Eismaschine verwandelt Meerwasser in Trinkwasser
Lars Erlbeck von der Hochschule Mannheim hat die Anlage entwickelt. Sie kann auch in kleinem Maßstab betrieben werden.

Von Gerhard Bühler
Mannheim. Mit einer selbst konstruierten "Eismaschine" hat ein junger Ingenieur der Hochschule Mannheim einen Weg gefunden, Meerwasser in Trinkwasser zu verwandeln. Betrieben mit Solarstrom, könnte die auch in kleinem Maßstab funktionierende Erfindung die Lebensgrundlage von Menschen an vielen Orten der Welt stark verbessern, glaubt Lars Erlbeck.
Herr Erlbeck, einfach formuliert, wie machen Sie aus salzhaltigem Meerwasser Trinkwasser?
Das Prinzip ist an sich schon lange bekannt. Beim Gefrieren von Salzwasser trennen sich die gelösten Salze vom Wasser. Nur die Wassermoleküle werden zu Eis. Der Salzanteil wird aus der entstehenden Kristallstruktur gedrängt. Neben dem Wasser-Eis bleibt eine salzhaltige Flüssigkeit, eine Sole.
Und so funktioniert Ihr Versuchsaufbau an der Hochschule?
Ja. Nur, dass wir den Vorgang etwas beschleunigen. Das Salzwasser fließt in eine Tonne und wird dort gefroren. Eine Transportschnecke darin dreht sich, kratzt Eis ab und bringt es nach oben. Den Eisbrei kann man sich vorstellen wie Slush-Eis für Kinder. Der wird jetzt mit viel Druck zusammengepresst. Das Eis wird zum Block komprimiert. Die Salzlösung fließt dabei nach unten ab. Der gepresste Eiskern bleibt als Trinkwasser.
Hintergrund
> Lars Erlbeck stammt aus Chemnitz und kam 2008 zum Studium der Chemietechnik nach Mannheim. 2014 begann er im Rahmen einer kooperativen Promotion zum Doktoringenieur zwischen Hochschule Mannheim und TU Berlin das neue Verfahren zur Meerwasserentsalzung für Kleinanlagen
> Lars Erlbeck stammt aus Chemnitz und kam 2008 zum Studium der Chemietechnik nach Mannheim. 2014 begann er im Rahmen einer kooperativen Promotion zum Doktoringenieur zwischen Hochschule Mannheim und TU Berlin das neue Verfahren zur Meerwasserentsalzung für Kleinanlagen entwickelt. Der 37-Jährige läuft gern Marathon und ist Fan des SV Waldhof. Das Forschungszentrum CeMOS (Center for Mass Spectrometry and Optical Spectroscopy) der Hochschule Mannheim ist mit 75 Mitarbeitern aktuell das größte interfakultäre Forschungszentrum des Landes Baden-Württemberg. ger
Meerwasseer-Entsalzungsanlagen zur Gewinnung von Trinkwasser gibt es ja schon in vielen Ländern. Welchen Vorteil kann ihre Eismaschine da überhaupt noch bieten?
Es gibt bisher zwei Verfahren. Beide erfordern sehr große Anlagen und viel Energie. Wassergewinnung und Entsalzung durch Verdampfen wird zum Beispiel bei Kraftwerken und Raffinerien im Nahen Osten praktiziert, wo Erdöl und Erdgas sehr günstig sind. Dazu gibt es das Verfahren der Umkehrosmose, das etwa auf Fuerteventura angewandt wird, verbunden mit Windparks. Vereinfacht gesagt wird Meerwasser dabei unter hohem Druck durch eine Membran gepresst, die Salzmoleküle werden ausgefiltert. Im Unterschied dazu kann meine Anlage in kleinem Maßstab gebaut und mit Solar- oder Windstrom betrieben werden. Es müssen keine fossilen Energieträger verbrannt oder Chemikalien zur Vorbereitung eingesetzt werden.
Gibt es neben dem positiven Effekt für die Umwelt noch andere Vorteile?
Es wäre überall da einsetzbar, wo große Anlagen nicht in Frage kommen. Etwa auf Inseln, wo Trinkwasser hintransportiert werden muss. Für Dörfer und größere Hotelanlagen am Meer. Oder für Siedlungen irgendwo in Afrika. Außer Meerwasser kann auch verschmutztes Flusswasser mit dem Verfahren gereinigt werden. Diese Effekte werden an der Technischen Universität Berlin untersucht.
Sie haben dieses Projekt im Rahmen Ihrer Doktorarbeit umgesetzt. Im Dezember gab es dafür den Titel Doktoringenieur. Wie geht es weiter?
Wir wollen das Projekt jetzt in einem etwas größeren Maßstab für die praktische Anwendung bis zur Marktreife weiterentwickeln. Es ist noch Forschungsarbeit nötig, um alle Parameter in diesen größeren Maßstab zu übertragen. Die Anlage soll in einen 20-Fuß-Container passen. Ein Patent für Europa ist angemeldet worden. Inzwischen gibt es dafür auch Projektpartner wie den Kältebauer Wittmann aus Haßloch, das Solar-Info-Zentrum aus Neustadt oder den Apparatebauer Harnisch aus Meckesheim. Die Koordination liegt hier im Forschungszentrum CeMOS der Hochschule.
Wie hat sich Corona ausgewirkt?
Es gab eine Weile Stillstand, da waren keine Versuche möglich. Die Corona-Pandemie hat schon ein wenig Sand ins Getriebe gebracht. Das Projekt läuft offiziell noch ein halbes Jahr. Wir bräuchten wohl eine Verlängerung. Ich würde das gern weiterentwickeln.
Wie sehen Sie die Marktchancen?
Mit steigenden Preisen für fossile Brennstoffe und CO2-Emissionen wird die Methode attraktiver. Interessenten und Kunden gäbe es sicher genug, das Ganze muss aber für sie bezahlbar bleiben. Ich bin positiv, dass das gelingen wird.