„Lasst uns warm machen“: Frontfrau Stefanie Kloß auf dem Bühnensteg. Foto: vaf
Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Der "Silbermond" ist Montagnacht über Mannheim aufgegangen. Die Fans haben die Band in der SAP-Arena bejubelt. Und zusammen mit einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Musikgruppen vor einer künstlichen Blumenwiese getanzt.
Mut und Ehrlichkeit kennzeichnen viele Menschen aus dem Osten der Republik. Und es gehört einiges an Courage dazu, vor fremden Leuten sein Innerstes nach außen zu kehren und dabei auch nicht vor Emotionen zurückzuschrecken. Bei anderen Künstlern sind Gefühle als Teil der Show kalkuliert und sollen Nahbarkeit zum Publikum vorgaukeln. Nicht so beim Exportschlager aus Bautzen. Stefanie Kloß, Johannes und Thomas Stolle und Andreas Nowak meinen es so, wie sie es singen. Wenn es um persönliche Höhen und Tiefen geht, wenn es gegen Rassismus geht oder wenn sie einfach nur Spaß verbreiten wollen, sie bleiben glaubhaft.
Silbermond in der SAP-Arena - die FotogalerieEs ist Wochenanfang, draußen regnet’s, und dementsprechend hält sich das Publikumsinteresse für Silbermond in Grenzen. Ganze 5000 füllen die Reihen. Eigentlich müsste die Stimmung der Band in der nur halbvollen SAP-Arena in Richtung Enttäuschung tendieren. Die beiden Auftaktkonzerte ihrer Tour "Schritte" jedenfalls waren ausverkauft. Doch "Steff" und ihre Crew lassen sich nichts anmerken. Ganz im Gegenteil, sie freuen sich, dass doch so viele gekommen sind. Und bedanken sich mehrfach für die Treue ihrer Anhänger, die zum Teil über 100 Kilometer weit angereist waren. Dieser Dank kommt von Herzen und klingt nach mehr als nur professioneller Routine.
Apropos Routine: Im 16. Jahr ihres Bestehens wirkt die vierköpfige Gruppe reifer. Ist Erwachsenwerden der nächste Schritt? Zumindest kommt das neue Album "Schritte" nicht mehr so frech und rotzig daher wie die sechs Vorgängerwerke. Vom Intro "Was Freiheit ist" bis "Ein schöner Schluss" spannen die Sachsen den Bogen über mehr als zwei unterhaltsame Stunden. Nach anfänglichem Zögern kommt auch das Publikum, das Gros weiblichen Geschlechts unter 30 Jahren, auf Touren. "Lasst uns zusammen warm machen, lasst uns tanzen”, ruft die Frontfrau und kündigt damit den Song "Zeit zu Tanzen" an. Spätestens ab diesem Moment wackelt sinnbildlich die Mauer. "Indigo", "Krieger des Lichts", "Irgendwas bleibt", "Träum ja nur" und und und: Der Rucksack voller Hits ist dick bepackt.
An Risikobereitschaft mangelt es Kloß & Co. sowie ihrem grandiosen Tourpianisten Fabian Richter nicht, dem wohl versiertesten Musiker auf der Bühne. Bislang hat es keine Band in der SAP-Arena gewagt, gleich sämtliche Kompositionen einer neuen Scheibe live zu spielen. Silbermond traut sich. Zehn der 23 gespielten Songs stammen von "Schritte". "Steff" erläutert, warum. Die 35-Jährige plaudert offen, dass nicht immer alles leicht gewesen sei im Orbit von Silbermond. Aber sie hätten sich gegen eine Trennung durchgerungen unter dem Motto: "Alles ist besser als Stillstand".
"Wir sind zufrieden, wenn ihr später nach Hause geht mit dem Gedanken, dass ihr glücklich seid, heute diesen Schritt gemacht zu haben und zum Konzert zu gehen", erzählt sie gerührt. Dass danach sofort der Titeltrack von "Schritte" ertönt, wundert niemanden. Dass aber alle Musiker auf dem Steg vor der Bühne ins Publikum laufen und Stehbass und Triangel spielen, kennt man so nicht vom glänzenden Erdtrabanten. Auch das Lied "Für Amy" beweist, welch großartige Stimme Stefanie Kloß besitzt. Obwohl sie gerade gegen einen Erkältungsvirus kämpft, setzt sie perfekt ihre Gabe in Szene. Am Schluss des Songs schaltet sie die Verstärker völlig ab und singt ohne Mikrofon weiter. Das Auditorium staunt und begleitet die Performance textsicher und lautstark – wieder so ein ehrlicher Gänsehautmoment im Konzert. Mit einer Art von "Best-of" geht die Mischung aus Leichtigkeit, Tiefe, Melancholie und Mutmachen vor einer tonnenschweren Bühnendekoration aus gigantischen Blumen, Pinguinen und Marionetten dem Ende entgegen. Also, von wegen "Leichtes Gepäck"!