Wie auf dieser Visualisierung soll die Stadthalle nach dem Umbau aussehen. Durch viele Hubpodien – statt nur durch vier, wie jetzt vorgeschlagen wurde – hätten alle Zuschauer nicht nur gute Sicht, sondern auch eine gute Akustik. Gleichzeitig bleibt genug Platz für das Orchester. Repro: Bloomiages
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Lange war es still im Streit um die Hubpodien und die Sanierung der Stadthalle. Doch nun meldete sich der Maler und Objektkünstler Siegfried Angermüller mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Eckart Würzner und die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses zu Wort. Sein Vorschlag: Bei der Neugestaltung des großen Saals solle man sich am Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens orientieren. Angermüller sieht dies als möglichen Kompromiss: Denn dann müsste man nicht grundsätzlich auf Hubpodien und ein aufsteigendes Gestühl verzichten, käme aber ohne die in seinen Augen unästhetischen Seitenwände aus.
Von dem Brief existieren zwei Versionen. In der ersten ist das Schreiben an den OB und die Stadträte von einer ganzen Reihe namhafter Heidelbergerinnen und Heidelberger unterzeichnet. Der Haken: Laut RNZ-Informationen wussten die aufgeführten Personen gar nichts davon. Erst als sie von städtischen Vertretern darauf angesprochen worden waren und sie sich bei Angermüller beschwert hatten, schickte dieser eine neue Version des offenen Briefes. Dieses Mal war er nur von ihm selbst unterzeichnet.
"Das war ein Schnellschuss von mir", entschuldigt sich Angermüller auf Anfrage der RNZ. Er habe für den ersten Brief dasselbe "Briefpapier" benutzt wie bei einem Schreiben an das Landesdenkmalamt vom Mai. Der Inhalt der beiden Texte sei nahezu identisch, daher sei er davon ausgegangen, dass die damaligen Unterzeichner noch immer hinter der Idee stünden. Ein Stadtsprecher kommentiert den Fehler anders: "Damit handelt es sich für uns nicht um einen offenen Brief einer größeren Gruppe, sondern um den einer Einzelperson."
Inhaltlich schlägt Angermüller vor, nur vier statt der geplanten 16 Hubpodien im großen Saal einzubauen. "Der Saal wird dadurch nicht durch Seitenwände separiert und optisch eingeengt, sondern behält im Wesentlichen seine historische, charakterliche, atmosphärische und seelische Anmutung, auch im Hinblick auf den Vier-Säulen-Rhythmus", so Angermüller. Mit dieser Konzeption seien 23 Sitzreihen möglich – bei verkleinerter Fläche für das Orchester.
"Ihr Vorschlag ist nicht neu", antwortete Würzner auf den offenen Brief: "Diese Variante wurde bereits vor mehreren Monaten im Kreis der Nutzer und Experten diskutiert und wieder verworfen." Würde das Vier-Stufen-Prinzip bei 23 Zuschauerreihen umgesetzt, hieße dies, dass insgesamt vier Reihen freie Sicht auf die Bühne böten, so der OB: "19 dagegen bieten weiterhin den Blick auf den Hinterkopf des Vordermannes oder der Vorderfrau. Damit wäre trotz Einsatz von Hubpodien die Sicht für die allermeisten Besucherinnen und Besucher weiterhin eingeschränkt. Der große Vorteil der Hubpodien wäre für die meisten schlicht verschenkt." Hinzu komme, dass der Akustikgutachter in öffentlicher Ausschusssitzung sehr anschaulich erläutert habe, wie gute Sicht und gute Akustik zusammenhingen.
Würzner ärgert sich besonders darüber, dass Angermüller die Orchesterfläche reduzieren würde. "Um es klar zu sagen: Für mich ist das keine Randbemerkung. Sie sprechen sich dafür aus, den mehr als achtzig Musikerinnen und Musikern unseres Philharmonischen Orchesters ihre Heimspielstätte zu nehmen", betont der OB: "Das ist eine Geringschätzung unseres städtischen Orchesters, die ich nicht akzeptieren kann."
Die beschlossenen Pläne von Architekt Felix Waechter hingegen bieten laut Würzner Lösungen für die bisherigen Probleme im großen Saal: "Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer erhält bei den ansteigenden Sitzreihen freien Blick auf die Bühne. Gleichzeitig ermöglichen die Hubpodien, das bisherige ebene Parkett wieder herzustellen. Die heutige Raum-Konstellation bleibt also vollständig erhalten." Die Planungen seien zudem mit den Nutzern der Stadthalle abgestimmt – vom Jugendtanztag über die Brauchtumsvereine bis zum Orchester und Heidelberger Frühling. Und man habe das große Glück, mit Wolfgang Marguerre, seiner Familie und seinem Unternehmen Octapharma äußerst großzügige Unterstützer zu haben. Ohne sie wäre die Stadthalle seit diesem Jahr wegen baulicher Mängel auf unabsehbare Zeit geschlossen.
Angermüller begründet seinen offenen Brief unter anderem mit den finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise. "Für mich wäre das eine gute Zeit, um darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Sanierungspläne zu reduzieren. Auch mit Blick auf den künftigen Unterhalt der Stadthalle." Dass sein Vorschlag nun so abgebügelt wurde, ist für ihn enttäuschend: "Man wollte sich damit nicht ernsthaft auseinandersetzen."
Der Autor des offenen Briefes hätte es gut gefunden, wenn man auch das geplante neue Kongresszentrum in der Bahnstadt so geplant hätte, dass es für große Konzerte genutzt werden kann. "Die Meinung ist aber verhärtet", so Angermüller. Mit Würzners Antwort ist das Thema für ihn erledigt.
Unterdessen ist die endgültige Baugenehmigung für die Stadthallensanierung noch immer nicht erteilt. Es wird gerade entrümpelt. Die nicht denkmalgeschützten Vorhänge wurden jüngst an das städtische Theater übergeben.