Jetzt rollen sie wieder: Wenn die Äpfel (auf den Streuobstwiesen) reifen, gilt es im Agrar-Zentrum Barth in Aglasterhausen, das Geschäft mit der Annahme des Obstes so zu handhaben, dass alle profitieren. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Aglasterhausen. "Bei uns wird nix verrecke glosst!" Burkhard Ernst ist es ernst mit den Äpfeln von seinen Streuobstwiesen. Die bleiben nicht liegen. Der Asbacher ist gerade vorgefahren im Agrarzentrum Barth in Aglasterhausen, hat Auto samt Anhänger mit Obstladung auf der Waage platziert, um nach dem Abladen der Früchte erneut das Gewicht ermitteln zu lassen. Die Differenz – mehrere Hundert Kilogramm Äpfel der Sorten Brettacher, Salemer Klosterapfel und Winterrambur – sind in die Betongrube gerollt. Volker Erne, gemeinsam mit Ulli Erne-Barth verantwortlich im Agrarzentrum, hat assistiert, wobei er betont, dass das Abladen in seinem Betrieb besonders bequem funktioniere.
Kurze Zeit später rollt der Lkw an, der die Asbacher Äpfel mit den anderen schon in der Grube angesammelten auf die Schwäbische Alb in eine Kelterei fährt, da die nächstgelegene (Mosterei Falter in Heddesbach) mit der Obstannahme erst später begann. "25 Tonnen müssen für eine Fahrt schon zusammenkommen."
2020 ist ein "frühreifes" Apfeljahr. Seit Ende August werden bei Barth Äpfel angenommen. In der Unternehmenssparte Landhandel agieren Ulli Erne-Barth und ihr Mann Volker Erne als Groß-, beziehungsweise Zwischenhändler. Das Kernobst wird von Aglasterhausen in diverse Keltereien gebracht, wo Saft daraus gemacht wird. Um flexibel auf die Anlieferungen reagieren zu können, kooperiert Barth mit mehreren Mostereien.
Die Apfellieferanten bekommen für ihr Obst Saftgutscheine oder Geld entsprechend der angelieferten Menge. "Aktuell sind das 6,50 Euro für 100 Kilogramm", sagt Volker Erne, doch steige mit zunehmender Süße der Früchte (Öchslegrade) der Preis. Burkhard Ernst nimmt in diesem Jahr das Geld. "Wir haben von 2019 noch so viele Gutscheine, das können wir gar nicht alles trinken – nicht mal in der ganzen Verwandtschaft."
Zu viel des Guten, das ist mitunter auch die Herausforderung für den Händler. "Wir sind so eine Art Bündler", meint Erne, "eine Schnittstelle. In einem Jahr werden die Keltereien von Apfelmengen förmlich überrollt, im anderen mangelt’s dann wieder, und in diesem Jahr starten wir eben sehr früh." Bei Barth hält man es mit der klassischen Logistik-Regel, die richtige Menge am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu haben. Erfahrung helfe dabei, einzuschätzen, innerhalb welcher Zeit welche Mengen zusammenkommen, die die Beauftragung einer Spedition lohnen. "Die Äpfel dürfen ja auch nicht länger liegen als 48 Stunden."
Die Anliefermengen variieren. Da kommen die Gartenbesitzer mit ein paar Körben, Säcken oder Kartons, die von Hand entleert werden, aber auch anhänger- und kleintransporterweise landet das Obst in der Apfelgrube. Der Durchschnitt einer Anlieferung, schätzt Erne, liege bei 300 Kilogramm. "Bis damit ein Lkw voll wird, brauche ich 80 Anlieferungen." Eben kommen die nächsten Äpfel in den Barth’schen Hof.
Karin Schnetter und ihr Mann aus Aglasterhausen sind schon das dritte Mal da. Rund 60 eigene und gepachtete Bäume werden von der Fachwartin für Obst und Garten gepflegt, geschnitten und abgeerntet. Auch sie lassen sich den Gegenwert von der heutigen 350-Kilogramm-Lieferung auszahlen. "Wir haben noch Gutscheine von vor zwei Jahren und produzieren außerdem unsere eigenen Säfte und Saftmischungen." Karin Schnetter gerät sogleich ins Schwärmen über alte Obstsorten, ihre Verwertung und Pflege.
Doch diese Hingabe und Leidenschaft für den Streuobstwiesenanbau gehe zurück, stellen auch die Agrarzentrum-Inhaber fest. Eine Haltung wie die von Burkhard Ernst – "nichts verrecken zu lassen" – ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Ulli Erne-Barth, die die Tradition ihrer Familie in der mehrere Hundert Jahre alten Kreuzmühle, aus der der Landhandel hervorgegangen ist, mit ihrem Mann fortführt und ausbaut, nimmt diese Haltung zum einen bei denen wahr, die noch den Krieg erlebt hätten, zum anderen entdeckten junge Familien wieder, welchen Wert der regionaltypische Obstbau habe. Schon gehen ihr Ideen durch den Kopf, ob ihr Betrieb nicht zu einer Art Tauschbörse werden könne nach dem Motto: die einen haben die Bäume, die anderen die Freude am Ernten. "Das müsste man doch zusammenbringen können."
Dieser Gedanke folgt dem Nah-beim-Stamm-Prinzip, dem Regionalitätsgedanken ebenso wie die Überzeugung, dass das Obst nicht unnötig weit in der Gegend herumgefahren werden sollte, Aglasterhausener Äpfel am sinnvollsten in Aglasterhausen und Buchener Birnen logischerweise in Buchen abgeliefert werden sollten (wo sonst im Landkreis Obstannahmestellen sind, ist im Kasten unten aufgelistet). Burkhard Ernst weiß jedenfalls schon lange, wohin mit seinen Äpfeln …