Norbert Holter vom Schwetzinger Tafelladen zeigt auf den halb leeren Kühlschrank in seinem Geschäft. Normalerweise stapeln sich dort Joghurtbecher, Butterpäckchen sowie Käse- und Wurstwaren. Mittlerweile ist fast nur noch Margarine da. Foto: Lenhardt
Von Anna Manceron
Schwetzingen. Während die einen hamstern, fehlt es den anderen am Nötigsten. Wegen der Angst vor dem Coronavirus sind Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis oder Konserven in vielen deutschen Supermärkten ausverkauft. Die meisten Händler dürften sich angesichts dieses plötzlich ausgebrochenen Kaufrauschs die Hände reiben. Es gibt aber auch Ladenbesitzer, denen die Hamsterkäufe in erster Linie Sorge bereiten.
Die Tafeln in Deutschland verzeichnen derzeit, nämlich einen massiven Rückgang an Lebensmittelspenden. Auch im Schwetzinger Tafelladen "Appel und Ei" sind einige Regale wie leer gefegt. Das gilt vor allem für die Kühlschränke: Joghurt, Butter, Wurst und Käse suchen viele Kunden dort vergeblich. "Wir bemerken schon seit mindestens einem Jahr einen deutlichen Rückgang der Lebensmittelspenden", erklärt Klaus Stürmer, der Leiter des Tafelladens. Die Angst vor dem Coronavirus habe diesen Effekt nun verstärkt.
Das bestätigt auch sein Stellvertreter, Norbert Holter, der bei "Appel und Ei" für die Akquise und die Ladenstatistik zuständig ist. "Die Menge der gespendeten Kühlware ist in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent zurückgegangen", berichtet er. Innerhalb der letzten 14 Tage seien es dann noch einmal 25 Prozent weniger geworden.
Dass allgemein weniger für die Tafeln übrig bleibt, liegt daran, dass viele Supermärkte ihre Ware bis zum letzten Tag des Mindesthaltbarkeitsdatums verkaufen und danach sofort vernichten. So erklärt es zumindest Klaus Stürmer. "Lange haltbare Lebensmittel wie Mehl, Milch, Öl und Zucker bekommen wir ohnehin nicht in rauen Mengen", sagt er. "Deren Produktion steuern die Märkte meist so gut, dass nicht viel übrig bleibt."
Vom derzeitigen Engpass im Schwetzinger Tafelladen sind vor allem gekühlte Lebensmittel betroffen. "Ohne Direktspenden von Firmen hätten wir gar nichts mehr im Kühllager", räumt Stürmer ein. Nur bei Obst und Gemüse sei man noch ganz gut aufgestellt. Dennoch: Der Grat, auf dem die Tafel-Mitarbeiter wandern, ist schmal. "Im Moment ist die Situation für uns nur steuerbar, weil wir zweckgebundene Spenden von Privatpersonen erhalten. Davon kaufen wir zusätzlich Lebensmittel ein", sagt Stürmer. Ohne dieses Geld habe er Schwierigkeiten, seine Kunden zu versorgen.
Zurzeit kaufen jeden Tag etwa 80 bis 90 Menschen im Schwetzinger Tafelladen ein. Wer eine Kundenkarte beantragt, muss nachweisen, dass er über ein geringes Einkommen verfügt. Als Nachweise gelten zum Beispiel die Bescheide über den Bezug von Arbeitslosengeld II, Kindergeldzuschuss, Wohngeld oder Rentenbescheide.
Insgesamt sind bei "Appel und Ei" zwischen 600 und 700 Kunden mit einer Einkaufsberechtigung registriert. Viele davon kaufen nicht nur für sich ein, sondern versorgen ganze Familien. Klaus Stürmer schätzt, dass der Tafelladen zwischen 1600 und 1700 Nutzern hat, darunter 500 Kinder.
Und es werden nicht weniger. Im Gegenteil: "In den letzten zwei Jahren ist die Zahl unserer Kunden drastisch angestiegen", erklärt Norbert Holter. Unter den neuen Kunden sind besonders viele Rentner. Ob die Menschen auch mit ihm über die Gründe sprechen, die sie in den Tafelladen führen? "Ja", sagt Holter. "Viele sagen zu uns: Gott sei Dank seid Ihr da." Er ist sich sicher: Mit Lebensmitteln aus dem Discounter könnten sich einige seiner Kunden finanziell nicht über Wasser halten.
Um den von Caritas und Diakonie betriebenen Tafelladen zu bestücken, sind die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter auf Spenden angewiesen. Jeden Tag klappern sie 22 Supermärkte und sieben Bäckereien in der Region ab. Was nicht verkauft wird, geht an die Tafel. Die Spenden kommen von Märkten aus Schwetzingen, Plankstadt, Brühl, Oftersheim und Sandhausen.
Trotzdem gilt: Der Spendendeal ist eine rein freiwillige Vereinbarung – auch in Zeiten von Versorgungsengpässen. "Wir sind auf das angewiesen, was uns die Märkte geben", sagt Norbert Holter. "Würden wir nach mehr fragen, könnte dieser Schuss ganz schnell nach hinten losgehen."