Von Stefan Hagen
Sinsheim/Rhein-Neckar. Das ist ein ungemein wichtiges Signal in medizinisch herausfordernden Zeiten: Die GRN-Klinik in Sinsheim soll in den kommenden Jahren vollkommen neu strukturiert werden. Geplant sind ein Neubau und "gegebenenfalls umfangreiche Sanierungsmaßnahmen". Die Rede ist von einem voraussichtlichen Investitionsvolumen zwischen 60 und 70 Millionen Euro. Dieses Vorhaben bestätigte Rüdiger Burger, Geschäftsführer der Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH (GRN), gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung.
"Ich bin überzeugt davon, dass unsere Klinik in Sinsheim aufgrund der Lage und der Entfernung zu anderen Kliniken in Zukunft einen noch stärkeren Bedarf im Bereich der stationären und der notfallmedizinischen Versorgung haben wird", sagt Burger und verweist auch auf die Schließung der Gynäkologie und Geburtshilfe in Mosbach. Sein Fazit: "Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft weitere Patienten gewinnen werden."
GRN-Chef Rüdiger Burger. Fotos: Gesundheitszentren Rhein-NeckarDafür sind die Voraussetzungen in der Sinsheimer Klinik aktuell allerdings nicht gegeben. 1957 in Betrieb genommen, ist das Krankenhaus an vielen Stellen sprichwörtlich "in die Jahre gekommen".
Davon ausgenommen ist das neue Bettenhaus der Klinik, das von 2014 bis 2017 errichtet wurde. Laut Burger finden sich hier auf vier Stockwerke verteilt "moderne und großzügige Patientenzimmer mit insgesamt 200 Betten sowie eine moderne Dialysepraxis im Erdgeschoss". Die Baukosten lagen bei rund 30 Millionen Euro, die im Wesentlichen mit einer Landesförderung und einem Zuschuss des Rhein-Neckar-Kreises finanziert werden konnten, betont der Geschäftsführer.
Dann ist aber auch schon Schluss mit der Schwärmerei, denn die Bausubstanz in vielen anderen Gebäudeteilen der Klinik ist – salopp ausgedrückt – eher zum Heulen. "Hier würde eine Sanierung im Bestand scheitern", zeigt sich Burger realistisch. Die einzig denkbare Lösung ist also ein Neubau.
Dann lässt sich der GRN-Geschäftsführer ein wenig in die Karten blicken. Es stehe die Erweiterung und gegebenenfalls Sanierung einer Vielzahl von Funktionsbereichen an, wie beispielsweise die zentrale OP-Abteilung mit sechs Sälen inklusive Aufwachraum. "Seit Jahren steigende Operationszahlen machen diesen Schritt unausweichlich", macht Burger deutlich. Auch eine neue Intensivstation und zusätzliche Intermediate-Care-Betten seien zwingend notwendig. "Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass in Vier-Bett-Zimmern eine adäquate medizinische und pflegerische Versorgung von Schwerstkranken kaum möglich ist", weiß der Experte. Diese Abteilungen würden sich in sanierungsbedürftigen Bestandsbauten befinden.
Aber das ist längst noch nicht alles: Neben einer integrierten zentralen Notaufnahme mit entsprechenden Funktionsräumen werde auch der gesamte Entbindungsbereich im Neubau untergebracht, erläutert Burger. Schließlich sei in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Geburten in der Sinsheimer Klinik von 800 auf 1400 im Jahr 2020 angestiegen.
Hinzu komme, dass durch die Ausweitung der Operationsleistungen in Sinsheim und die Übernahme der Aufbereitung und Sterilisation von Sterilgut beziehungsweise Instrumenten für die Klinik Eberbach auch in diesem Bereich die Kapazitätsgrenzen erreicht seien.
Bereits Mitte 2020 hatte die Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH nach öffentlicher Ausschreibung einen Architektenwettbewerb für die Erweiterung der Klinik Sinsheim durchgeführt. Aufgrund der heterogenen Gebäudestruktur der Klinik – wesentliche Bauteile stammen aus den 50er-Jahren – sei der Wettbewerb als Machbarkeitsstudie ausgelobt worden, erläutert Rüdiger Burger.
Blick auf das Sinsheimer Krankenhaus, dessen Bausubstanz in Teilen noch aus den 1950er-Jahren stammt. Fotos (2): Gesundheitszentren Rhein-NeckarVon den im Teilnahmewettbewerb ausgewählten fünf Architekturbüros hat schließlich die Arcass Planungsgesellschaft mbH aus Stuttgart den Zuschlag für die weitere Planung erhalten. Dieser Entscheidung sei das einstimmige Votum der internen Auswahlkommission vorausgegangen. Der Vorschlag sei außerdem vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg im Auftrag des Sozialministeriums als bester Lösungsansatz eingestuft worden. "Eine reibungslose Erschließung und kurze Wege für Personal, Logistik und Patienten bieten die besten Entwicklungsmöglichkeiten für eine Neustrukturierung der Sinsheimer Klinik" sei das Fazit gewesen.
Der GRN-Aufsichtsrat habe dann im November 2020 der Vergabe der weiteren Planungsleistungen an die Arcass Planungsgesellschaft mbH zugestimmt. Bis zum Sommer dieses Jahres soll der Vorentwurf mit Kostenschätzung und Raumprogramm erstellt werden, nennt Burger weitere Schritte.
"Im Anschluss findet die wichtige Abstimmung mit dem Sozialministerium als Förderbehörde statt", sagt der Geschäftsführer, wohl wissend, dass dies eine "schweißtreibende" Angelegenheit wird. Erst danach könnten konkrete Aussagen über die Kosten und deren Finanzierung getroffen werden. Burger schätzt die Investitionssumme mit einem dicken Fragezeichen auf rund 60 bis 70 Millionen Euro.
Der neue "Funktionsbau", wie der Geschäftsführer das Gebäude bezeichnet, soll auf einem freien Baufeld östlich der Klinik und parallel zum Bettenhaus entstehen. "Der eigentliche Klinikbetrieb kann während der Bauzeit ohne Einschränkungen weiterlaufen", sagt Burger. Es würden keine wesentlichen Interimszustände benötigt, so dass eine kürzere Bauzeit möglich sei. Wenn alle Hürden genommen werden sollten, rechnet Burger mit einem Baubeginn Ende 2022. Einzugsbereit wäre der Neubau dann voraussichtlich Mitte 2025.
Kreispolitiker signalisieren Zustimmung
Bei maßgebenden Politikern aus der Kreispolitik stößt das (teure) Vorhaben auf breite Zustimmung. "Wir müssen die Leistungsfähigkeit unserer Kreiskliniken erhalten", sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Bruno Sauerzapf. Dies sei in Sinsheim dringend notwendig. Auch die Freien Wähler signalisieren eine "grundsätzliche Tendenz" Richtung Einverständnis für diese Investition. Es sei richtig, den Standort zu stärken, sagt Fraktionschef Hans Zellner.
"Wir brauchen im Rhein-Neckar-Kreis eine breit aufgestellte Klinik-Landschaft", betont FDP-Fraktionsvorsitzende Claudia Felden. "Gerade die aktuelle Situation zeigt doch, wie wichtig eine gute Versorgung mit Krankenhäusern ist", betont die Liberale.
Ein Neubau – statt vielfältiger aus Brandschutzgründen nötiger An- und Umbauten im Altbestand – sei für die SPD zustimmungsfähig, sagt Fraktionsvorsitzender Ralf Göck, der auch stellvertretender GRN-Aufsichtsratsvorsitzender ist. Dann nennt Göck im Bezug auf die Investitionssumme noch eine andere Zahl als GRN-Geschäftsführer Rüdiger Burger: "Auf den Finanzierungsvorschlag der Kreisverwaltung für das 80-Millionen-Projekt, den Landrat Stefan Dallinger angekündigt hat, sind wir Sozialdemokraten doch sehr gespannt."