Er fährt gut mit der Hoffnung auf Heilung
Andy Sninsky hat sein Multiples Myelom im Griff - Er traf renommierten Experten

Andy Sninsky (r.) hat den Tumor besiegt und reist jetzt mit dem Fahrrad durch die Welt, um Betroffenen Mut zu machen. Prof. Hartmut Goldschmidt empfing ihn. Foto: Rothe
Von Birgit Sommer
Heidelberg. "Bis es Heilung gibt, gibt es Hoffnung." Das ist die Devise von Andy Sninsky. Und damit ist der Amerikaner gut gefahren bisher: Er hat eine potenziell tödliche Krankheit, das Multiple Myelom, im Griff, und er fährt tatsächlich mit seinem Fahrrad und mit einer Botschaft um die Welt.
"Ich habe eine Zukunft", sagt er ganz fröhlich in der Medizinischen Klinik in Heidelberg. Dort trifft er Prof. Hartmut Goldschmidt, einen der weltweit renommiertesten Experten für diese Krebserkrankung.
Zum Myelom-Patiententag am 23. September will Sninsky wiederkommen und den Betroffenen vermitteln, dass die Zukunft glänzend ist, weil sich so viele neue Möglichkeiten zur Behandlung auftun. Der 69-Jährige empfiehlt auch: "Nicht im Internet nachrecherchieren, da gibt es nicht viel Hoffnung. Lieber einer Selbsthilfegruppe beitreten und gemeinsam nach vorne schauen. Und natürlich mit den Ärzten zusammen herausfinden, was die beste Therapie ist."
Andy Sninsky ist tausend Kilometer von Wien nach Heidelberg geradelt, über solch schöne Städte wie Prag, Nürnberg, Rothenburg/Tauber. "Mosbach is beautiful", sagt der Amerikaner.
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Er hat natürlich auch seinen Mark Twain gelesen, der im Jahr 1878 durch das Neckartal reiste. 60 bis 80 Kilometer täglich fährt Andy Sninsky mit seinem Rad, immer die 40 Kilo Gepäck mit Zelt, Schlafsack, Laptop im Schlepptau.
Jetzt weiß er, dass ihm die Bewegung hilft. Das war am Anfang nicht abzusehen. Da schaffte er keine zwei Stufen einer Treppe. Als er 2008 die ersten Schmerzen in Rippen und Wirbelsäule spürte, arbeitete er gerade mit Touristen als Kajak-Fahrer in Costa Rica.
In Wien, wo er mit seiner Frau lebte, diagnostizierte ein Experte dann das Multiple Myelom: Veränderte Plasmazellen wuchern im Knochenmark, sodass zu wenige rote Blutkörperchen gebildet werden. "Der Schmerz war so schrecklich, dass ich sterben wollte", sagt Sninsky. Nach der Bestrahlung fühlte er sich schwach. Chemotherapie und Stammzelltransplantation folgten.
Doch dazwischen lag noch ein Aufenthalt im Kloster Heiligkreuz. "Die Mönche brauchten ein Wunder, weil sie einen Mann heiligsprechen lassen wollten", schmunzelt Sninsky. Sie bekamen ein Wunder.
Über Rollator und Nordic-Walking-Stöcke kämpfte er sich weiter bis zum Radfahren - trotz brüchiger Knochen. Seit 2010 brauchte er keine Therapie mehr, dafür legte er 35.000 Kilometer auf dem Rad zurück, allein oder in Begleitung von Freunden.
Sein Einsatz gilt der International Myelom Foundation. Der Mediziner Dr. Jens Hillengaß, bis vor kurzen am Heidelberger Universitätsklinikum und heute in den USA tätig, holte ihn wegen seiner positiven Ausstrahlung an den Neckar.
"Sport ist hilfreich", findet auch Prof. Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. "Wir haben hier ein spezielles Angebot an Patienten, den richtigen Sport für sie zu finden."
Was die Behandlung des Multiplen Myeloms betrifft, sieht Goldschmidt eine gute Zeit kommen. "In den letzten drei Jahren wurden sechs neue Medikamente zugelassen, darunter zwei Antikörper, die bei Myelom gut wirken", sagt er: "Es wird Zeit, über eine Heilung nachzudenken." Auch die Nebenwirkungen seien entscheidend geringer als früher, erklärt Goldschmidt.
Die Ärzte wollen die Krankheit jetzt wegbehandeln. Die Zahl der Krebszellen auf das geringste Maß zu reduzieren - auf eine minimale residuelle Resterkrankung (MRD) -, das schaffen sie in Heidelberg bei 50 Prozent der Patienten. Und sie können die eine böse Zelle unter einer Million gesunder Zellen diagnostizieren. Selbst schwer zerstörte Knochen bauten sich oft wieder auf, erklärt Goldschmidt, so, wie auch jeder gesunde Mensch innerhalb von drei Jahren Knochen auf- und abbaut.
Etwa 6500 Menschen in Deutschland erkranken jährlich am Multiplen Myelom, 30.000 sind es in Europa. Es gebe eine genetische Komponente, sagt Goldschmidt, aber nicht so deutlich, dass sich Vorsorgeuntersuchungen lohnten. Als Ursache diskutiert würden auch Umwelteinflüsse wie Chemikalien. Doch weil man nichts Genaues weiß, kann er nur empfehlen: "Leben Sie gesund!"