2007 hob der Verwaltungsgerichtshof das Berufsverbot gegen den Lehrer Michael Csaszkóczy auf. Gestern musste er wieder vor Gericht. Foto: hob
Von Holger Buchwald
Heidelberg. "Haarsträubend", nennt Michael Csaszkóczy die Entscheidung des Amtsgerichts: "Wenn das Bestand hätte, dürfte ich mich künftig überhaupt nicht mehr in der Nähe von Veranstaltungen rechter Parteien aufhalten." Richterin Dr. Glaser hat den Realschullehrer am Freitag wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt. Er habe als "Rädelsführer" der linken Szene am 12. Mai letzten Jahres eine Veranstaltung der AfD-Landtagsfraktion im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei stören und verhindern wollen, so die Begründung. Als ihm der AfD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Klos ein Hausverbot erteilt habe, musste er von fünf Polizisten über die Treppen ins untere Foyer der Bücherei getragen werden. Er leistete keinen Widerstand.
Rüdiger Klos war es, der Strafanzeige gegen den heute 48-jährigen Realschullehrer stellte. Das Nachspiel, das jetzt vor Gericht folgte, ist auch für die Stadträte Hilde Stolz (Bunte Linke) und Waseem Butt, die den Prozess verfolgten, "nicht nachvollziehbar". Stolz selbst war an diesem 12. Mai 2017 in der Stadtbücherei und erzählt eine andere Geschichte, als die Polizeibeamten, die am Freitag als Zeugen geladen waren. Sie bestreitet, dass jemand die Versammlung verhindern wollte. Sie selbst durfte aber vor Gericht nicht aussagen, obwohl Verteidiger Martin Heiming einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Die Richterin bügelte ihn ab: "Der Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt."
Der Prozess im Überblick:
> Die Sicherheitsvorkehrungen waren ungewöhnlich für eine Verhandlung wegen Hausfriedensbruchs: Die Taschen wurden am Eingang des Justizgebäudes durchleuchtet, alle Besucher abgetastet. Jeder musste am Eingang zum Saal 6 seinen Ausweis vorzeigen und sein Handy abgeben. Die Verhandlung wurde von einem Dutzend Polizisten gesichert. Im Publikum saßen im bis auf den letzten Platz besetzten Saal fast nur ältere Besucher, darunter viele Frauen. Sonst außer einem Beobachter des Kultusministeriums und Polizei vor allem Unterstützer von Csaszkóczy.
> Mit einem Befangenheitsantrag startete der Prozess. Angesichts der Sicherheitsvorkehrungen befürchtete Verteidiger Heiming eine Vorverurteilung seines Mandanten. Besonders pikant: Nur fünf Tage vor der Verhandlung wurde die Richterin wegen einer Änderung in der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts ausgetauscht. Heiming sieht hier einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des "gesetzlichen Richters". Demnach muss bereits vor einer Streitigkeit feststehen, welches Gericht und welcher Richter dafür zuständig ist. Auch diesen Antrag lehnte Glaser ab.
> Csaszkóczy selbst sagt zu seinen Beweggründen, warum er in der Stadtbücherei war: "Ich wollte alles dokumentieren." Dass die AfD rassistische Gewalt verharmlose, habe sich schon damals abgezeichnet. Klos habe kein Recht gehabt, ihn von der öffentlich beworbenen Versammlung auszuschließen. Schließlich sei die Teilnahme daran durch Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt. Dass von ihm eine Gefahr ausgegangen sei, sei absurd. 18 bis 20 AfD-Gegner seien in der Stadtbücherei gewesen. Daraufhin hätten die Veranstalter angeordnet, nur noch Anhänger der Partei in den Saal zu lassen. Trotz der Empörung, dass im nach Hilde Domin benannten Saal Rechtspopulisten auftreten, habe es keine Aggressionen gegeben.
> Der AfD-Landtagsabgeordnete Klos behauptete, im oberen Foyer der Bücherei sei es zu Anti-AfD-Sprechchören gekommen. Dass Csaszkóczy der Wortführer der Linken gewesen sei, mache er daran fest, dass er der "zentrale Mittelpunkt" einer Gruppe gewesen sei. Aufgrund seiner Stimmlage und seiner Körpersprache sei klar gewesen, dass er die Versammlung verhindern wollte. Er habe die Umstehenden aufgefordert: "Jetzt werdet mal laut!"
> Ein Polizeibeamter sagte: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es zu körperlichen Übergriffen kommt." Die Stimmung sei nur "verbal aggressiv" gewesen. Nach der Aussage des Einsatzführers hatte der linke Lehrer gleich zu Beginn die Rechtmäßigkeit der Versammlung angezweifelt und wollte den Mietvertrag einsehen. Er sei als "Rädelsführer" anzusehen, weil er eine dominante Persönlichkeit sei. Er könne Einfluss auf seine Mitstreiter ausüben, das habe sich schon bei früheren Veranstaltungen wie bei denen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg gezeigt. Auf mehrmaliges Nachfragen der Richterin behauptete der Polizist, dass der Angeklagte selbst Anti-AfD-Parolen skandierte.
> Richterin Glaser gründete ihr Urteil auf den Aussagen der Polizei und der AfD. Andere Zeugen wurden nicht zugelassen. Csaszkóczy habe die Gruppe um ihn herum "angestachelt". Als "Störer" sei er eben kein geschützter Teilnehmer einer Versammlung gewesen. "Die polizeiliche Generalklausel war anwendbar."
> Wie geht es weiter? Csaszkóczy wird in Berufung gehen.