Wann werden Besucher wieder die Atmosphäre des Heidelberger Schlosses genießen können? Allein dessen finanzieller Verlust durch die Coronakrise dürfte weit über eine Million Euro betragen. Archivfoto: Kresin
Von Anna Manceron und Carsten Blaue
Heidelberg/Schwetzingen. Der Einschnitt ist historisch. Seit dem 17. März sind alle Schlösser, Burgen, Klöster und Kleinode im Besitz des Landes geschlossen. Kurz darauf wurden auch diejenigen Schlossgärten dichtgemacht, in die man nur mit Eintrittskarte kommt. Etwa in Schwetzingen. Doch wann dürfen die Monumente wieder öffnen? "Das wüsste ich auch gerne", sagt Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten (SSG). Er hofft auf Signale nach dem Abstimmungsgespräch zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag und auf Ergebnisse der nächsten Tagung des Corona-Krisenstabs des Landes. "Anfang nächster Woche haben wir hoffentlich Klarheit", so Hörrmann. Und vielleicht, sagt er, sei ja eine Öffnung noch im Mai möglich. Doch selbst, wenn es so kommt, werde der Einbruch für die historischen Ziele massiv, der Einnahmeverlust mit bis zu 25 Prozent dramatisch. Gerade das Heidelberger Schloss ist davon betroffen. "Wir werden die Riemen enger schnallen müssen", sagt der Geschäftsführer.
"Das ist die massivste Krise, die ich bei den Staatlichen Schlössern und Gärten jemals erlebt habe. Und ich mache diesen Job seit elf Jahren" betont er. Bisher habe man sowohl bei den Besuchern als auch bei den Einnahmen jedes Jahr eine Steigerung verzeichnet. Mit der Corona-Pandemie hat sich das auf einen Schlag geändert. Beispiel Heidelberg: Die Verluste für das Schloss kann man an den Zahlen des Vorjahres ermessen. In den Monaten März bis Mai kamen insgesamt über 260.000 Besucher und ließen an den Kassen rund 1,3 Millionen Euro Eintrittsgelder. Beispiel Schwetzingen: Allein der Schlossgarten hätte im März und April unter normalen Umständen jeweils 35.000 bis 40.000 Besucher angelockt. Wegen der Kirschblüte seien diese beiden Monate immer recht besucherstark, berichtet Hörrmann. Insgesamt zählt der Schwetzinger Schlossgarten jedes Jahr rund 720.000 Besucher.
Die fehlenden Eintrittsgelder bedeuten für die SSG einen herben Verlust. "Durch die Corona-Pandemie rechnen wir in diesem Jahr insgesamt mit mindestens vier Millionen Euro weniger Einnahmen", betont Hörrmann und fügt hinzu: "Es könnten auch deutlich mehr werden."
Auch wenn er als Geschäftsführer in erster Linie die Zahlen im Blick hat, geht die derzeitige Lage auch in emotionaler Hinsicht nicht spurlos an ihm vorbei. "Im Kern unseres Herzens sind wir alle Denkmalschützer", betont Hörrmann. "Unser Hauptinteresse ist es, den Menschen die Teilhabe am kulturellen Erbe zu ermöglichen. Und jetzt sitzen wir auf Preziosen, die die Leute lieben, und wir dürfen sie nicht zeigen." Kürzlich ist er mutterseelenallein durch den blühenden Schwetzinger Schlossgarten gelaufen. "Da blutet einem das Herz", sagt Hörrmann. Und selbst wenn die Schlösser und Gärten wieder öffnen dürfen, rechnet er mit unterschiedlichen Auswirkungen. Das Heidelberger Schloss ("unsere ertragskräftigste Milchkuh", so Hörrmann) leide unter dem Zusammenbruch des internationalen Tourismus. Zahlungskräftige Gäste, die schon abgesagt hätten, würden dieses Jahr auch nicht mehr kommen.
Weniger leiden würden die Ziele, die vom regionalen Tourismus profitieren, also etwa die Schlösser in Schwetzingen und Rastatt oder die Feste Dilsberg: "Da könnten wir sogar Zuwächse haben und hoffen auf Besucher aus ganz Deutschland", sagt Hörrmann. Stichwort: Urlaub daheim. "Die Gäste werden Großartiges vor der eigenen Haustür erleben", verspricht er voller Hoffnung. Wie positiv der Effekt sein könnte, hänge auch von der Durchlässigkeit der Grenzen zu Frankreich und der Schweiz ab. Viele Gäste kämen aus den beiden Nachbarländern. "Und die Niederländer besuchen uns auf der Durchreise." Auch die Entwicklung des Reiseverkehrs gen Süden wird also eine Größe sein. Doch die Verluste bleiben auf jeden Fall. Mit welchen Folgen?
Bislang habe man wegen der Coronakrise noch keine Sanierungsarbeiten verschieben müssen, erklärt Hörrmann. Zumal die SSG nicht unmittelbar selbst Bauunterhalt betreibt. Dafür seien die staatlichen Vermögens- und Bauämter zuständig, erklärt Hörrmann. Das Budget der SSG besteht zur Hälfte aus Steuergeldern, der Rest sind selbst erwirtschaftete Einnahmen. "Wenn wir für die Verluste durch die Coronakrise keinen Ausgleich bekommen, müssen wir unsere Maßnahmen deutlich reduzieren und irgendwo sparen", räumt der Geschäftsführer ein.
Die SSG sind verantwortlich für die Pflege der Schlossgärten und der Inneneinrichtung, sowie für die Verbesserung der Besuchsangebote. Hörrmann hofft nun auf einen finanziellen Ausgleich vonseiten des Landes. Eins steht für den Geschäftsführer aber schon jetzt fest: "Am Erhalt und an der Pflege unserer Denkmäler werden wir als Letztes sparen".
Auch die Arbeitsplätze der SSG-Mitarbeiter seien sicher. "Ernsthafte Sorgen" macht er sich aber um die Pächter, etwa des Shops am Heidelberger Schloss oder der Schloss-Gastronomie: "Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um ihnen zu helfen." Auch für sie hofft Hörrmann auf die baldige Öffnung, die nur mit strikten Vorgaben, wie etwa Abstandsregeln und Mundschutzgebot, zu machen sein wird. "Wir arbeiten massiv an Konzepten, und wir sind schon ziemlich weit." Dazu gehört auch, dass es bis auf Weiteres keine Führungen geben wird. "Denn Abstandsregeln sind hier kaum einzuhalten", erläutert Hörrmann. Für die historischen Monumente gilt: Die Sicherheit für Besucher und Mitarbeiter steht an erster Stelle. So ist es auch im Deutschen Apotheken-Museum im Heidelberger Schloss, dessen Team sich ebenfalls auf den ersehnten Neustart vorbereitet.
Geplant sind neben Maskenpflicht und Mindestabständen auch vorgegebene Laufwege mit getrenntem Ein- und Ausgang, Stationen mit Desinfektionsmitteln und eine Beschränkung der Besucherzahlen in den Räumen der Dauerausstellung. Zudem sollen hier einzelne Bereiche gesperrt werden, in denen der Mindestabstand nicht möglich ist.
Träger ist die Deutsche Apotheken-Museum Stiftung, die sich vor allem aus Spenden, Eintrittsgeldern, Führungsgebühren und Shopeinnahmen finanziert. Entsprechend hart sind die Einbußen auch hier. "Das Besucherdefizit ist immens", sagt Tanja Schädle von der Öffentlichkeitsarbeit des Museums. Bis jetzt seien es etwa 100.000 weniger als im Vorjahr (alleine im März gab es ein Minus von rund 30.650). Zudem mussten 30 Führungen storniert werden: "Und es werden voraussichtlich noch viele weitere folgen", so Schädle.
Wie hoch die finanziellen Einbußen seien, könne man noch gar nicht genau beziffern. Sie umtreiben ähnliche Gedanken wie Hörrmann: "Abgesehen vom finanziellen Defizit haben wir als Museum einen Bildungsauftrag, und es gehört zu unserem Kerngeschäft, Besuchern unsere Ausstellung zu zeigen. Auch aus diesem Grund würden wir uns freuen, bald wieder öffnen zu können."