Von Volker Endres
Mannheim. Vor dem Landgericht wurde am Dienstag der Prozess gegen den ehemaligen Leiter eines Pflegediensts fortgesetzt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Betrug in 16 Fällen. So habe der Pflegedienst teilweise nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt und außerdem vorgeschriebene Betreuungsschlüssel nicht eingehalten. Den Krankenkassen sei dadurch ein Schaden von rund 360.000 Euro entstanden.
In Teilen räumte der Mann jetzt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein. So habe sein Unternehmen zwischen Mai und Dezember 2016 einen Patienten in einer Einrichtung in Bad Rappenau gepflegt, für den eigentlich eine Intensivbetreuung vorgesehen war. "Wir sind damals davon ausgegangen, dass es sich lediglich um einen Kurzzeitpatienten handelt", erklärte der Mann, der sich erstmals zu den Tatvorwürfen äußerte. Man sei eigentlich täglich davon ausgegangene, dass der Patient wieder in seine ursprüngliche Einrichtung und damit auch den geringeren Betreuungsschlüssel zurückkehren werde. "Das war unser erster Patient in Intensivpflege. Es gab deshalb dafür auch keine Überprüfungsmechanismen", so der ehemalige Inhaber eines ursprünglich von seiner Ehefrau gegründeten Pflegediensts. Weil die Pflege in Bad Rappenau und die Abrechnung in der Zentrale in Mannheim erfolgt sei, blieb die Fehlabrechnung eine ganze Weile unentdeckt, räumte er ein. "Aus Angst vor einer Insolvenz haben wir den Tatbestand dann zunächst beibehalten." Als der Patient im Dezember 2016 verstarb, habe man die fehlerhafte Abrechnung jedoch eingestellt. Immerhin rund 126.000 Euro waren bis dahin von dem Unternehmen gegenüber den Krankenkassen zu viel abgerechnet worden.
Das Unternehmen wollte das Geld an die Krankenkassen zurückzahlen – sobald es die Kassenlage erlaubt hätte. Soweit kam es aber nicht mehr. Im Jahr 2018 ging das Unternehmen mit seinen bis zu 100 Angestellten in die Insolvenz. "Es war keine böswillige Absicht. Ich hatte einfach den Überblick verloren und war überfordert", versicherte der Mann, der seit August 2020 in Untersuchungshaft sitzt, gegenüber den Richtern. Seine Ehefrau, die mit den beiden Kindern aktuell in Irland lebt und zunächst ebenfalls wegen Betrugs angeklagt war, habe weder Einblicke in die Intensivpflege noch in die Abrechnung gehabt, so der 41-Jährige. Das Verfahren gegen die Frau ist mittlerweile eingestellt.
Eine Beteiligung an den weiteren Tatvorwürfen wies der Mann in seinen kurzen Ausführungen allerdings von sich. So seien weitere 170.000 Euro bei einer Patientin in Bad Rappenau, sowie im Jahr 2018 in einer Einrichtung im pfälzischen Osthofen falsch abgerechnet worden. "Diese Abrechnungen haben meine Mitarbeiter durchgeführt", versicherte der Mann. Stichprobenhafte Überprüfungen hätten keine Abweichungen ergeben. "Ich habe meinen Mitarbeitern vertraut." Tiefergehende Nachfragen zu seinen Ausführungen wollte er nicht beantworten. Für den Prozess sind bislang weitere acht Verhandlungstage bis Ende Februar angesetzt.
Update: Mittwoch, 6. Januar 2021, 19 Uhr
Falsche Leistungen in Rechnung gestellt?
Der Gründer eines Mannheimer Pflegediensts ist angeklagt. Dem Staatsanwalt zufolge hat er die Krankenkassen um 360.000 Euro geschädigt.
Von Volker Endres
Mannheim. Wegen Betrugs muss sich seit Mittwoch der ehemalige Leiter eines Pflegedienstes vor dem Landgericht Mannheim verantworten. Er soll wissentlich falsche Dienstleistungen in Rechnung gestellt haben. Zwischen 2016 und 2018 sei den Krankenkassen dadurch ein Schaden von fast 360.000 Euro entstanden, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Knapp 45 Minuten lang zählte Staatsanwalt Michael Hager die angeblichen Verfehlungen des Mannheimer Pflegediensts auf, den der 41-Jährige gemeinsam mit seiner Ehefrau noch als Student gegründet hatte – im Jahr 2006 ursprünglich als Vermittlungsdienst polnischer Pflegekräfte nach Deutschland, seit 2010 als Dienstleister für Komplettpflege. Zunächst offensichtlich auch erfolgreich. Mit einem neuen Konzept wurden in Bad Rappenau und Osthofen eine Art Wohngemeinschaft für Patienten gebildet, die regelmäßig von den Mitarbeitern des Pflegedienstes betreut wurden. Zumindest in der Theorie.
"Zwischen den Krankenkassen und dem Pflegedienst wurden gewisse Pflegeschlüssel vereinbart", erklärte Staatsanwalt Hager. Etwa eine Eins-zu-Eins Vollzeitbetreuung oder eine Pflegekraft, die sich um vier Patienten kümmern sollte. Alles selbstverständlich nicht nur ordnungsgemäß dokumentiert, sondern auch unter der Voraussetzung, dass ausschließlich ausgebildete Fachkräfte die Pflege der Patienten übernehmen. Weder das eine noch das andere habe der Pflegedienst in den 16 Fällen eingehalten aber trotzdem abgerechnet, so der Vorwurf der Anklage.
Unleserliche Behandlungsdokumentationen, Unterzeichner, die nicht mit dem Dienstplan in Einklang stehen und deutlich mehr Patienten pro Pflegekraft als eigentlich mit den jeweiligen Krankenkassen vereinbart waren – seit 2016 nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft eine gängige Praxis in dem Pflegedienst. Zwischen 500 und fast 25.000 Euro seien so je Patient und Monat zu viel abgerechnet und von den Krankenkassen auch überwiesen worden. Dabei habe das Ehepaar als Pflegedienstbetreiber jeweils mit Vorsatz gehandelt. "Nicht eingehaltener Versorgungsschlüssel, nicht eingehaltene Dokumentation", wiederholte Hager nach jedem einzelnen Tatvorwurf.
Genutzt hat es offensichtlich wenig: Der Pflegedienst als Personengesellschaft ging 2018 in die Insolvenz. Der 41-Jährige bezifferte seine Schuldenlast auf "ungefähr zwei Millionen Euro". Gemeinsam mit seiner Frau, dem sechs Jahre alten Sohn und der neugeborenen Tochter habe er deshalb in Irland mittlerweile einen Neustart begonnen – bis zu seiner Verhaftung im Juni dieses Jahres.
Zu den Tatvorwürfen äußerte sich der Mann noch nicht, machte lediglich Angaben zu seiner Person. "Wir hatten noch keine Gelegenheit, seine Erklärung zu besprechen", sagte sein Verteidiger, stellte eine entsprechende Aussage aber für den nächsten Verhandlungstag in Aussicht. Das Verfahren gegen die zunächst ebenfalls angeklagte Ehefrau sei in der Zwischenzeit eingestellt worden. Sie habe im Tatzeitraum kaum in der Firma gearbeitet.
Der Prozess wird am 5. Januar fortgesetzt. Bis Ende Februar sind noch acht weitere Verhandlungstage festgesetzt.