Ein Spezialist der Polizei für Gefahrguttransporte schaut bei einer Lkw-Ladung genauer hin. Fotos: Lenhardt
Von Alexander Albrecht
Hockenheim. So mancher Tierschützer würde jetzt wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Mehr als 140 Hühner hat der Fahrer eines Kleinlasters geladen. Sechs gackernde Federtiere befinden sich in den Fächern. Darin ist es so eng und niedrig, dass die Hühner nicht aufrecht stehen können und ihre Köpfe gegen die Gitter gedrückt werden. "Das akzeptiert der Gesetzgeber", sagt die Veterinärin Cornelia Reitzenstein, die Leiterin des Referats Tierschutz beim Rhein-Neckar-Kreis. Die Hühner bekämen ausreichend Luft und müssten während des achtstündigen Transports nicht mit Wasser und Futter versorgt werden. Also alles in Ordnung, der rumänische Fahrer darf seine Tour fortsetzen.
Im Gegensatz zu einem Schweinetransporter, dessen Reifen kaputt ist. Die gute Nachricht: Den Tieren gehe es dank der Klimaanlage gut, erzählt Einsatzleiter Harry Ronellenfitsch. Die beiden Laster sind zwei von vielen Fahrzeugen, die am Dienstag von Polizeimotorrädern oder Streifenwagen auf die Rastanlage Hockenheim-West gelotst werden. Es ist die erste große Verkehrskontrolle an der A6 seit Ausbruch der Corona-Pandemie.
Neben Tier- nehmen sich die 42 Beamten – unterstützt von zehn Mitarbeitern vom Veterinäramt und dem Verbraucherschutz des Rhein-Neckar-Kreises – sämtliche Großraum-, Gefahrgut- und Lebensmitteltransporte vor, die über die Autobahn rollen, erklärt Ronellenfitsch. Mit geschultem Blick nehmen die Polizisten auch Fahrzeuge "in schlechtem Allgemeinzustand" ins Visier oder Autofahrer, die zu tief ins Glas geschaut oder Drogen konsumiert haben könnten.
Der verbeulte Seat aus den Niederlanden, den seine Kollegen gerade untersuchen, entspricht vermutlich einem geradezu klassischen Verdachtsfall. Direkt daneben muss der Fahrer eines aufgemotzten BMW aus Bayern von den Beamten immer wieder seine Fingerspitzen zur Nase führen. Der Mann besteht den Koordinationstest und ist offenbar nüchtern. Seine Papiere prüfen derweil Dokumentberaterin Sandra Katz und ihre "Spezialeinheit".
Eine „Spezialeinheit“ begutachtete die Papiere der Fahrer. Derzeit sind viele falsche Führerscheine im Umlauf.Ronellenfitsch sagt, es gebe einen richtigen Markt für gefälschte Führerscheine. Ein ebenso waches Auge haben die Polizisten auf georgische Banden, die ihr Diebesgut möglichst unbemerkt über die Grenze bringen wollten. Großkontrollen bieten sich gerade in Corona-Zeiten auf Autobahnen an. "Hier haben wir mehr Platz, die Kollegen können das Abstandsgebot problemlos einhalten", sagt Alexander Ulmer, der Leiter des Verkehrskommissariats Walldorf.
Dennoch geht die Polizei auf Nummer sicher und hat nur etwa ein Drittel der Beamten im Einsatz, als bei solchen Aktionen üblich ist. Aufgeteilt in vier Teams, arbeitet Ulmers Team die Fahrzeuge ab. Von 9.30 Uhr bis 14 Uhr hat die Truppe bereits 80 Laster und 60 Autos kontrolliert. Es lohnt sich. Oder wie Ronellenfitsch beim Zwischenfazit sagt: "Die Quote ist leider gut."
Schon beim zweiten Lkw, den die Polizei zur Raststätte eskortiert habe, habe man einen Treffer gelandet. "Er hatte keine Bescheinigung, stand dafür aber unter Drogen – und dann war es auch noch ein Gefahrguttransport", meint der Einsatzleiter und schüttelt den Kopf. Der Urin-Schnelltest bei dem 43 Jahre alten Sattelzugfahrer war positiv auf Kokain und THC gewesen. Im Führerhaus fanden die Beamten auch noch knapp über zwei Gramm Marihuana. Frühestens in 24 Stunden darf der Mann wieder ans Steuer.
Drogen, allerdings gleich eine ganze Tasche voll mit zehn Kilogramm Amphetaminen, hat auch eine 23 Jahre alte Holländerin dabei. Als die Autofahrerin auf die Raststätte gelotst werden soll, gibt sie einfach Gas. In Höhe des Walldorfer Kreuzes kann die mutmaßliche Drogenkurierin aber gestellt und kontrolliert werden. Inzwischen sitzt sie in Untersuchungshaft.
Veterinärin Reitzenstein berichtet noch von einem Laster, der Fleisch geladen hatte. "Allerdings nicht mit der vorgeschriebenen Kühltemperatur von minus 18 Grad, sondern nur mit minus zehn Grad." Deshalb sei der Lkw verplombt worden.
Teuer wird es auch für eine Spedition, die einen Mähdrescher auf zu kleiner Fläche geladen hat. Das Unternehmen muss mit einer Geldstrafe in Höhe von rund 2000 Euro rechnen. Bei einem weiteren Lkw mit drei geladenen Traktoren zeigt die mobile, elektronische Waage ein Gewicht von 12,5 Tonnen an – eine Tonne mehr als erlaubt. Der Sattelzug muss in eine Werkstatt und vom Tüv überprüft werden, zumal offenbar eine Achse beschädigt ist. Das könne den Truck auf der Straße gefährlich ins Schlingern bringen, sind die Beamten überzeugt.
Sie werden ihre Kontrollen fortsetzen, denn die Überprüfung von insgesamt 75 Autos, 126 Lastwagen, darunter 39 Tier- und Lebensmitteltransporten, sowie 266 Personen hat erneut gezeigt, dass die Autobahn ein Hotspot für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist.