Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. "Höchst erfreulich" nennt der Mannheimer Polizeipräsident Andreas Stenger die Kriminalitätsstatistik des auch für Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis zuständigen Präsidiums. "Der erneute Rückgang der Gesamtstraftaten bei gleichzeitig steigender Aufklärungsquote zeigt, dass wir in puncto Sicherheit seit Jahren auf einem sehr guten Niveau sind", sagt er laut einer Mitteilung. Die Bilanz für 2020 hat aber nicht nur positive Seiten. So haben Sexualstraftaten oder Computerbetrügereien beim Online-Shopping zugenommen.
> Kriminalitätsentwicklung: Insgesamt verzeichnet das Präsidium so wenige Straftaten wie zuletzt 2012: Mit 65.744 sind das gut 4400 weniger als im Vorjahr, ein Rückgang um 6,2 Prozent. Gleichzeitig konnten die Beamten die Aufklärungsquote um 3,2 auf 62,6 Prozent steigern. In Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis befinden sich die Straftaten auf einem Fünf-Jahres-, in Mannheim sogar auf einem Zehn-Jahres-Tief. Stenger führt die Zahlen auf die pandemiebedingten Bestimmungen und eine erfolgreiche Präventionsarbeit zurück. Die sogenannte Häufigkeitsziffer – sie drückt die durch Kriminalität verursachte Gefährdung aus – ist um 6,5 Prozent gesunken.
> Mord und Totschlag: Die gute Nachricht zuerst: Im gesamten Präsidiumsbereich ist im vergangenen Jahr lediglich ein Mensch ermordet worden, in sechs Fällen blieb es beim Versuch. Dafür gab es so viele Totschlagsdelikte (33, davon 26 Versuche) wie seit fünf Jahren nicht mehr.
> Sexualstraftaten: Die stetige Zunahme der Delikte im Land macht auch vor dem Mannheimer Präsidium nicht Halt. Dort sind die Straftaten um 11,2 Prozent auf 893 gestiegen. Die Entwicklung beruht insbesondere auf Zuwächsen bei der Verbreitung pornografischer Schriften (22 Prozent) und bei exhibitionistischen Handlungen (26 Prozent). Die Aufklärungsquote befindet sich mit rund 82 Prozent weiterhin auf hohem Niveau. Den Anstieg bei den pornografischen Schriften führt Stenger darauf zurück, dass junge Leute immer öfter entsprechende Inhalte über Messenger-Dienste verbreiteten. "Häufig sind sie sich nicht bewusst, dass sie damit eine Straftat begehen. Daher setzen wir auch hier vermehrt auf Aufklärung, haben aber auch die Ermittlungen und die Datenauswertungen noch verstärkt", erklärt Stenger.
> Gewalt: Fast drei Viertel aller Taten sind gefährliche oder schwere Körperverletzungen. Diese sind zwar im vergangenen Jahr leicht auf mehr als 1900 Fälle gestiegen, andererseits ist es der zweitniedrigste Wert in den vergangenen zehn Jahren. Während in Heidelberg (plus 3,5 Prozent) und dem Rhein-Neckar-Kreis (plus zwölf Prozent) Zuwächse verzeichnet werden, gehen Gewaltdelikte in Mannheim kontinuierlich zurück.
> Häusliche Gewalt: Erschreckend: Die Zahl der Beziehungstaten hat um 46 Prozent auf 1176 Fälle zugenommen. Dieser Anstieg fällt jedoch zeitgleich mit dem Start eines Pilotprojekts im Oktober 2019 zusammen, an dem das Polizeipräsidium Mannheim teilnahm. Dabei haben die Beamten die Strukturen zur Bekämpfung der Partnergewalt verbessert. Der Anstieg setzte sich im gesamten Jahr 2020 fort. Interessant: Selbst während oder direkt nach den Lockdown-Zeiten gab es keine deutlichen Ausschläge der gemeldeten Fälle.
> Straßenkriminalität: In sämtlichen Bereichen sind die Zahlen teils deutlich gesunken. Dazu zählen Diebstähle von Fahrrädern und Automaten, Handtaschenraub, aber auch Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen sowie Autodiebstähle. Der Rückgang lässt sich deutlich auf die hohe Polizeipräsenz auf der Straße zur Kontrolle der Einhaltung der Corona-Verordnungen zurückführen. Das erhöhte Entdeckungsrisiko hat offenbar viele potenzielle Täter abgeschreckt.
> Wohnungseinbrüche: Gute Nachrichten: Die Fallzahlen sind um mehr als 20 Prozent auf 589 gesunken. Das entspricht dem tiefsten Stand seit 15 Jahren. Mit 229 aufgeklärten Einbrüchen liegt das Mannheimer Präsidium landesweit an der Spitze. Ein Grund: Corona und die Ausgehverbote. Aber auch die Prävention zahlt sich aus: "Die Hälfte aller Einbrüche sind aufgrund guter Sicherungstechnik schon im Versuchsstadium gescheitert", so Polizeichef Stenger.
> Computerkriminalität: Der Betrug bei Online-Geschäften hat um 40 Prozent zugelegt. "Es scheint, dass wegen der geschlossenen Läden auch die Täter ins Homeoffice gegangen sind", deutet Stenger die Entwicklung an. Wer online shoppe, gehe naturgemäß ein erhöhtes Risiko ein, Opfer von Cyberganoven zu werden. Trojaner spionieren zum Beispiel beim Internet-Banking Daten aus. Die "Schädlinge" werden meist über per E-Mail zugesandte Fake-Links verschickt. Ein Klick reicht, um in die Falle zu tappen.
> Subventionsbetrug: Das ist ein neues Phänomen, das auf Covid-19 zurückzuführen ist. Dabei wird der Staat bei Anträgen auf Soforthilfe betrogen. Zuletzt registrierte das Präsidium zudem zahlreiche Fälle, bei denen möglicherweise falsche Gesundheitszeugnisse erstellt wurden, die von der Maskenpflicht befreien sollen. Prominentester Fall ist der Sinsheimer Arzt Bodo Schiffmann, gegen den Ermittlungen laufen.
> "Falsche Polizisten"/Enkeltrick: Angebliche Beamten waren mit ihrer fiesen Masche "nur" in 16 Fällen erfolgreich – richteten dabei aber einen Schaden von knapp 1,5 Millionen Euro (Vorjahr: 150.000 Euro) bei den Senioren an. Enkeltrickbetrüger gelangten in 15 Fällen an ihr Ziel. Der Schaden stieg von 60.000 Euro im Jahr 2019 auf rund 340.000 Euro.
> Drogen: Vermehrte Kontrollen führten hier zwar zu einem leichten Rückgang. Dennoch schreibt das Mannheimer Präsidium mit einem Anteil von 13,5 Prozent im Land immer noch die höchsten Fallzahlen.