Ziegenstall mit Heulager an der Gabelung Dreispitzweg/Krautgärten hervor. Der Technischel Ausschuss hatte dem Vorhaben nicht zugestimmt. Neun Ja- und vier Nein-Stimmen sowie vier Enthaltungen gaben die Meinung des Gemeinderats wieder. Im Entree des Neubaugebiets darf somit künftig eine Handvoll Walliser Schwarzhalsziegen grasen – ohne Bock.