Aktivisten des Bündnisses "Wem gehört die Stadt?" hatten im August 2017 das heruntergekommene Mehrfamilienhaus in der Hafenstraße fast einen Tag lang besetzt. Im Rathaus hatte es zuvor Gedankenspiele gegeben, darin ein Gründerzentrum anzusiedeln. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Die Hafenstraße ist der Seismograf für den Zustand des Jungbuschs: Da sind auf der einen Seite schmucke Bauten mit moderner Architektur, das Gründer- und Kreativwirtschaftszentrum C-Hub etwa oder die ehemalige Kauffmannmühle, wo luxuriöse Eigentumswohnungen entstanden sind. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen mal solide, mal heruntergekommene Mehrfamilienhäuser, in denen - freundlich formuliert - nicht die Allerreichsten wohnen. Oder niemand mehr - wie in der Hafenstraße 66.
Vor knapp sechs Jahren hat die Stadt die Problemimmobilie gekauft, die zuvor mit Zuwanderern aus Südosteuropa überbelegt war und zwangsenteignet wurde. Lange Zeit war nicht klar, was mit dem Haus geschieht. Im Rathaus gab es Gedankenspiele, dort ein Gründerzentrum für Start-up-Unternehmen mit Schwerpunkt Digitalisierung anzusiedeln. Doch dagegen regte sich Widerstand. Im Sommer vergangenen Jahres besetzten sogar Aktive des Bündnisses "Wem gehört die Stadt?" (WGDS) mehrere Stunden lang das Gebäude. Mit ihrer spektakulären Aktion wollten sie darauf aufmerksam machen, dass bezahlbarer Wohnraum im Viertel immer mehr verloren gehe.
Und tatsächlich: Der Szene-Kiez mit Partymeile verzeichnete zusammen mit der Innenstadt den höchsten Anstieg bei den Mieten. Zwischen 2007 und 2017 schossen hier die Preise um fast ein Drittel nach oben. WGDS bot sich selbst als Käufer für die Hafenstraße 66 an. Der Plan: Neben Räumen für soziale Initiativen sollten unter dem Dach des solidarischen "Mietshäuser-Syndikats" Wohnungen gerade für unterprivilegierte Schichten geschaffen werden - "für sechs Euro pro Quadratmeter kalt", sagte eine Sprecherin damals. Kritiker hielten das Konzept schon wegen des immensen Sanierungsaufwands für utopisch. Jetzt verkauft die Stadt die Immobilie an die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GBG. Die vom Rathaus gemachten Auflagen dürften bei WGDS durchaus auf Wohlwollen stoßen.
Die GBG sagte zu, das Haus abzureißen und an seiner Stelle innerhalb von zwei Jahren einen ebenfalls mehrgeschossigen Neubau zu errichten. Darin sind barrierefreie Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten zu Quadratmeterpreisen um 7,50 Euro vorgesehen. GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings kündigte an, Fördermittel beim Land zu beantragen. Ansonsten seien die niedrigen Mietpreise nicht zu verwirklichen. Die Stadt hatte das Gebäude 2012 für 425.000 Euro erworben. Und für den gleichen Preis hat die GBG nun das Haus gekauft. Frings wollte keine Angaben über die Zahl der Wohnungen in dem Neubau machen, die Planungen stünden am Anfang. Der Abriss soll aber bis Ende des Jahres erfolgt sein.
Oberbürgermeister Peter Kurz freute sich: "Zum einen wollen wir den Jungbusch weiterentwickeln, zum anderen wird so preisgünstiger Wohnraum geschaffen in einem Stadtteil, in dem die Mieten anziehen", sagte er bei einem Pressegespräch. Nach einer eingehenden Prüfung sei man zu dem Schluss gekommen, dass eine Sanierung des Gebäudes zu aufwendig und zu teuer und damit nicht sinnvoll sei. Beifall erhielt die Maßnahme vom Bewohnerverein im Jungbusch, der auf "dringend benötigten billigen Wohnraum" im Quartier verwies. Auch die SPD-Stadträtin Marianne Bade befürwortete den Verkauf an die GBG. So habe die Gesellschaft ein Objekt in der nahen Beilstraße 19 gekauft, in dem bis Sommer Wohnungen für Familien zu sozialverträglichen Mieten geschaffen werden. Frings sagte, die GBG werde weitere Häuser im Jungbusch aufkaufen, wenn sich die Gelegenheit dazu biete.