Gut 23 Millionen Mal wurde die Corona-Warn-App heruntergeladen. Nicht oft genug. Foto: dpa
Mannheim. (RNZ) Mehr als 23 Millionen Mal ist die Corona-Warn-App der Bundesregierung laut Robert-Koch-Institut seit ihrer Einführung im Juni herunter geladen worden. Damit sie ihren Sinn erfüllt, müssten epidemiologischen Modellen zufolge mindestens 56 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger die Anwendung nutzen. Bei gut 83 Millionen Einwohnern in Deutschland wären das mehr als 46 Millionen. Warum die Corona-Warn-App ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt, beleuchtet nun eine wissenschaftliche Studie der Universität Mannheim unter der Leitung von Professorin Annelies Blom.
Die Studie der Datenwissenschaftlerin zeigt, dass zwar etwa 81 Prozent der Menschen in Deutschland im Alter zwischen 18 und 77 Jahren ein Smartphone besitzen, auf dem die App verwendet werden kann, und in der Lage sind, diese zu installieren. Doch waren im Juni nur 35 Prozent der Bevölkerung auch bereit, die App tatsächlich zu nutzen.
Was die Menschen davon abhält, beleuchtet die Studie mit Blick auf zwei besonders relevante Bevölkerungsgruppen: ältere Menschen mit Vorerkrankungen, die ein hohes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken, und daher früh gewarnt werden sollten. Und Menschen mit vielen privaten und beruflichen Kontakten, die im Falle einer Erkrankung das Virus wahrscheinlich stark verbreiten würden.
Laut Studie hadert die Hochrisikogruppe vor allem mit der Technik. Lediglich 62 Prozent der Älteren mit Vorerkrankungen besitzen ein entsprechendes Smartphone und sind in der Lage, die Corona-App zu installieren. Allerdings: Diejenigen unter ihnen, die sie installieren können, zeigen auffallend hohe Akzeptanzraten für die App. Dennoch kommt diese Gruppe insgesamt lediglich auf 36 Prozent Nutzung der App. "Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Politik gut darüber nachdenken sollte, ob man für Menschen mit hohem Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, eine einfachere Alternative zum Smartphone zur Verfügung stellen sollte", meint Studienleiterin Blom. "Das könnte beispielsweise ein digitales Armband sein, das mit den Funktionen der Corona-Warn-App ausgestattet ist."
Für Personen mit hohem Potenzial, das Virus zu verbreiten, stellt der Zugang zu Smartphones dagegen keine große Hürde dar. Mehr als 90 Prozent von ihnen besitzen die entsprechenden Geräte und Fähigkeiten. Doch sind laut Studie nur 31 Prozent von ihnen bereit, sie zu installieren und korrekt zu nutzen. "Auch hier zeigt sich, dass man sich eine andere, gezielte Herangehensweise überlegen sollte", so Blom. "Die simple Botschaft ‚Installiert die App!‘ reicht einfach nicht". Effektiver seien etwa finanzielle Anreize oder eine gezielte Medienansprache.
"Die Einführung der Corona-Warn-App wurde leider als ein rein technisches Problem verkannt, das Informatiker lösen sollten", meint die Wissenschaftlerin. "Wir wissen aber aus der sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Forschung viel über die Akzeptanz von Apps. Diese Erkenntnisse jetzt anzuwenden, könnte auch zu höheren Nutzungsraten führen."
Interessant sind diese Erkenntnisse auch im Kontext weiterer Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie: Fast ein Viertel der Bevölkerung würde eine digitale Kontaktverfolgung auch ohne Zustimmung der Beteiligten befürworten. "Ich finde das sehr viel, gerade im Vergleich mit der niedrigen Akzeptanz der Corona-Warn-App", so Blom. "Diese Zahl lässt vermuten, dass die viel diskutierten Datenschutzbedenken im Kontext der Corona-Bedrohung für viele Menschen eine weniger große Rolle spielen als das Potenzial, die Epidemie mit digitalen Mitteln einzudämmen."