Schwetzingen/Mannheim. (vow) Im Prozess gegen einen 21-jährigen Iraker, der am 16. August 2020 in einem Mehrparteienhaus im Ostpreußenring seinen 32-jährigen Schwager mit Messerstichen schwer verletzt haben soll, hat die Strafkammer des Landgerichts Mannheim am Dienstag die Schlussvorträge gehört. Die Staatsanwaltschaft plädierte auf eine mehrjährige Haftstrafe wegen versuchten Mordes, die Verteidigung sprach sich für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aus.
Die Tat sei ein typisches Beispiel dafür, "dass Gewalt Gegengewalt erzeugt", erläuterte Oberstaatsanwalt Peter Lintz. Das Treffen des Angeklagten mit dem Mann seiner Schwester habe zur Eskalation geführt. Man wollte den länger schwelenden Konflikt "unter Männern austragen". Als die beiden Kontrahenten von der Wohnung des Opfers nach unten gingen, habe der 21-Jährige im Treppenhaus auf seinen Schwager eingestochen. Dass das Opfer mit der körperlichen Auseinandersetzung angefangen habe, sei eine "unwahre Schutzbehauptung". Der Angeklagte habe dem 32-Jährigen einen Denkzettel verpassen wollen, weil der seine Frau oft geschlagen habe. Deshalb habe er das Messer dabei gehabt: "Das war ein gezielter Angriff gegen das Leben."
Der Anklagevertreter erkannte ein versuchtes Tötungsdelikt sowie einen bedingten Tötungsvorsatz. Davon sei der 21-Jährige nicht zurückgetreten. Auch nicht, als die beiden Männer vor dem Haus kämpften. Das Opfer habe im Treppenhaus nicht mit einem Angriff rechnen können. Die Ehefrau des Opfers und Schwester des Angeklagten habe vor Gericht widersprüchliche Aussagen gemacht. Der Oberstaatsanwalt forderte eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren.
Rechtsanwalt Mamet Acar als Nebenkläger-Vertreter schloss sich dem an. Der Angeklagte habe Selbstjustiz üben wollen. Er habe den Tod des 32-Jährigen gewollt: "Es ist reiner Zufall, dass sein Opfer die schweren Verletzungen überlebt hat."
Verteidigerin Andrea Combé argumentierte, die Angaben des Nebenklägers seien im Prozess widerlegt worden. "Für das Geschehen im Hausflur gibt es keine Zeugen", meinte sie. Es sei möglich, dass die Messerstiche "aus der Umklammerung beim Kampf" erfolgt seien. Ihr Mandant habe seine Schwester aufgefordert, Hilfe zu holen, als er die Verletzungen seines Schwagers sah. Der 21-Jährige sei zuerst attackiert worden. Er sei aber strafbefreiend von der Tat zurückgetreten. Nun müsse ihr Mandant ausländerrechtliche Maßnahmen fürchten, so die Verteidigerin: "Seine Zukunft in Deutschland ist verloren." Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung sei ausreichend, ein bedingter Tötungsvorsatz nicht zu erkennen.
In seinem letzten Wort bereute der 21-Jährige die Messerstiche. Er entschuldigte sich noch einmal bei seinem Schwager, der an diesem Tag aber nicht im Gerichtssaal war. Er habe ihn nicht töten wollen. Die Strafkammer des Landgerichts wird das Urteil am Dienstag, 26. Januar, um 11 Uhr sprechen.