Vom Kran in die Höhe hieven ließ sich Max Giesinger auf dem Maimarktgelände. Foto: vaf
Von Stefan Otto
Mannheim. Auf Udo Lindenberg folgt Max Giesinger. "Lindenberg! Mach dein Ding!" hieß der Eröffnungsfilm beim Mannheimer Carstival, dem nach Angaben der Veranstalter "größten Autokino-Festival Deutschlands". Fünf Tage nach der Kinopremiere mit rund 300 Fahrzeugen folgte das erste Live-Konzert mit dem Badener Singer-Songwriter Max Giesinger vor 850 Autos auf dem ausverkauften Maimarktgelände.
Ganz einfach umbenannt in "Die Autokino-Reise" hat Giesinger seine ursprünglich geplante Tournee "Die Reise", die wegen der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie abgesagt werden musste. "Die Reise" heißt auch seine aktuelle, dritte CD, und mit der Textzeile "Die Reise beginnt ..." beginnt auch das außergewöhnliche Konzert, bei dem die Musik aus dem kleinen Autoradio kommt und nicht aus großen Lautsprechertürmen vorn an der Bühne.
So ein Autokino-Konzert ist nur etwas für echte Fans, möchte man meinen, denn es fühlt sich gar nicht wie ein reales Konzert an. Man kann so laut aufdrehen, wie man möchte – trotzdem könnte die Musik, die nur im Auto zu hören ist, auch aus der Konserve kommen, und das ganz unabhängig von der Beschaffenheit der Sound-Anlage im eigenen Gefährt. Von seinen ersten beiden Alben "Laufen lernen" und "Der Junge, der rennt" hat Max Giesinger jeweils auch eine Live-CD veröffentlicht, und das, was beim Carstival zu hören ist, könnte genausogut eine Live-CD zum 2018 veröffentlichten Studioalbum "Die Reise" sein.
Wie auf dem voll belegten Parkplatz eines riesigen Supermarktes stehen die 850 Autos in 24 langen Reihen von der Bühne ganz am nördlichen Rand des Maimarktgeländes bis zum MVV-Reitstadion. Wer in den hinteren Reihen landet und das Pech hat, etwa hinter einem SUV zu parken, sieht von der Leinwand, die mit 300 Quadratmetern eigentlich eine beachtliche Größe aufweist, gerade mal die Hälfte. Dass direkt davor, am unteren Rand, echte Musiker agieren, lässt sich nur erahnen, wenn man sich einmal weit aus dem Fenster lehnt. Die Fenster zu öffnen, ist gestattet, aber auf das Dach des eigenen Fahrzeugs zu klettern, was einige Zuschauer versuchen, bleibt untersagt.
Was erlebt man also, wenn man nicht gerade ganz vorne parkt? Ein Konzert aus dem Autoradio und den entsprechenden Konzertfilm auf der Leinwand. Vielleicht hätte man die Bühne auf ein höheres Podest setzen müssen, vielleicht sollte man die Autos in Zukunft besser versetzt platzieren, aber die Bedingungen, unter denen der Veranstalter, die Käfertaler Agentur GO 7, hier kurzfristig ein Kulturprogramm für alle Ausgehverhinderten auf die Beine gestellt hat, sind ja tatsächlich sehr schwierig.
Weder GO 7 noch Max Giesinger lässt sich ein Vorwurf machen, wenn der Funke beim Autokino-Konzert nicht wirklich überspringen kann. Der Sänger müht sich nach Kräften, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen und gibt auch vor, sie zu spüren. "Klasse, alles voll mit schicken Karren!" ruft er. Seine Aufforderung "Können wir mal die Hände sehen, Leute?!" muss er kurz darauf einschränken, "So gut es eben geht!" und bald umformulieren: "Kann ich mal alle Blinker sehen, Leute?!" Er bittet sein Publikum, hinter den Windschutzscheiben so laut wie nur möglich mitzusingen, "weil bei uns hier vorne kommt nicht viel an".
Er steigt von der Bühne, nähert sich den Autos und wäscht zu den Klängen des Disco-Funk-Klassikers "Car Wash" eine Scheibe, "die es besonders nötig hat". Der 31-Jährige plaudert zugewandt, singt und spielt neue Songs sowie all die gefälligen und gefühligen Hits, von "80 Millionen" bis "Nie stärker als jetzt", die die Fans hören wollen. Bis es nach gut hundert Minuten heißt, "Der Motor heult auf / Es setzt sich alles in Bewegung", wie im allerersten Song dieses Abends, den man doch viel lieber unter freiem Himmel anstatt im Auto verbracht hätte.