Mannheim

Positive Anreize für mehr Akzeptanz

Sozialwissenschaftlerin Annelies Blom erforscht menschliche Verhaltensweisen in der Pandemie.

29.01.2021 UPDATE: 30.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden
Initiierte die Mannheimer Corona-Studie: Annelies Blom. Foto: Anspach

Von Stephen Wolf

Mannheim. Mit Pragmatismus gegen Pandemiemüdigkeit – so lässt sich das Credo der Mannheimer Sozialwissenschaftlerin Annelies Blom auf den Punkt bringen. Um die Akzeptanz von Maskenpflicht, Homeschooling und etwa Ausgangsbeschränkungen in der Bevölkerung zu bewahren, sei ein Umdenken nötig. "Es werden so gut wie keine Anreize dafür geschaffen, dass Menschen die Regeln weiterhin ernst nehmen oder spezielle Angebote nutzen", kritisiert die Professorin für Politikwissenschaft und Data Science.

Ein Beispiel dafür sei die Corona-App. Um deren Akzeptanz zu erhöhen, plädiert Blom für positive Anreize. So wäre es etwa sinnvoll, für das Herunterladen der App bestimmte Vorteile anzubieten. "Dabei könnte es sich etwa um kleinere Geldbeträge für den Download oder die regelmäßige Nutzung handeln, aber auch um die individuelle Aufhebung von einschränkenden Maßnahmen", sagt die Professorin. Würden Nutzern beispielsweise fünf Euro gutgeschrieben, könne die Motivation steigen. Volkswirtschaftlich sei das vertretbar, zumal sich auf diese Weise beispielsweise Infektionsketten leichter nachverfolgen ließen.

Blom und ihr Team haben ein Papier zum Thema veröffentlicht. Demnach waren vor einigen Monaten gerade einmal 35 Prozent der deutschen Bevölkerung im Alter von 18 bis 78 Jahren bereit, die Warn-App zu nutzen. Viel dürfte sich daran kaum geändert haben. Daten legten nahe, dass gesetzlicher Zwang, beispielsweise bei der Warn-App wenig bewirken würde.

Zuletzt hatte sich das Freiburger Centrum für Europäische Politik (cep) in diesem Sinne geäußert. Mit Blick auf die hohen Zahlen der Corona-Infektionen sei eine verpflichtende Nutzung von Corona-Warn-Apps innerhalb der Europäischen Union vertretbar, hieß es in einer entsprechenden Mitteilung Mitte Januar. Das sieht die 42-Jährige kritisch. Zum einen sei es schwierig zu kontrollieren, wer eine solche Vorschrift überhaupt einhält. "Zum anderen müsste die Politik bei einer solchen Regelung mit massivem Protest rechnen", sagt sie. Im Wettlauf gegen das Coronavirus sei die gesellschaftliche Akzeptanz besonders wichtig. Gescheitert sei die App nicht, weil die Technik unausgereift gewesen sei oder wegen möglicher Datenlecks. Problematisch sei, dass die Diskussion auf technische Probleme und den Datenschutz verengt worden sei. Das habe Akzeptanz verringert. Ein grundsätzliches Problem, wie sie hinzufügt. Stellen Menschen den Sinn geforderter Verhaltensänderungen infrage, lassen sich Infektionszahlen nicht in den Griff bekommen.

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Blom und ihr Team haben zu Beginn der Pandemie mit der Mannheimer Corona-Studie täglich Einschätzungen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie vorgelegt. Die Daten werden inzwischen intensiv ausgewertet. "Wir können aufgrund unserer Erhebungen abschätzen, wie Menschen langfristig auf Ausgangssperren reagieren oder welche Auswirkungen durch die Schließung von Schulen oder Geschäften zu erwarten sind", sagt Annelies Blom.

Die Datenwissenschaftlerin hat in Utrecht und Oxford Sozial- und Politikwissenschaften studiert und leitet das "German Internet Panel", eine seit 2012 zweimonatlich stattfindende Befragung von über 5000 Erwachsenen. Solche wissenschaftlichen Erhebungen müssten von der Politik stärker in Betracht gezogen werden, fordert sie. Das geschieht zumindest aus Sicht der Bundesregierung in ausreichendem Umfang. Mit Blick auf "Akzeptanz und Kommunikation" stehe man in engem Austausch mit verschiedenen Wissenschaftlern, teilt ein Regierungssprecher mit.

Aus Sicht des Berufsverbands Deutscher Soziologen gibt es aber noch Luft nach oben. "In der Tat scheint die Beratung der Bundesregierung hauptsächlich durch die medizinische und die juristische Profession bestimmt", gibt Carsten Stark vom Vorstand des Verbands zu bedenken. Dabei setze die Politik vornehmlich auf sachliche Aufklärung. Man gehe davon aus, dass der aufgeklärte Bürger den Vorgaben der Bundesregierung letztlich nur zustimmen könne. Das setze aber Vertrauen in die Politik und vor allem Vertrauen in Experten voraus. Das aber gehe an der sozialen Realität vorbei und missachte den Umstand, dass Vertrauen stetig neu geschaffen werden muss, betont der Soziologe.

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