Die „Borelly-Grotte“, wie die Unterführung im Volksmund in Anlehnung an den ehemaligen Stadtoberbaudirektor Wolfgang Borelly genannt wird, ist seit vielen Jahren verwaist. Foto: vaf
Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Vom Stadthaus bis zum Collini-Center reichen die architektonischen Makel der Mannheimer Vergangenheit. Ein besonders schlimmer Fall ruht vor dem Hauptbahnhof unter der Erde: die Fußgängerunterführung, im Volksmund "Borelly-Grotte" genannt. Schon vor drei Jahren hatte der Gemeinderat deren Ende beschlossen.
Für 800.000 Euro sollte die unliebsame Passage unter dem Kaiserring zugeschüttet und das alte, gefährliche Baumaterial entsorgt werden. Das erklärte Ziel damals: schnelle Bauarbeiten. Wer heute dort vorbeiläuft, bemerkt rasch: Der Schandfleck bleibt hartnäckig. Jetzt wagt die Kommune einen neuen Anlauf. Spätestens bis zur Bundesgartenschau 2023 soll das letzte Stündlein der Bausünde geschlagen haben.
Als Einkaufspassage am Kaiserring vor mehr als einem halben Jahrhundert eröffnet, entwickelte sich die unterirdische Durchquerung im Laufe der Jahrzehnte zum schummrigen Treff lichtscheuer Personen. Rolltreppen und Fahrstühle waren meist defekt, und Passanten trauten sich nur noch tagsüber hinein. Drogendelikte häuften sich, selbst eine Vergewaltigung ist dort protokolliert. Polizisten mit Hunden und Helmen mussten bei Nacht immer öfter anrücken, um für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Als 1980 der letzte Laden schloss, wurden alle Reanimationsversuche eingestellt.
Allerdings nur, um sie vier Jahre später mit einem Wettbewerb zur Neugestaltung erneut aufzunehmen. Neun Vorschläge gab es damals, keiner wurde Wirklichkeit – aus Kostengründen. Zuletzt war die "Borelly-Grotte" Heimat zwielichtiger Nachtlokale. Alles in allem kosteten die missglückten Kosmetikversuche an dem unwirtschaftlichen Objekt bislang über neun Millionen Euro.
Das hässliche Entree zur City endgültig verschwinden zu lassen, ist eine Herkulesaufgabe. Die Entkernung sowie der Rückbau der Rolltreppen und Aufzüge seien inzwischen geschafft, teilt ein Stadtsprecher auf Anfrage mit. Ende 2019 habe das Immobilienmanagement der Stadt die Arbeiten beendet. Gerüste und Holzabdeckungen verschandeln allerdings auch die nächsten Jahre den Blick. Aus gutem Grund, so der Sprecher weiter. Weil der Bahnhofsvorplatz im Vorfeld der Buga bis 2023 moderner wird und statt drei nun vier Straßengleise kommen, ändern sich auch die Lasten gewaltig, die auf die Konstruktion der alten Unterführung einwirken würden.
Der jüngste Lösungsansatz: Die komplette Passage wird nun tatsächlich zugeschüttet. Hierbei würde die bestehende Betonkonstruktion erhalten bleiben und die "Grotte" verfüllt. Auch ein neuer Gehweg entsteht. Bei dieser Variante soll man oberirdisch von der Fehlkonstruktion nichts mehr erkennen können, verspricht das Dezernat V. Und es würden auch keine laufenden Kosten für zusätzliche Prüfungen oder Instandsetzungsmaßnahmen entstehen.
Dieser Plan wird demnächst den Stadträten zur Entscheidungsfindung vorgestellt. Falls sie zustimmen, beginnt die detaillierte Planung durch die RNV. Der Termin: voraussichtlich Sommer 2021. Solange dienen die Bretterzäune Sprayern noch als Leinwand. Denn, um das Füllmaterial einbringen zu können, werden alle vier Treppenzugänge benötigt. Eine dauerhafte Verschließung der Zugänge im Vorfeld ist in den Augen der Planer "unwirtschaftlich".