Mannheim/Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis. (pol/van) Betrugsdelikte durch "falsche Polizeibeamte" oder der "Enkeltrick" waren bis vor wenigen Jahren eher eine Randerscheinung. In nur wenigen Jahren haben sich die Fälle um fast 7500 Prozent erhöht. Auch die Dreistigkeit der Betrüger steigert sich. Wie die Polizei am heutigen Freitag mitteilt, bleibt auch 2020 nicht verschont. Betrugsmaschen sollen seit Jahresbeginn die Region überschwemmen. Jüngst wurden Fälle in Weinheim, Mannheim und Sandhausen bekannt.
Bei diesem bundesweiten Phänomen der "falschen Polizeibeamten" halten die Täter ihre Opfer oftmals stundenlang am Telefon fest und üben massiven Druck auf sie aus. Wie die Polizei weiter berichtet, agieren die Betrüger meist aus Callcentern vom Ausland aus, nehmen fast ausschließlich mit älteren, vorwiegend weiblichen Opfern, häufig auch mit gefälschten Telefonanschlussnummern ("Spoofing"), Kontakt auf und geben sich als Polizeibeamte der örtlichen Polizeidienststelle aus.
Den Angerufenen wird häufig vorgetäuscht, dass die Polizei Bargeld und Schmuck aufgrund eines geplanten Einbruchs vorübergehend sicherstellen müsse bis zur Festnahme der Täter. Im Vertrauen darauf, mit der "richtigen" Polizei zu sprechen, werden im Anschluss Bargeld, Schmuck, Goldbarren und EC-Karten an "Abholer" übergeben. Nicht selten kommen auch "falsche Staatsanwälte" oder "Notare" am Telefon zum Einsatz, die den Vortrag des angeblichen Polizeibeamten untermauern.
Beim "Enkeltrick" geben sich die Betrüger am Telefon als Enkel, Neffen oder gar Kinder der Opfer aus und täuschen eine finanzielle Notlage vor. In der Annahme, einem Angehörigen zu helfen, gehen die Senioren zu einem Geldinstitut, um das geforderte Geld abzuheben. Anschließend übergeben sie den Betrag einem Boten, der vom vermeintlichen Angehörigen geschickt wird.
Betrugsmaschen am Telefon durch "falsche Beamte" kommen am häufigsten vor, wie die Beamten weiter mitteilen. Während die Anzahl der registrierten Fälle im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim im Jahr 2015 noch bei 19 Fällen lag, stiegen die Fallzahlen von 87 im Jahr 2016 über 758 im Jahr 2017 auf nunmehr 1454 Delikte im Jahr 2018 an. "Für das Jahr 2019 liegen noch keine validen Daten vor", teilt die Polizei weiter mit.
Bei rund 98,5 Prozent der Straftaten blieb es 2018 bei Versuchen. Obwohl die Täter in nur 22 Fällen bzw. 1,5 Prozent aller Fälle erfolgreich waren, verursachten sie dennoch einen Schaden von knapp 760.000 Euro - allein im Jahr 2018. Nur 5 Prozent der Fälle konnte die Polizei aufgrund der hohen Anzahl der Fälle, die im Versuchsstadium blieben, aufklären. Die Erfolgsquote bei den Schadensfällen liegt nach Angaben der Beamten bei über 60 Prozent. Vierzehn der 22 Fälle konnten aufgeklärt werden.
Seit Jahresbeginn wird die Region rund um Mannheim und Heidelberg von "Enkeltrick"-Anrufen und Anrufen "falscher Polizeibeamter" förmlich überschwemmt, wie die Polizei mitteilt. Allein in den ersten beiden Wochen des neues Jahres soll es zu 20 Fällen bandenmäßigen Betrugs durch "Enkeltrick" gekommen sein, 105 Fälle waren es durch "falsche Polizeibeamte".
"Die Dunkelziffer noch nicht gemeldeter Taten dürfte nach den bisherigen Erfahrungen allerdings sehr hoch sein", teilt die Polizei am heutigen Freitag weiter mit. Oftmals blieb es in den Fällen bei Versuchen, nur dreimal waren die Täter erfolgreich - dafür mit großer Beute. Insgesamt erbeuteten die Kriminellen Bargeld und Münzen in Höhe von mehreren Zehntausend Euro.
Am Freitag, 10. Januar, meldete sich ein Unbekannter bei einer 90-jährigen Seniorin in Weinheim, der sich als deren Enkel ausgab und einen Verkehrsunfall vortäuschte. Für die Fahrzeugreparatur verlangte er einen fünfstelligen Betrag. Um die Dame zur Bank zu fahren, bestellte der Unbekannte für sie ein Taxi. Eine etwa 50 Jahre alte, schlanke Frau mit hellblonden, schulterlangen Haaren holte das abgehobene Geld sowie Schmuckstücke dann schließlich ab.
Ein weiterer Fall am selben Tag in Hirschberg-Leutershausen mit identischem Vorgehen scheiterte. Ein aufmerksamer Bankangestellter händigte der 76-jährigen Kundin das Geld nicht aus.
Weiter wurde am Dienstag, 14. Januar, ein über 80 Jahre altes Ehepaar aus Mannheim von einem "Enkeltrickbetrüger" um eine sehr hohe Summe gebracht. Die Anruferin, die sich als Verwandte namens Claudia vorstellte, gab vor, für einen Immobilienkauf eine größere Bargeldsumme zu benötigen. Das Ehepaar, das in der Innenstadt wohnt, übergab einer Abholerin (etwa 35 bis 40 Jahre und etwa 1,65 bis 1,70 Meter groß, normale Figur, auffällige Fingernägel, Kopftuch, sprach Deutsch mit Akzent) Münzen und Goldbarren.
Am 13. und 14. Januar ereignete sich in Sandhausen ein ähnlicher Fall, der nach Angaben der Polizei "an Dreistigkeit kaum zu überbieten" sei. Ein unbekannter Anrufer gab sich bei einer 73-jährigen Frau als Polizeibeamter aus und täuschte ihr vor, dass Ermittlungen gegen Angestellte örtlicher Banken laufen. Zur Untermauerung der Aussagen, schaltete sich ein weiterer Anrufer ein, der sich als Staatsanwalt ausgab.
Sowohl über den Dienstag, als auch dem darauffolgenden Mittwoch hinweg, setzte der Anrufer die Frau derart unter psychischen Druck, dass sie am späten Mittwochnachmittag, kurz nach 17 Uhr, schließlich einen hohen Bargeldbetrag an einen Abholer (etwa 30 Jahre und 1,75 bis 1,85 Meter groß, dunkle, kurze Haare, dichter Vollbart, dunkler Teint, dunkle Augen, schlanke sowie sportliche Figur, dunkle Kleidung, braune Schuhe) übergab.
Hinweise gehen an den Kriminaldauerdienst, Telefon 0621/174-4444, oder an die jeweiligen Polizeireviere in Weinheim, Telefon 06201/1003-0, in Mannheim, Telefon 0621/1258-0 oder in Wiesloch, Telefon 06222/5709-0 sowie an jede andere Polizeidienststelle.