Veranstaltungsagentur sieht sich gegenüber Naidoo in der Pflicht (Update)
Bisher wollen SAP-Arena-Chef Daniel Hopp und Veranstalter Demi Promotion das Konzert am 9. Oktober stattfinden lassen. Doch der Druck steigt.

Von Philipp Weber
Mannheim/Hirschberg. Eigentlich sind die Konzertmacher von Demi Promotion nicht dafür bekannt, Interpreten mit hochkontroversen Ansichten zu Gesellschaft und Politik auf die Bühnen der Region zu holen. Doch im Streit um den für den 9. Oktober geplanten Auftritt von Soulsänger Xavier Naidoo in der Mannheimer SAP-Arena rücken die Veranstalter aus Hirschberg zunehmend in den Vordergrund. Denn die Stadt Mannheim hält den Sänger nach seinen jüngsten Auslassungen über die Bekämpfung der Corona-Pandemie (Titel des Videos: "Ich mach da nicht mit") für untragbar. Naidoo hatte den Beitrag gemeinsam mit anderen Musikern im Internet veröffentlicht.
"Auch wir sind von diesen Videos am vergangenen Wochenende überrascht worden", sagte Demi-Mann Daniel Gern-groß am Freitag im Weinheimer Schlosspark. Dort stellte die Agentur ihr Picknickformat "Beat and Eat" vor, das diesen Sommer in Weinheim und Ladenburg stattfinden soll. Dass die dann gültigen Corona-Verordnungen eingehalten werden, ist für die Veranstalter eine Selbstverständlichkeit. Auch in der Zweiburgen- und der Römerstadt treten Künstler aus der Region auf, wenngleich Kabarettist Markus Weber und die Stimmungsmacher von der Freddy-Wonder-Combo nicht Naidoos Prominenz erreichen.
Stadt Mannheim will Auftritt in SAP-Arena verhindern
Der hätte im Weinheimer Schlosspark und am Waidsee im Westen der Zweiburgenstadt eher nicht singen oder reden können. Das jedenfalls hatte Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just schon Ende Februar im Gemeinderat klargestellt. Naidoo-kritische Stadträte hatten eigens nachgefragt. In Mannheim sind die Dinge nicht so einfach, die SAP-Arena ist kein kommunales Haus: Die Stadt hat die Betreiber der Halle jedoch dazu aufgerufen, Naidoos Auftritt zu verhindern. Damit reagierte sie unter anderem auf die verunglimpfenden Aussagen, die Naidoo und seine Mitstreiter zur laufenden Impfkampagne treffen. Es soll das Wort "Gift" gefallen sein. In der Mannheimer Arena verweist man jedoch auf die Hirschberger: Diese seien Veranstalter des Naidoo-Konzerts und hätten die Halle angemietet.
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Doch auch der Agentur seien die Hände gebunden, sagt Gerngroß. "Der Vertrag mit dem Künstler Naidoo besteht. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, ihn einseitig zu kündigen." Gerngroß sagt es zwar nicht explizit, aber es ist offensichtlich: Es gab schon bessere Zeiten für Kultur-Veranstalter, um Vertragsstreitigkeiten auszufechten. Dazu kommen grundsätzliche Erwägungen: "Klar ist auch, dass es ein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt. Dies ist zu akzeptieren. Bei Rechtsverletzungen wäre das etwas anderes."
Update: Freitag, 28. Mai 2021, 19.52 Uhr
Wird das Xavier-Naidoo-Konzert in der SAP Arena abgesagt?
Mannheim. (alb) Seit Monaten sorgt Xavier Naidoo mit Corona-Verschwörungsmythen und rassistischen Äußerungen für Aufsehen. Nun schockiert der frühere Sohn Mannheims mit einem neuen Song und einem Musikvideo. Naidoo bezeichnet die Pandemie als "Plandemie" der vermeintlichen deutschen Diktatur und stellt sich gegen die Corona-Maßnahmen, wie zum Beispiel das Testen, Maske tragen und die Impfungen. 17 deutsche Rapper haben sich an dem Stück beteiligt. In dem Video ist ein Anschlag auf ein Impfzentrum mit einer computeranimierten Explosion zu sehen.
Naidoo plant für den 9. Oktober ein Konzert in der SAP-Arena. Das sorgte schon Monate vor dem neuerlichen Skandal für Diskussionsstoff. "Xavier Naidoo hat sich positioniert als jemand, der sich gegen die Werte unseres Grundgesetzes stellt. Er leugnet die Gefahren der Pandemie und ruft dazu auf, Coronaregeln zu missachten", sagte Rathaussprecherin Monika Enzenbach der RNZ. Die Stadt stehe gegen solche Haltungen und habe vor Jahren jegliche Zusammenarbeit mit Naidoo eingestellt.
Das geplante Konzert in der SAP-Arena sei nicht im Sinne der Stadt. Eine ordnungsrechtliche Handhabe dagegen gebe es aber nicht. Die Arena solle allerdings prüfen, ob sie einem Künstler, "der immer weiter ins Abseits driftet und nun mit Antisemiten und Rechtsextremisten Musik macht", eine Bühne bieten wolle, die er erwartbar nicht nur musikalisch nutzen werde. Arena-Geschäftsführer Daniel Hopp ging ebenfalls auf Abstand zu Naidoo. Die Betriebsgesellschaft sei jedoch nicht Konzertveranstalter, sondern vermiete die Halle nur. Absagen könne den Auftritt ausschließlich der Veranstalter, die Hirschberger Agentur Demi-Promotion, oder die Behörden durch eine Verfügung. Hopp kündigte an, das Gespräch mit "Demi" zu suchen.
Die Rostocker Bürgerschaft hat sich gegen ein Konzert des umstrittenen Sängers Xavier Naidoo im August in der Rostocker Stadthalle ausgesprochen. Die Mehrheit der Bürgerschaft schloss sich am Mittwochabend dem gemeinsamen Antrag der Linken, Grünen und der SPD an. Darin heißt es unter anderem, dass Naidoo den Reichsbürgern und der QAnon-Bewegung nahestehe und rassistische Ressentiments schüre.
Naidoo tauchte in der Vergangenheit immer wieder im Zusammenhang mit sogenannten Verschwörungsmythen auf - er machte auch umstrittene Äußerungen zu der Corona-Pandemie. Nachdem er im März 2020 die Jury der RTL-Sendung "Deutschland sucht den Superstar" verlassen musste, hatte er Vorwürfe des Rassismus vehement zurückgewiesen.
Update: Dienstag, 25. Mai 2021, 20.33 Uhr
Xavier Naidoo darf trotz Petition in der SAP Arena singen
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Xavier Naidoo muss kein Auftrittsverbot in seiner Heimatstadt fürchten – das für den 9. Oktober 2021 in der SAP Arena geplante Konzert des umstrittenen Sängers dürfte aber von Protesten begleitet werden. Über 33.000 Gegner haben inzwischen eine von den Mannheimer Jusos initiierte Online-Petition unterzeichnet. Das ist mehr als das Doppelte des Fassungsvermögens der Arena. Die Unterstützer appellieren an die Betriebsgesellschaft der Multifunktionshalle und ihren Chef Daniel Hopp, den Auftritt abzusagen. Dieser fühlt sich für das Anliegen allerdings nicht zuständig.
Schon seit vielen Jahren falle Naidoo negativ durch Kontakte in die Reichsbürger-Szene auf, zuletzt habe er seine prominente Rolle in der Öffentlichkeit dazu genutzt, um rassistische, diskriminierende und "total wirre" Theorien aufzustellen, heißt es in dem Aufruf. Juso-Kreisvorstandsmitglied Kai-Uwe Herrenkind argumentiert, Verschwörungstheoretikern dürfe keine Bühne geboten werden, um ihre verdrehten Geschichten und rechte Hetze in die Öffentlichkeit zu streuen.
Gestärkt durch die große Resonanz, haben die Jusos mit einem offenen Brief an Daniel Hopp und die Betriebsgesellschaft nachgelegt. Man wolle keinesfalls die Kunstfreiheit einschränken, heißt es in dem Schreiben, sondern ein Zeichen setzen für Demokratie und gegen verfassungsfeindliche Parolen. Der Künstler Naidoo sei nicht von seinem Werk zu trennen. Sein antisemitisches, rechtspopulistisches und rassistische Gedankengut lasse sich eindeutig in seinen Songs wiederfinden. Als Reaktion auf die Petition haben die Jusos eigenen Angaben zufolge auch Kommentare aus rechtsextremistischen Lagern registriert. Naidoos Anhänger teilten dessen politische Ansichten und bewegten sich in "fragwürdigen Milieus".

Dass sich das Konzert in ein Happening von Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern verwandelt, wie die Jusos vermuten, ist dennoch fraglich. Künstlerisch zieht Naidoo die Massen zumindest bislang wegen seiner unbestritten atemberaubenden Stimme und gefühlvoller, unpolitischer Soulballaden an.
Die RNZ hat Daniel Hopp um eine Stellungnahme gebeten. Die Antwort der Sprecherin der SAP Arena, Christina Redlich, fiel spärlich aus. Hopp habe den Jusos geantwortet, wolle den "Dialog" aber nicht in der Öffentlichkeit austragen. "Da bitten wir um Verständnis", so Redlich. Auf Nachfrage bestätigt sie noch, dass das Konzert stattfinden werde. Das war’s. "Von einem Dialog kann man eigentlich nicht sprechen", sagt dagegen Annalena Wirth, stellvertretende Vorsitzende der Mannheimer Jusos. Zwar habe sich Hopp tatsächlich per E-Mail gemeldet, sich und die Betriebsgesellschaft aber für nicht zuständig erklärt.
In dem Schreiben, dass der RNZ vorliegt, heißt es, die Betriebsgesellschaft habe sich vertraglich verpflichtet, die Arena "diskriminierungsfrei" ihren Mietern anzubieten. Verbieten könne das Konzert lediglich die Stadt, "selbstverständlich" würde man eine entsprechende Verfügung der örtlichen Behörden befolgen. Lediglich der Veranstalter, die Hirschberger Agentur Demi Promotion, könne den Auftritt "aus anderen Gründen" absagen. Hopp hatte zuletzt betont, gerade in der zurzeit wirtschaftlich verheerenden Situation der Veranstaltungsbranche, in der es auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe, müsse er eine hohe Auslastung der Arena sicherstellen. Naidoos Konzerte in der Halle waren bislang stets ausverkauft.
Dennis Gissel, der Geschäftsführer von Demi Promotion, hat Äußerungen Naidoos in der Vergangenheit zwar kritisiert, will sich aber nicht auf parteipolitische Forderungen einlassen, wie er den Jusos laut Wirth geschrieben hat. Vermutlich fürchtet er bei einer Absage mögliche Regressansprüche seitens Naidoos. Eigentlich sollte das ehemalige Mitglied der "Söhne Mannheims" in diesem Jahr auf der Ladenburger Neckarwiese auftreten, das Konzert war coronabedingt jedoch abgesagt und ins nächste Jahr in die SAP Arena verlegt worden.
Annalena Wirth ist enttäuscht. Denn zum einen hätten nicht nur SPD-Mitglieder die Petition unterstützt, sondern auch andere Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Zum anderen bedauert sie, dass kein Gespräch mit Hopp und Gissel zustande kam.
Nach ihren Vorstandswahlen in diesem Monat wollen die Jusos über weitere Schritte nachdenken. "Es ist ja noch mehr als ein Jahr hin bis zu dem Konzert", so Wirth. Nach aktuellem Stand werde man aber auf jeden Fall vor Ort gegen Naidoos Auftritt Flagge zeigen und versuchen, weitere politische und gesellschaftliche Kräfte für die Protestaktion zu gewinnen.