Von Alexander Albrecht
Mannheim. Ein Mietverhältnis und die Folgen: Der SPD-Fraktionschef und designierte Baubürgermeister Ralf Eisenhauer hat in einer sehr persönlichen Erklärung sprichwörtlich die Hosen runtergelassen, sein Arbeitgeber, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG, bestätigt die Aussagen des Genossen. Dennoch macht die CDU weiter Druck und fordert Aufklärung. Versuch einer Rekonstruktion.
Eisenhauer sitzt seit 2004 für die SPD im Gemeinderat, 2011 übernahm er den Fraktionsvorsitz. Ein Jahr später wechselt er von einer Frankfurter Firma zur GBG. Eisenhauer arbeitet aber nicht direkt für die städtische Gesellschaft, sondern für deren Tochterunternehmen: die MWSP. Dort leitet er ein kleines Team, das unter anderem den Rückbau ehemaliger US-Militärflächen betreut.
Ralf EisenhauerAm 3. November will sich Eisenhauer als Nachfolger von Lothar Quast zum neuen Bau- und Verkehrsbürgermeister wählen lassen. Die SPD hat nach einer Vereinbarung mit der CDU und den Grünen das Vorschlagsrecht, eigentlich eine klare Sache – wenn da nicht die Vorwürfe wären. Eisenhauer sagt, er habe sich bereits im November 2011 nach einem Reihenhaus der GBG für sich und seine Familie im sogenannten "Centro Verde" erkundigt. Und erhielt zunächst eine Absage, denn die betreffende Immobilie war damals für einen Kaufinteressenten reserviert.
Im März 2012 sei er dann nochmals bei der GBG vorstellig geworden und habe erfahren, dass der Interessent inzwischen abgesprungen war. Also hätten sich er und seine Frau für das Objekt beworben – zur Miete. Mitte November zog die Familie ein. Als GBG-Mitarbeiter erhielt Eisenhauer einen Mietnachlass von monatlich 90 Euro.
Die CDU zitierte in der vergangenen Woche aus der E-Mail eines anonymen Bürgers, der 2011 ebenfalls Interesse an dem Haus gezeigt und ebenfalls mitgeteilt bekommen habe, dass das Objekt reserviert sei. Ein Widerspruch zu Eisenhauers Aussage ist hier nicht zu erkennen. Für die Christdemokraten erhärtet sich dennoch der Verdacht, dass Eisenhauer die Immobilie exklusiv anmieten konnte. Zumal die 40 umliegenden Häuser in dem Viertel verkauft wurden.
Der GBG ist die E-Mail bekannt. Es gehe daraus aber nicht hervor, dass sich die Nachfrage auf ein ganz bestimmtes Objekt beziehe, teilt ein Sprecher mit. Tatsächlich habe es im März 2012 dann aber keinen Kauf-, sondern nur noch einen registrierten Mietinteressenten gegeben: Ralf Eisenhauer. GBG-Chef war seinerzeit Wolfgang Bielmeier, früher auch SPD-Stadtrat. Er sei mit der Angelegenheit nicht unmittelbar befasst gewesen, sondern sein Prokurist.
Er bestätigt gegenüber der RNZ aber die damalige Vermarktungspraxis: "Wenn ein Objekt nach einer bestimmten Zeit nicht verkauft werden konnte, wurde es zur Miete freigegeben." Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass keine Anzeigen geschaltet wurden und Eisenhauer den Zuschlag bekam. Bielmeier glaubt nicht an Mauscheleien und verweist darauf, dass Mannheim in diesen Jahren eine "schrumpfende Stadt" gewesen sei.
Im Zeitraum 2012/2013 seien – heute undenkbar – rund 2000 Wohnungen der GBG leergestanden. Man sei über jeden Mitarbeiter froh gewesen, der damals eine firmeninterne Wohnung bezogen habe, verbunden mit kleinem steuerlichem Bonus. Die CDU glaubt weiterhin, dass sich Eisenhauer aufgrund seiner politischen Stellung einen Vorteil verschaffen konnte, indem er "augenscheinlich" exklusiv und an allen weiteren Interessenten vorbei ein Objekt zur Miete zugeschachert bekommen habe, "das bis zu diesem Moment zum Verkauf vorgesehen war", wie es in einer Stellungnahme heißt. Letzteres dementiert Bielmeier. Der CDU-Kreisvorsitzende Nikolas Löbel war vor Eisenhauer in die Kritik geraten, weil er – zu Unrecht – zwei seiner Mieter "in Drehscheibenwohnungen" der GBG untergebracht hat. Daran erinnern einige der von der RNZ befragten Fraktionen. Ein Überblick:
> SPD: "Das Thema ist für uns endgültig erledigt", sagt der Kreisvorsitzende Stefan Fulst-Blei. Er spricht von "nachweislich haltlosen Andeutungen", die Vorwürfe gegen Eisenhauer entbehrten nach dessen "sehr transparenter Offenlegung seines Mietverhältnisses" und der Stellungnahme der GBG jeder Grundlage. Der SPD-Fraktionschef habe auch bei diesem "ungerechtfertigten Stresstest" durch sein korrektes und souveränes Auftreten gezeigt, "dass er neben der unbestrittenen fachlichen Eignung auch das persönliche Format besitzt, um als Dezernent mit vollem Einsatz für unsere Heimatstadt zu arbeiten", so Fulst-Blei.
> Mannheimer Liste: "Wir sind von einer Vorverurteilung und einer abschließenden Meinungsbildung weit entfernt", sagt Fraktionsgeschäftsführer Roland Weiß. Die Vorwürfe gegen Eisenhauer müssten allerdings mit "allergrößter Sorgfalt" aufgeklärt werden. Falls das bis zur Dezernentenwahl am 3. November nicht möglich sei, müsse auch in Betracht gezogen werden, diese zu verschieben. "Aus heutiger Sicht und der Situation der weder belegten noch widerlegten Vorwürfe könnte unsere Fraktion Eisenhauer nicht unterstützen", erklärt Weiß.
> Grüne: "Wir sind Ralf Eisenhauer für seine Offenheit und Stellungnahme dankbar", teilt die Vorsitzende der größten Gemeinderatsfraktion, Melis Sekmen, mit. "So lange keine konkreten und ihn persönlich belastenden Informationen vorliegen, haben wir keine Bedenken bei der anstehenden Dezernatswahl."
> Li.Par.Tie: Fraktionsgeschäftsführer Stephan Bordt sieht in den "Unterstellungen" gegen die GBG und Eisenhauer "vor allem eine billige Retourkutsche" der CDU für die "mehr als berechtigte Kritik" an Nikolas Löbels Agieren als Immobilienunternehmer. Eisenhauer habe mit seiner schriftlichen Erklärung gegenüber dem Gemeinderat alle Fragen "glaubwürdig beantwortet, die man in diesem Zusammenhang überhaupt stellen kann".
> FDP/MfM: "Wir werden im Aufsichtsrat nachhaken", kündigt Fraktionschefin Birgit Reinemund an. Sollte es Ungereimtheiten gegeben haben, müsse die GBG Aufklärung betreiben, um Schaden für die städtische Tochtergesellschaft abzuwehren. "Ansonsten wundert es uns schon, dass gerade jetzt die seit Langem bekannte Wohnsituation von Ralf Eisenhauer hochgekocht wird", erklärt Reinemund weiter.
Das Reihenendhaus ist in diesem Jahr verkauft worden. Zu einem guten Preis, wie es heißt. Eisenhauer und seine Frau haben im Januar eine kleinere Drei-Zimmer-Dachgeschosswohung der GBG angemietet.