Polizeieinsatz in Mannheim

Wurde Schäferhund Karabas grundlos erschossen?

Polizeieinsatz in Mannheimer Getränkemarkt sorgt für kontroverse Diskussionen - Video zeigt Schläge gegen Mann in Handschellen

18.05.2017 UPDATE: 19.05.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden

"Er war kein Wachhund": Für die Familie von Getränkehändler Ayric gab es keinen Grund, Karabas zu erschießen. Foto: privat

Von Carsten Blaue

Mannheim. Die Polizei sieht in dieser Sache nicht gut aus. Eine Sicherheitsfirma meldet am 8. Mai gegen 1 Uhr einen Einbruch im "Star"-Getränkemarkt der Familie Ayric in der Mannheimer Zielstraße. Der Alarm sei ausgelöst worden. Aber einen Einbruch gibt es trotzdem nicht, wie sich später herausstellt. Vier Streifenwagenbesatzungen rücken in der Neckarstadt an, insgesamt acht Beamte. Am Ende ist ein zweijähriger Schäferhund-Rüde tot, erschossen von Polizisten. Und einem der vermeintlichen Einbrecher werden Handschellen angelegt, bevor er geschlagen wird. Ob von einem oder mehreren Beamten, ist noch nicht klar und Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens bei der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg. Das bestätigt gestern Polizeisprecher David Faulhaber. Eine Überwachungskamera des Getränkehandels hat den Einsatz aufgezeichnet.

Der Film, recht dunkel und in Schwarz-Weiß, kursiert im Internet. Außerdem gibt es Berichte. Das reicht für kontroverse Netz-Diskussionen, vor allem auf Facebook. Hier wird der Polizei Inkompetenz vorgeworfen, der Hund wird betrauert. Andere nehmen die Beamten in Schutz, finden es richtig, den Vierbeiner zu erschießen: "Nicht angeleint. Feuer frei", schreibt ein User. Ein anderer formuliert salopp: "Etwas dumm gelaufen."

Nach Polizeiangaben stellten die Beamten in jener Nacht zunächst fest, dass sich in der Lagerhalle des Marktes eine Person aufhält. Sie konnten in diesem Moment nicht wissen, dass der Mann zur Familie Ayric gehört und sich ein weiterer Cousin in dem eingerichteten Zimmer auf dem Marktgelände befand. Dazu sagte Fatma Ayric, die Frau von Getränkehändler Ibrahim Ayric, gegenüber der RNZ: "Beide sind Verwandte von uns. Sie haben bei uns übernachtet." Jede Nacht schlafe jemand dort, manchmal auch sie selbst oder ihr Mann: "Weil es bei uns viel Diebstahl gibt. Draußen stehen Kisten und Pfandflaschen. Deswegen wollen wir, dass immer jemand da ist." Dieses Mal sind es die beiden Familienmitglieder im Alter von 24 und 26 Jahren.

Die Polizei schildert, dass sich die Beamten Zutritt zum Gelände verschafft und den Mann angesprochen hätten, den sie im Lichtkegel ihrer Taschenlampen erfassten. Er solle vor die Tür treten. Fatma Ayric sagt, einer ihrer Verwandten sei wirklich zur Tür gegangen. Der andere habe Angst gehabt, sei in dem Zimmer geblieben und habe Ibrahim Ayric angerufen. Alles sei "in zwei, drei Minuten" passiert. Polizeisprecher Faulhaber sagt zum Einsatz seiner Kollegen: "Sie gingen von einem Einbruch aus. Und der Mann an der Tür hat sich verdächtig verhalten, als er sich zunächst wegduckte."

Am Halsband soll der Mann an der Tür den Schäferhund gehalten haben. Dieser, so die Polizeidarstellung, habe sich aggressiv verhalten. Die Beamten hätten den Unbekannten dazu aufgefordert, das Tier anzuleinen und vor die Halle zu treten. Dann sei der Hund nach draußen gerannt, habe nach einem Beamten gefasst, ihn am Arm erwischt und sich in den Unterarm eines weiteren Polizisten verbissen, als der Verdächtige festgenommen werden sollte. Dann soll der Schäferhund Anstalten gemacht haben, einen dritten Polizisten anzugreifen. Schlagstock und Pfefferspray hätten laut Darstellung keine Wirkung gegen das Tier gezeigt. Also hätten zwei weitere Beamte mehrere Schüsse abgegeben und den Hund getötet. Auf dem Video ist zu erkennen, wie ein Polizist die Waffe hebt. Ibrahim Ayric will später acht Patronenhülsen gefunden haben. "Unser Karabas war gar kein Wachhund. Er hat mit den Kindern gespielt. Für uns ist es als hätten wir ein Familienmitglied verloren", sagt Fatma Ayric im Gespräch mit der RNZ: "Uns tut das sehr weh. Er war doch erst zwei Jahre alt."

Auch Polizeisprecher Faulhaber findet es schlimm, dass Karabas getötet wurde: "Ich habe selber einen Hund." Aber in diesem Fall sei das Vorgehen seiner Kollegen "notwendig und verhältnismäßig" gewesen, zumal alles andere nichts gebracht hätte: "Außerdem war der Hund aggressiv und wurde nach Aufforderung nicht angeleint." Faulhaber sagt, dass sich einer der gebissenen Kollegen noch immer im Krankenstand befinde: "Das waren also keine oberflächlichen Verletzungen." Auch dass mehrere Schüsse abgegeben wurden, begründet der Polizeisprecher: "Der Hund war ein Ziel, das sich bewegte."

Außerdem zeigt der Film den Polizisten-Schlag gegen Kopf des Mannes in Handschellen. Später wird er noch einmal geschlagen, als er draußen vor dem Getränkemarkt auf der Motorhaube des Streifenwagens liegt. Auch das ist auf dem Video zu sehen. Als Ibrahim Ayric in der Nacht in seinem Markt eintrifft, um die Lage zu klären, ist das alles schon passiert. Für ihn und die Familie müsse es jetzt weitergehen, sagt seine Frau: "Wir versuchen, normal weiterzuarbeiten." Die Ayrics haben ihren Anwalt eingeschaltet, um Anzeige zu erstatten. Diese liegt der Polizei laut Faulhaber aber noch nicht vor.

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