Der Jungbusch, hier die Beilstraße, ist ein Stadtteil der Gegensätze. 5000 Menschen aus 150 Nationen leben im Viertel. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die kurze Szene aus dem Theaterstück "Feuerbrand" der Creative Factory ist derart authentisch, dass sie sich so auch im Jungbusch zutragen könnte. Hier der profitgierige Immobilienhai im feinen Zwirn, der Altbauten aufkauft, aufwendig saniert und gut betuchte Bürger in den Kiez lockt - dort alteingesessene Einwohner aus ärmeren Schichten, die sich ungerecht behandelt fühlen und wegen rasant steigender Mieten ihr geliebtes Viertel verlassen müssen.
Abstiegsängste, Verdrängung, Spannungen unter den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen - das ist inzwischen Alltag im Jungbusch. Die Stimmung steht auf der Kippe, der soziale Kitt droht zu zerbröseln. Damit das nicht passiert, treffen sich Einwohner und Behördenchefs zu einer gut besuchten Stadtteilversammlung in der Jungbuschhalle.
Petar Drakul, persönlicher Referent von Oberbürgermeister Peter Kurz und Leiter einer Steuerungsgruppe im Rathaus, gibt gleich zu Beginn die Richtung vor: Danach soll noch im Laufe des Jahres eine Vereinbarung ausgearbeitet werden, in der sich sämtliche Akteure - Einwohner, Gastronomen, Investoren, Kulturschaffende, Moscheeverbände, Kirchen - auf bestimmte Ziele einigen, die ein besseres Miteinander ermöglichen. Eine gute Nachricht hat Drakul bereits im Gepäck: Der beliebte Nachtwandel wird auch in diesem Jahr wieder stattfinden.
Erfolgreich war zudem die Einführung der gebührenpflichtigen Gehwegreinigung, die den Jungbusch sauberer gemacht hat. Von einem Aufwärtstrend spricht Hermann Genz, Leiter des Fachbereichs Arbeit und Soziales bei der Stadt. Danach sei heute "nur" noch jeder fünfte Einwohner im einstigen Rotlichtbezirk arbeitslos, früher sei es jeder Dritte gewesen. Das Jobcenter im Jungbusch leiste ganze Arbeit und vermittle pro Jahr 300 Menschen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dass der Redebedarf dennoch hoch ist, zeigt sich bei den anschließenden und teils sehr kontrovers geführten Diskussion an vier Thementischen.
Vor allem bei "Wohnen im Jungbusch" kochen die Emotionen hoch. Umstritten ist, wie sich der Begriff "soziale Durchmischung" definieren lässt. Karl-Heinz Paskuda, Vorsitzender des Mannheimer Mietervereins, bringt es auf die einfache Formel: "Reiche Menschen in den Jungbusch rein, arme Menschen raus." Niemand käme auf die Idee, die Bevölkerung im Villenviertel der Oststadt "durchmischen" zu wollen. Das Problem sei, dass Investoren wie Hildebrandt & Hees Wohnungen sanierten und zu Quadratmeterpreisen zwischen 10,50 und 13,50 Euro vermieteten. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG hätte viel früher Immobilien aufkaufen müssen.
Die Angegriffenen wehren sich. Hildebrandt & Hees-Geschäftsführer Marcel Hauptenbuchner kontert, einige der 23 erworbenen Häuser hätten jahrelang leer gestanden und seien so marode gewesen, dass sie irgendwann vom Wohnungsmarkt verschwunden wären. Die Sanierung der Immobilien sei kostspielig, "und natürlich wollen wir auch unser Geld verdienen." Zugleich betont Hauptenbuchner ein langfristiges Interesse seines Unternehmens im Jungbusch mit einem breiten Mietermix. Drakul sagt später, dass es in Gesprächen mit Hildebrandt & Hees gelungen sei, so manche Kündigung eines Mietverhältnisses im Quartier zu verhindern.
Die GBG besitze 230 Wohnungen im Jungbusch, sagt ihr Geschäftsführer Karl-Heinz Frings. Rund 500 Menschen lebten darin, in 90 Prozent des Bestands liege der Quadratmeterpreis deutlich unter dem Mietspiegel. Die GBG saniert gerade ein Mehrfamilienhaus in der Beilstraße, ein anderes in der Hafenstraße will die Gesellschaft abreißen und durch ein neues ersetzen. In beiden Objekten soll die Miete bei 7,50 Euro pro Quadratmeter liegen. "Mehr können wir aktuell nicht tun", sagt Frings.