Von Willi Berg
Mannheim. Ein katholischer Priester muss sich seit Dienstag vor der Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer verantworten. Dem früheren Lahrer Dekan wird unter anderem vielfacher Betrug vorgeworfen. So soll er einen Caritasverband, eine Ordensgemeinschaft sowie ein Pfarramt insgesamt um eine sechsstellige Summe geschädigt haben. Er könne mit Geld nicht umgehen, sagte der Angeklagte zum Prozessauftakt. Verteidiger Edgar Gärtner beschreibt ihn als "bemerkenswerten Mann". Der 54-Jährige sei "hochintelligent und weiß, was er tut". Und: "Er ist nicht frei von Sünde."
Der größte Schaden soll dem Caritasverband Lahr entstanden sein, den der Theologe leitete. Und das ehrenamtlich und somit ohne Vergütung. "Er war nicht berechtigt, eigene Leistungen in Rechnung zu stellen," sagte Oberstaatsanwalt Uwe Siegrist. Dennoch soll er auf krummen Wegen jahrelang unrechtmäßig Honorare kassiert haben. So habe er "eigenhändig" 72 Rechnungen am Computer erstellt - unter dem Briefkopf zweier ausländischer Firmen. Für angebliche externe Fremdleistungen wie IT-Beratungen. Und das obwohl "überhaupt keine werthaltigen Leistungen über sein Ehrenamt hinaus zugrunde lagen".
Dennoch habe der Angeklagte die Rechnungen abgezeichnet und der Buchhaltung zur Zahlung freigegeben. In der Folge soll der Caritasverband von 2012 bis 2017 fast 200.000 Euro auf Konten in Estland und Großbritannien überwiesen haben. Davon seien 164.000 Euro an den Geistlichen zurückgeflossen. Was niemand ahnte: Der Mann war offenbar zu 50 Prozent an der Muttergesellschaft jener beiden Firmen beteiligt. Die andere Hälfte des Unternehmens soll einem Freund des Priesters gehören.
Damit nicht genug: Für eine von ihm betreute Pilgerfahrt soll er vom Caritasverband Lahr fast 17.000 Euro erhalten und privat verwendet haben. Für angebliche Auslagen, für die "jede Grundlage fehlte".
Geschädigt wurde laut Anklage auch eine Ordensgemeinschaft in Mannheim. So hatte der Ursulinen-Convent für ein Projekt der Caritas in Spanien insgesamt 21.000 Euro gespendet. Das Geld habe der Angeklagte "innerhalb weniger Tage für private Zwecke verbraucht". Zuletzt soll er sich aus der Kasse des Lahrer Pfarramtes bedient und 2400 Euro privat verwendet haben.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm 88 Fälle des Betruges in Tateinheit mit Untreue und Urkundenfälschung vor. Ein Betrag von 210.000 Euro sei einzuziehen.
Früher gehörte der Angeklagte dem Orden der Jesuiten an, den er nach einigen Jahren wieder verließ. Weil er mit den Gelübden wie Armut und Gehorsamkeit nicht klarkam. "Das hat für mich nicht gepasst." Als Jesuit habe er nur ein Taschengeld von 100 Euro erhalten. Das änderte sich, als er nach seinem Austritt aus dem Orden im Jahr 2004 Pfarrer und 2012 Dekan in Lahr wurde.
Doch sein Gehalt von rund 3500 netto reichte ihm offenbar nicht aus. Und so arbeitete er zudem freiberuflich als Unternehmensberater. Zu den Kunden gehörten unter anderem eine Tochterfirma der Bahn und zuletzt ein Krankenhaus. Die Klinik habe ihm bis zu 1800 Euro pro Tag gezahlt. Im Monat habe er zwischen 8000 und 15.000 Euro brutto zur Verfügung gehabt. Er habe davon "nichts Großes" gekauft und Freunde unterstützt. "Es ist raus- wie es reingekommen ist", sagte der Theologe. Und: "Ich kann mit Geld nicht umgehen."
Er sei davon ausgegangen, nebenbei als Unternehmensberater arbeiten zu dürfen. Das sei mit dem Personalreferenten und späteren Erzbischof Robert Zol-litsch besprochen worden. In einem Schreiben von Zollitsch, das dem Gericht vorliegt, klingt das anders. Demnach waren "weitere Mandate nicht vorgesehen".
Zum 1. September 2017 ließ sich der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen von seinen Aufgaben entpflichten. Mitte Dezember wurde er festgenommen und sitzt seither wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Erzbischof Stephan Burger zeigte sich damals tief betroffen. In einem in den Gottesdiensten des Dekanats verlesenen Brief schrieb er: "Mutmaßlich hat ein Priester unserer Diözese ausgerechnet kirchliche Institutionen geschädigt; das tut mir in der Seele weh." Zwar verabscheuten Christen die Sünde. "Den Sünder aber, den Menschen, wollen wir lieben und der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen."
Für den Prozess sind 20 Tage anberaumt. Ein Urteil ist für Ende November geplant.