Brachen den ersten Stein aus der Mauer: Oberbürgermeister René Pöltl, Julius, Franziska, Dennis, Pascal, Carina Schneider (Dietmar Hopp Stiftung), Heiko Zillich (Projektleiter des Trägers "habito"), Kathrin, Patrick Alberti (Rhein-Neckar-Kreis), Emine Yildirim ("habito") mit Nimue und Gisela Wrensch ("Pro Down HD"). Foto: Lenhardt
Von Marion Gottlob
Schwetzingen. Die Überraschung war perfekt: Mit einer Spende von 500.000 Euro unterstützt die Dietmar Hopp Stiftung den Bau eines WG-Hauses für junge Menschen mit geistiger Behinderung in Schwetzingen. Beim symbolischen Spatenstich für die WG sagte Carina Schneider von der Stiftung: "Junge Menschen mit einer Behinderung werden mitten in der Gesellschaft leben." Mit dem Projekt wird eine ganz neue Wohnform für Menschen mit einer geistigen Behinderung geschaffen - es handelt sich um ein einmaliges Projekt in der Region und vermutlich in ganz Deutschland. Schwetzingens Oberbürgermeister René Pöltl sagte: "Ich bin glücklich und freue mich für alle, die sich für dieses Projekt einsetzen."
Begonnen hatte alles, als Eltern aus dem Verein "Pro Down HD" einer gemeinsamen Sorge Ausdruck verliehen: Was wird aus Kindern mit geistiger Behinderung, wenn sowohl Eltern als auch Kinder älter werden? Gisela Wrensch und Martina Mehrer vom Vorstand waren sich einig: "Wir brauchen für unsere gut geförderten und in der Region verwurzelten jungen Erwachsenen eine Alternative zum traditionellen Heim." So entstand die Idee, eine WG für diese jungen Menschen zu gründen: Junge Erwachsene mit Handicap sollen so selbstständig wie möglich und so gut betreut, wie nötig leben können.
Vorbild ist das Mehrgenerationenhaus des Vereins "habito" in Heidelberg-Rohrbach, wo Menschen mit und ohne Behinderungen unter einem Dach leben. Emine Yildirim vom "habito"-Vorstand erklärt: "Wir wollen bewusst gestalten, wie das Miteinander in Zukunft aussehen kann." Für das Schwetzinger Projekt taten sich die Vereine "habito" und "Pro Down HD" zusammen.
In einer Bürgersprechstunde konnten Gisela Wrensch und Emine Yildirim OB Pöltl von ihrer Idee überzeugen. Der Gemeinderat beschloss, das Grundstück mit Haus in der Schützenstraße für einen kleinen, symbolischen Betrag in Erbpacht zur Verfügung zu stellen. Für den Abriss des fast 100 Jahre alten Gebäudes gibt es einen städtischen Zuschuss von 50.000 Euro.
Warum ein Abriss? Das alte Gebäude ist eng und verwinkelt, so Projektleiter Heiko Zillich von "habito": "Es hat keinen Fahrstuhl und ist nicht barrierefrei." Nach einem Wasserschaden wurde vonseiten der Stadt schon ein Teil des Gebäudes entkernt. Ein Umbau war nicht möglich. Der Abriss ist anspruchsvoll, weil das Haus an zwei weitere Gebäude grenzt, die abgestützt werden müssen. Architekt Armin Schäfer erklärt: "Der Neubau wird den modernen Richtlinien zum Brandschutz entsprechen." In den oberen Geschossen entstehen die vier Wohnungen für acht junge Erwachsene mit geistiger Behinderung. Jede Wohnung bekommt einen Balkon. Im Erdgeschoss sollen Aktivitäten wie Kochen und Essen stattfinden. Im Untergeschoss entstehen Gemeinschaftsräume, die Vereine und Nachbarn nutzen können. So werden die WG-Bewohner automatisch zu Gastgebern - eine neue Form des Miteinanders und der Inklusion.
Als weiterer großer Sponsor ist die "Aktion Mensch" mit 280.000 Euro für den Wohnbereich und 250.000 Euro für die öffentlichen Räume dabei. Dazu kommen Spenden unter anderem von der Kahane-Foundation, Daimler Pro Cent, dem Lions Club Schwetzingen und der Kolpingsfamilie Schwetzingen und Ketsch. Außerdem gibt es viele Einzelspenden, etwa die Erlöse aus den Benefizkonzerten von Martina Mehrer, von runden Geburtstagen und von Kuchen- und Weihnachtsplätzchen-Verkaufsständen des Vereins "Pro-Down". "Ich bin begeistert", sagte der Behindertenbeauftragte des Rhein-Neckar-Kreises, Patrick Alberti.
Die Bauzeit soll gut anderthalb Jahre betragen, die Kosten sind mit 1,9 Millionen Euro veranschlagt. Die zukünftige Bewohnerin Franziska sagt: "Ich freue mich auf mein neues Zimmer." Statt einem Spatenstich wurde symbolisch ein erster Stein aus einer Mauer gebrochen. Demnächst werden die Bagger anrücken und den Altbau abreißen, damit der Neubau entstehen kann. "Wir empfinden Freude, pure Freude", bekräftigten Gisela Wrensch und Martina Mehrer.