Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Die Aussage des Fachmanns spricht Bände: In Deutschland gibt es zu viele Bäder. "Wenn sie als Bürgermeister aber sagen, ich schließe ein Bad, dann ist das politischer Selbstmord", begründet Bäderexperte Jürgen Kannewischer das Überangebot. Mannheim besitzt fünf Hallen- und vier Freibäder, von denen bislang keines von der Schließung bedroht ist. Das
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Von Wolf H. Goldschmitt
Mannheim. Die Aussage des Fachmanns spricht Bände: In Deutschland gibt es zu viele Bäder. "Wenn sie als Bürgermeister aber sagen, ich schließe ein Bad, dann ist das politischer Selbstmord", begründet Bäderexperte Jürgen Kannewischer das Überangebot. Mannheim besitzt fünf Hallen- und vier Freibäder, von denen bislang keines von der Schließung bedroht ist. Das historisch Wertvollste ist das Herschelbad mitten in der City. Doch hier knistert es gewaltig im Gebälk - und nicht nur, was die marode Bausubstanz anbelangt. Die Zukunft des denkmalgeschützten Kleinods soll eine kostspielige Generalsanierung sichern.
"Nettes, altes Schwimmbad", schreibt ein Gast auf der Homepage der Jugendstilanlage in U 3. Und legt den Finger in die Wunde. Denn das Herschelbad in seiner heutigen Form hat langfristig keine Überlebenschance. Stagnierende Besucherzahlen, völlig veraltete Technik und ein jährliches Defizit bringen die Stadtverwaltung in Nöte. Mit der "Vision Herschelbad 2020" soll der Befreiungsschlag gelingen. Die öffentliche Präsentation der ersten Ideen und Vorschläge vor rund 70, hauptsächlich älteren Bürgern hinterlässt zwiespältige Gefühle.
Eine Analyse des Bäderfachmanns Stefan Studer von der Kannewischer Ingenieurgesellschaft schlägt einen Umbau des Areals zur Wellnessoase für Erholungssuchende vor. Diese Neupositionierung als Gesundheitsbad mit Spaßfaktor ist auch nach Ansicht der Mannheimer Bäderverwaltung "alternativlos". Mit mehr Attraktivität rund um die drei Schwimmbecken könnte ein erstes kommunales Fass ohne Boden gestopft werden. Die Stadt leistet sich beim Herschelbad ein jährliches Minus von 1,6 Millionen Euro. Wenn die Kommune nicht vom "Niedrigfrequenzbereich" wegkomme, dann werde langfristig gar nichts mehr erhalten bleiben, prognostiziert Studer.
Bei einem Rundgang durch und unter die drei Badehallen wird deutlich, wo das Geld versickert. "Ein Liter 29 Grad warmes Wasser kostet rund fünf Euro", erzählt Schwimmmeister Patrick Bernd. Seine Führung in den "Bauch" des Gemäuers offenbart die ganze Misere der Technik: verrostete Rohre und provisorisch abgestützte Behälter, soweit das Auge reicht. "Und das wird nicht besser. So kann es wirklich nicht mehr weitergehen", redet Bernd Klartext.
Obwohl vier Freizeitbäder im Radius von 25 Kilometer um Mannheim florieren, glauben die Experten von Kannewischer bei sinnvoller Korrektur an "gute Chancen" für die Zukunft des fast 100 Jahre alten Komplexes. Bei seiner bevorzugten Sanierungsvariante müssten allerdings Schul- und Sportschwimmen ins Herzogenriedbad umziehen. Da 23 Schulen mittlerweile das Herschelbad nutzen, gibt es - was die Anreisewege anbelangt - laut Studer "Gewinner und Verlierer". Ein Umbau inklusive Schulungsbecken käme den städtischen Etat rund 800.000 Euro teurer, was angesichts einer Gesamtsanierungssumme von fast 40 Millionen Euro ein Plus von zwei Prozent ausmacht. Wenn die Rechnung aufgeht, werden nach einer vierjährigen Innenrenovierung anstelle von 130.000 jährlich 180.000 Badegäste erwartet. Ob die Kapazität der Parkplätze in der angrenzenden Tiefgarage dann ausreicht, steht auf einem anderen Blatt. Ebenso unklar ist, ob die Sanierung in Etappen oder am Stück ausgeführt wird.
Ein Raunen geht durch den Saal, als Studer über mögliche Eintrittspreise von morgen spricht. "Zwischen zehn und elf Euro" müsste nach dem Umbau ein Kombiticket für Bad und Wellness kosten, um in der Jahresbilanz auf eine "schwarze Null" zu kommen. Zurzeit kostet die Karte 3,70 Euro. Fachbereichsleiter Uwe Kaliske allerdings machte in der Diskussion deutlich, dass auch günstigere Varianten geprüft würden - so zum Beispiel ein zeitlich begrenztes Frühschwimmen für Senioren.
Eine Kombilösung für alle könne sich die Stadt künftig wohl aber nicht mehr leisten, meinte ein Diskussionsteilnehmer. Klar wird in der Debatte auch, dass es auch künftig Wannenbäder geben wird. Diese Möglichkeit zur Körperhygiene, wie sie auch der Mannheimer Kaufmann Bernhard Herschel in seinem Testament anspricht, wird immer häufiger in Anspruch genommen.
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