Gutes Fallen will gelernt sein: Nathalie Goldhammer (rot) und Sarah Wölfelschneider (blau), beim Sambo-Training in der Hockenheimer Stadthalle. Foto: Lenhardt
Von Jennifer Reutter
Hockenheim. Etwa 15 Kampfsportler stehen in blauen Trainingsanzügen auf der Matte. Gegenseitig werfen sie sich abwechselnd auf den Boden. Ihre Bewegungen sind flink und geschickt. Man sieht sofort, dass die meisten von ihnen seit Jahren trainieren. Und noch etwas sticht beim Sambo-Training des Box- und Athletik-Clubs (BAC) 55 Hockenheim ins Auge: Wer zartbesaitet ist, der ist dort an der falschen Adresse.
Unter den Athleten sind auch vier Frauen. Dass die Männer in der Überzahl sind, schreckt sie nicht ab. Eine von ihnen ist Nathaly Goldhammer. Die 18-Jährige hat in der vergangenen Woche Deutschland bei den Sambo-Europameisterschaften in Zypern vertreten. Goldhammer ist bereits amtierende deutsche Meisterin, bei den Europameisterschaften rechnete sie jedoch mit deutlich stärkerer Konkurrenz.
Zum ersten Training nach den Europameisterschaften wird Goldhammer von ihren Kameraden mit Applaus begrüßt. Denn: Sie hat Zypern mit einer Bronzemedaille im Gepäck verlassen. "Ich bin zufrieden mit meiner Leistung", sagt die Sportlerin. Auch, wenn ihr beim entscheidenden Kampf viel durch den Kopf ging. "Ich habe diesen Moment gar nicht richtig wahrgenommen", sagt sie.
Die Kampfsportart Sambo ist eine Mischung aus Ringen und Judo. Gemeinsam mit ihrem Bruder Jan-Niklas trainiert Goldhammer nun schon seit 12 Jahren. Sie weiß, dass die Begeisterung für Kampfsport unter Mädchen eher ungewöhnlich ist. In früheren Jahren sei sie oft die einzige Frau im Training gewesen und musste deshalb mit den Jungs trainieren. Das ein oder andere Mal habe sie sich etwas allein gefühlt, sagt Goldhammer. "Viele Mädchen sagen schon im Vorfeld: Das ist nicht mein Ding", erzählt die junge Sportlerin. "Das finde ich sehr schade."
Der BAC bietet einmal pro Woche ein Training mit Sambo- und Judotechniken an. Nathaly Goldhammer trainiert zusätzlich noch in Heidelberg, insgesamt steht Kampfsport viermal pro Woche auf ihrem Programm. Auch private Verabredungen muss sie deshalb manchmal absagen. "Aber wie viele andere Jugendliche hatte ich in der Pubertät ein Motivationstief", erzählt die junge Frau. Damals sei es ihr schwergefallen, regelmäßig zum Training zu gehen. Ihre Mutter habe sie jedoch stets überzeugt, weiterzumachen.
Seit einem Monat studiert Goldhammer nun Biotechnologie an der Hochschule Mannheim. Als sie sich für die Europameisterschaften vom Unterricht freistellen lassen wollte, habe sie gemerkt, dass ihre Sportart noch überwiegend unbekannt ist. "Sambo, was ist das denn?", lautete die erste Reaktion der Hochschulleitung.
Während des Trainings zeigt sich, dass Goldhammer nicht nur selbst trainiert. Sie gibt ihr Wissen auch gern an andere weiter und zeigt ihren Trainingspartnern einige Kniffe. Zum Beispiel, wie man sich richtig hinfallen lässt, damit man sich bei einem Wettkampf keine ernsten Verletzungen zuzieht. "Der Arm sollte beim Aufkommen auf den Boden immer ausgestreckt sein", erklärt die Athletin. "Um den Ellenbogen nicht unnötig zu belasten." Wer bei der Vorwärtsrolle sein Bein falsch stellt, spürt das im Knie.
Goldhammer selbst hat diese Tricks im Alter von sechs Jahren gelernt. Trotzdem ist sie überzeugt: "Sambo oder Judo kann man in jedem Alter lernen." Zur Trainingsstunde gehören auch Kraftübungen. Dabei tragen sich die Vereinsmitglieder gegenseitig durch den Raum. Der RNZ-Laie macht selbst mit und stellt fest: Für einen Untrainierten ist das bei Weitem keine leichte Aufgabe.
Nach den Aufwärmübungen beginnen die Sportler mit den Judo- und Sambo-Techniken. Dabei lernen sie auch, was die beiden Sportarten voneinander unterschiedet. "Beim Sambo sind Griffe erlaubt, die beim Judo verboten sind", erklärt Goldhammer. Auch die leicht gebeugte Körperhaltung beim Sambo ist anders als beim Judo. Vor der Teilnahme an Sambo-Turnieren trainieren die Hockenheimer Kampfsportler besonders intensiv. Dass es dabei auch mal ruppiger zugeht, sei völlig normal. "Blaue Flecke gehören dazu", erklärt Michelle Braun, eine Trainingspartnerin von Nataly Goldhammer.
Die hat gerade ihre erste internationale Medaille gewonnen - und hat bereits neue Ziele: "In Paris steht im Juni schon ein neues Turnier an", erzählt Goldhammer. Die nächste Veranstaltung sei dann in Spanien. Während sie von ihrer Zukunft spricht, strahlt die junge Athletin: "Ich freue mich drauf."