Dr. Albrecht Rottmann - Belegarzt am Hardheimer Krankenhaus. Fotos: Rüdiger Busch
Von Rüdiger Busch
Hardheim. Seit gut vier Jahren wirkt Dr. Albrecht Rottmann als Belegarzt am Hardheimer Krankenhaus. Der 61-Jährige, der zuvor Chefarzt der internistischen Abteilung am Krankenhaus Wertheim war, führt gemeinsam mit Dr. Andreas Mövius und Thomas Schwender die internistische Praxis am Krankenhaus. Wie der erfahrene Mediziner mit der Coronakrise umgeht, was er und seine Mitarbeiter tun, um Patienten und Personal möglichst gut vor der Infektionsgefahr zu schützen, und wie lange uns die Pandemie seiner Meinung nach noch beschäftigen wird, darüber spricht er im Interview mit der RNZ.
Wie erleben Sie als Internist die Coronakrise?
Im Februar und Anfang März waren es noch bestimmte Gruppen wie Geschäftsreisende aus China oder Skifahrer, für die eine erhöhte Ansteckungsgefahr bestand. Inzwischen gibt es in allen Bevölkerungsgruppen Infektionen und leider auch bei den Kranken und Älteren, für die eine Ansteckung deutlich gefährlicher ist als für junge, gesunde Menschen. Darauf haben wir schon frühzeitig reagiert und im Krankenhaus und in der Praxis die Hygienemaßnahmen verstärkt. Zudem werden seit etwa zwei Wochen nicht nur die Verdachtsfälle, sondern alle stationären Patienten abgestrichen, um einer möglichen Ausbreitung des Virus im Haus vorzubeugen.
Was geschieht mit den Patienten, bis das Testergebnis vorliegt?
Wir erhalten das Resultat inzwischen – außer am Wochenende – innerhalb von 24 Stunden. In dieser Zeit kommen die Patienten in Quarantäne und zwar in unserem Isolierbereich auf Station 3. Dort gelten die höchsten Sicherheitsvorkehrungen, Ärzte und Schwestern tragen dort neben den Masken auch Schutzkittel und Schutzhauben. Ist das Ergebnis negativ, kommt der Patient auf die normale Station, andernfalls bleibt er in Quarantäne. Die Vorgehensweise hat sich schon jetzt bewährt: In der vergangenen Woche hatten wir zwei Patienten, die überhaupt keine Symptome hatten und dennoch positiv getestet wurden. Wir haben aber auch schon das Gegenteil erlebt ...
Negativer Test trotz Erkrankung?
Genau! Ein Patient hatte schwere Symptome, Husten, Fieber und Lungenentzündung, und auch das Röntgenbild der Lunge war auffällig. Doch das Testergebnis war negativ. Wir waren glücklicherweise aber weiter vorsichtig und haben die Quarantäne verlängert. Ein zweiter Abstrich drei Tage später hat uns Recht gegeben: positiv!
Wie lässt sich so etwas erklären?
Ein Abstrich bietet nun einmal keine hundertprozentige Sicherheit. Entscheidend ist oft die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Infektion der Test durchgeführt wird. Denn nicht immer ist die Virusausscheidung im Rachen der Erkrankten so stark, dass eine Infektion nachweisbar ist.
Gut geschützt im Einsatz für die Gesundheit ihrer Patienten: Krankenschwester Sandra Steinbach und Dr. Albrecht Rottmann vor dem Isolierbereich des Hardheimer Krankenhauses. Fotos: Rüdiger BuschWie läuft der Praxisalltag in Corona-Zeiten?
Wir haben bereits vor über zwei Wochen eine Maskenpflicht eingeführt. Wer keine Maske dabei hat, der kann bei uns eine gegen eine Spende erhalten. Zudem haben wir die Zahl der Stühle im Wartezimmer halbiert, um größere Abstände gewährleisten zu können, und wir überwachen die Zahl der Patienten über eine Einlasskontrolle. Vieles erledigen wir außerdem telefonisch, um die persönlichen Kontakte möglichst zu minimieren. Das alles wird von den Patienten gut angenommen.
Ab 4. Mai soll es wieder planbare Operationen geben. Wie bewerten Sie dies?
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion halte ich für richtig, aber zu viel Angst ist fehl am Platz. Es gibt Operationen, die nicht aufgeschoben werden sollten, etwa bei Krebserkrankungen. Das Gleiche gilt übrigens für den Arztbesuch: Es wäre völlig falsch, aus übertriebener Angst vor Corona Symptome einer anderen Erkrankung oder Beschwerden zu ignorieren. Wer zum Arzt muss, der kann dies auch in diesen Zeiten guten Gewissens tun – dafür sind die ganzen Sicherheitsvorkehrungen ja da.
Apropos Sicherheit: Mit 61 zählen Sie selbst zur sogenannten Risikogruppe – mit welchen Gefühlen gehen Sie zur Arbeit?
Angst habe ich keine. Aber mir ist natürlich wichtig, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, dass die Infektionen eingedämmt werden. Ich trage immer eine Maske und schütze damit mein Gegenüber. Dasselbe erwarte ich dann auch von den Patienten.
Wie wird die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen?
Ich bin weder Virologe noch Zukunftsforscher. Aber eins ist klar: Wer glaubt, das Ganze wäre in ein, zwei Monaten vorbei, der irrt. Die Rückkehr in die Normalität wird auf sich warten lassen. Es geht darum, das richtige Maß zwischen der nötigen Vorsicht und den gesellschaftlich und wirtschaftlich notwendigen Lockerungen zu finden. Wie das die Politik bislang gemacht hat, wie sie auf die Wissenschaftler gehört hat, das war wirklich gut. Wir sind in Deutschland gut aufgestellt, und deshalb gibt es bei uns zum Glück keine Bilder wie aus Italien oder aus New York. Dennoch werden wir mit dem Virus zu kämpfen haben, bis wir einen Impfstoff haben – hier bei uns in Hardheim, in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt.