Der Merianstich von 1620 zeigt, welche wirtschaftliche Bedeutung der Neckar hatte: Schifffahrt, Flößerei, Mühlen - und nicht zuletzt die "Gewerbegebiete" direkt am Flussufer. Und nicht zu vergessen die Brücke - bis Lauffen bei Heilbronn der einzige feste Neckarübergang. Repro: RNZ
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Besonders liebevoll sind die Heidelberger in den letzten Jahrhunderten nicht mit ihrem Fluss umgegangen: Die beiden Ufer werden von Verkehrsadern eingezwängt, und zumindest in der Altstadt wenden die meisten Häuser dem Neckar nur ihre Rückseite zu. Das hat seinen Grund: Der Fluss brachte immer wieder verheerende Überschwemmungen, und sein Ufer war jahrhundertelang lediglich ein Gewerbegebiet.
Bis in die Neuzeit war der Neckar eine der wichtigsten Transportrouten, wie der Heidelberger Historiker Jochen Goetze berichtet. Der Landweg war etwa fünf Mal teurer als der Wasserweg, zumal sich die verschiedenen Landesherren schon früh auf Zollvereinbarungen geeinigt hatten. Heidelberg war eine wichtige Durchgangsstation der Flößerei: Aus dem Schwarzwald kamen die mächtigen Stämme, die für die waldarmen Niederlande bestimmt waren, um darauf Städte zu gründen oder Deiche zu bauen. Die Heidelberger hatten das Stapelrecht: Auf einem großen Platz unweit vom Marstall, wo heute die Stadthalle steht, mussten die riesigen Stämme den Bürgern der Stadt drei Tage lang zum Verkauf angeboten werden. Direkt an der Brücke wurde das wesentlich kleinere Klafterholz für die Handwerker gelagert.
Auf dem Landweg mussten die Kaufleute auf dem Weg von Nord nach Süd entlang der Bergstraße einen Zwangsumweg über die einzige Neckarbrücke - die nächste war erst wieder in Lauffen, rund 100 Kilometer flussaufwärts - nehmen, wo sie dann in Heidelberg ordentlich Zoll zu zahlen hatten. Dieses Zollprivileg hatte der Kurfürst 1356 in der Goldenen Bulle erhalten - und das war im Grunde die einzige Einnahmequelle außer ihrem Eigenbesitz. Heidelberg war damals eine bitterarme Stadt, die quasi lediglich als Versorgungsstation für das Schloss diente. Und die Stadt hatte lange Zeit kein Hinterland: Das nördliche Neckarufer gehörte dem Erzbischof von Mainz; die Pfalz, so Goetze, war "ein kleines Territorium mit versprengten Einzelbesitz, es war das ärmste der sieben Kurfürstentümer". Deswegen war es immer auch eine wirtschaftliche Katastrophe, wenn die Neckarbrücke durch Hochwasser fortgerissen wurde - oft genug landete die dann in Neuenheim an, wo man daraus Brennholz machte. Das endete erst mit der Einweihung der steinernen Brücke 1787.
Die Hochwasser machten einen Winterhafen, also eine sichere Bleibe für die Schiffe und Boote, erforderlich. Das sollte zu einem der schlimmsten städtebaulichen Fehlschläge werden: 1832 wurde mit dem Bau auf dem Gelände des heutigen Bismarckplatzes begonnen. Nach sieben Jahren war der Hafen fertig, hatte aber wegen der engen Einfahrt keinen Austausch mit dem Neckar; also begann das Wasser hier zu faulen und entsetzlich zu stinken, sodass man nach weiteren sieben Jahren das Becken wieder zuschüttete.
Heute fast vergessen sind die Mühlen, die es einst am Neckar gab: Der Fluss war bis zu seiner Kanalisierung vor rund 90 Jahren mit einer Tiefe von einem halben Meter relativ seicht (und damit ungeeignet für große Schiffe) , aber die Fließgeschwindigkeit war hoch - zu hoch für die Mühlen. Deswegen gab es damals schon Stauwehre, die schräg gegen die Strömung in den Neckar ragten. Auf dem Merianstich sind drei gut zu erkennen: die Herren-, die Mönchs- und die Pfistermühle. Alle bestanden seit dem Mittelalter, am längsten hielt sich die Herrenmühle, die 1973 abbrannte. "Ohne den Neckar", so schlussfolgert Goetze, "hatte die Stadt keine Chance zu überleben."